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Archive des Aktivismus: Schweizer Trotzkist*innen im Kalten Krieg
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Antje Rihm

In Bewegung: Frauen in der RML

1979 fand die nationale Frauenkonferenz der Revolutionären Marxistischen Liga (RML) statt. Hier entschied sich der Kurs der RML gegenüber der Neuen Frauenbewegung. Die Aktivist*innen debattierten über ihr Verständnis von Feminismus, dessen Bedeutung für die Revolution und organisationsinterne Probleme.

Rund hundert Delegierte kamen am Wochenende des 17. und 18. März 1979 in Lausanne zur nationalen Frauenkonferenz der Revolutionären Marxistischen Liga (RML) zusammen. Die Teilnahme kostete zwanzig Franken, für die Übernachtung waren Schlafsäcke selbst mitzubringen. Nebst den Mitgliedern waren auch Sympathisant*innen der RML eingeladen. Etwa die Hälfte der Teilnehmer*innen war weiblich. Wie der Einladung zu entnehmen ist, wartete auf die Aktivist*innen ab dem Samstagnachmittag ein volles Programm.1 In den Diskussionsbeiträgen und Texten, die rund um diese Frauenkonferenz entstanden sind und diskutiert wurden, offenbart sich eine spezifische feministische Politik der RML, die sich von anderen Positionen innerhalb der Frauenbewegung abgrenzte.

Nach einem Eklat in der kommunistischen Partei im Kanton Waadt, der Parti Ouvrier et Populaire (POP), spaltete sich im Herbst 1969 eine linksoppositionelle Gruppe zur Ligue Marxiste Révolutionnaire (LMR) ab. 1971 wurde in Zürich deren erster Ableger in der Deutschschweiz unter dem Namen Revolutionäre Marxistische Liga (RML) gegründet. Bis 1974 hatten sich in der ganzen Schweiz verschiedene Sektionen formiert. Die RML – ab 1980 in Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) umbenannt – wurde zur bis anhin grössten trotzkistischen Organisation der Schweiz. In ihrer politischen Arbeit setzte sich die Organisation immer wieder für Gleichberechtigung ein, den meisten Sektionen gehörten zeitweise Frauengruppen an und es existierte eine nationale Frauenarbeitsgruppe. Die nationale Frauenkonferenz von 1979 fand dann auch aufgrund eines Beschlusses statt, der am vierten nationalen Kongress der RML 1978 getroffen worden war. Die RML hatte während der drei Jahre zuvor keine Debatte mehr über ihre »Frauenarbeit« geführt. Sie erachtete es daher für notwendig, kritisch Bilanz zu ziehen.

Abb. 1: Ein Eindruck von der nationalen Frauenkonferenz der RML: Von den etwa hundert Delegierten waren 48 Prozent Frauen. Im Durchschnitt lag der Frauenanteil in der RML/SAP bei 25–30 Prozent.

Bezeichnenderweise fiel die Frauenkonferenz der RML in die sogenannte zweite Phase der Neuen Frauenbewegung, die etwa Mitte der 1970er Jahre an gesellschaftlicher und politischer Relevanz gewann. In dieser Zeit begannen sich bestehende Frauenorganisationen aus der ersten Phase der Neuen Frauenbewegung zu reorganisieren und neu zu konstituieren. Diese Organisationen verstärkten Kontakte zur älteren, teilweise auch bürgerlichen Frauenbewegung, indem sie neue Koalitionen bildeten. Das Schlüsselthema war – wie schon zu Beginn der 1970er Jahre – die weibliche Sexualität. Es dominierten daher Themen wie Verhütung, Abtreibung, Homosexualität, Lust und Zärtlichkeit.2

Neue Bezugspunkte der Frauenbewegung waren die Herausbildung autonomer Frauenräume, die Teilhabe am öffentlichen Raum, die institutionelle Gleichberechtigung und die juristische Verankerung der Anliegen der Aktivist*innen im Gesetz. Zwei Volksinitiativen repräsentierten die politischen Forderungen: Einerseits die 1978 eingereichte Mutterschaftsschutzinitiative (»Für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft«) und andererseits die Initiative, welche »gleiche Rechte für Mann und Frau« forderte und 1976 eingereicht wurde.3 An beiden Initiativen beteiligte sich die RML. Ihre Aktivist*innen hatten erkannt, dass sich die Frauenbewegung im Umbruch befand. Sie suchten daher an ihrer im März 1979 stattfindenden Frauenkonferenz Ansatzpunkte, um sich über die Bedeutung des Feminismus in der Gesellschaft zu verständigen.

Zudem wollten die Aktivist*innen gemeinsam ihre politische Strategie sowohl in der Neuen Frauenbewegung als auch in der eigenen Organisation erörtern. In kritischer Anlehnung an die Neue Frauenbewegung und in starker Abgrenzung von den bürgerlichen und sozialdemokratischen Parteien versuchten die RML-Aktivist*innen an der Frauenkonferenz, ihre eigene Position einerseits zu finden, andererseits zu stärken. Sie arbeiteten Interventionsmethoden aus, um gegen die Unterdrückung der Frauen in der Gesellschaft vorzugehen, mit dem Ziel, die Situation der Frauen umfassend zu verbessern. Ein weiterer Diskussionspunkt an der Frauenkonferenz betraf die Vormachtstellung und das Verhalten der männlichen Aktivisten innerhalb der RML. In der Partei kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen um die Anerkennung der weiblichen Aktivistinnen der RML als gleichberechtigte Mitglieder. Verschiedentlich wurden Anstrengungen unternommen, die Stellung der Aktivistinnen in der Organisation der RML zu stärken und diese vermehrt in die politische Arbeit einzubinden.

Die Aktivist*innen der RML wollten gemeinsam ihre politische Strategie sowohl in der Neuen Frauenbewegung als auch in der eigenen Organisation erörtern.

Wie die RML die Frauenbewegung analysierte

Zur Vorbereitung der Frauenkonferenz hatte eine Kommission des Zentralkomitees, bestehend aus drei Frauen und zeitweise weiteren Aktivist*innen, Thesen ausgearbeitet. Die Mitglieder der RML konnten in organisationsinternen Bulletins an der Diskussion teilhaben, indem sie die vorgestellten Thesen kommentierten und Änderungsanträge stellten. In den Thesen zur Frauenkonferenz gestanden die Aktivist*innen der RML ein, dass ihre Analyse und Einschätzung der Neuen Frauenbewegung von 1968 teilweise fehlerhaft gewesen sei. Zudem erachteten sie die »Integration des Feminismus«4 in die RML als nicht wirklich gelungen, und sehen die politische Arbeit der Frauen innerhalb der Organisation an den Rand gedrängt. Die Aktivist*innen hielten daran fest, dass die Frauenbewegung seit 1968 eine neue politische Dimension angenommen habe, die über die Forderung nach Rechtsgleichheit, wie sie bürgerliche Frauen, sozialdemokratische und gewerkschaftliche Feministinnen gestellt hatten, hinausgehe. Sie unterstrichen insbesondere die erreichte Autonomie der neu entstandenen Frauengruppen sowie die Radikalität ihrer Forderungen und ihre Fähigkeit, Frauen aus verschiedensten sozialen Schichten erreichen zu können.

Auffallend ist jedoch, dass die Solidarität und gegenseitige Rücksichtnahme unter Frauen ebenso wie die Diskussionen um Liebe, (Homo-)Sexualität und männliche Macht in den Thesen und Diskussionsbulletins zur Frauenkonferenz keine Erwähnung finden. Das überrascht insofern, als die historische Forschung zur Neuen Frauenbewegung darauf hinweist, dass gerade diese Themen einen zentralen Stellenwert in den Diskussionen einnahmen.5 Die Aktivist*innen der RML betonten in ihrer Beurteilung der damaligen Situation – gut zehn Jahre nach 1968 – vielmehr den politischen Aktivismus und die Selbstorganisation der Frauen. Diese Praxisorientiertheit galt ihnen, wie es auch im Thesenpapier zur Frauenkonferenz benannt wird, als Zwischenschritt, der bei den Frauen ein neues politisches Bewusstsein begründet:

»Aus den folgenden zwei Gründen ist diese Fähigkeit zur Selbstorganisation der Frauen eine bedeutende Errungenschaft:

  1. die Frauen nehmen den Kampf gegen ihre Unterdrückung selbst an die Hand. […]
  2. die Frauenbewegung ergreift eigene Initiativen. Sie zieht die Arbeiterbewegung zur Verantwortung und bewirkt, dass feministische Forderungen in ihren Organisationen aufgenommen werden.«6

Ein weitreichendes Problem der Neuen Frauenbewegung sahen die Aktivist*innen in der von ihnen beobachteten starken Zersplitterung der verschiedenen Frauenorganisationen seit 1968. Dafür führten sie drei Ursachen an: Erstens das »tiefe politische Niveau«7 der Arbeiter*innen. Zweitens identifizierten sie eine Spaltung der Arbeiter*innenklasse, die sie damit begründeten, dass die männlichen Arbeiter in der Schweiz schon lange Zeit vordergründig in Frieden leben würden und sich daher weder zur internationalen Solidarität noch zum Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen verpflichtet fühlten. Drittens befanden sie, dass den »lohnabhängigen Männern und Frauen« zur »persönlichen und sozialen Befreiung« ganz grundsätzlich die »herrschende Ideologie des Bürgertums« im Weg stehen würde.8 Gerade in dieser Ideologie des Bürgertums sahen die Aktivist*innen der RML das Grundproblem, nicht nur für die Frauenbewegung, sondern für alle Lohnabhängigen.

Abb. 2: Ankündigung der nationalen Frauenkonferenz der RML in der Bresche vom 12. März 1979. Oben rechts das Signet, das die RML/SAP für ihre »Frauenarbeit« verwendete: Anstelle von Faust, Hammer und Sichel – dem offiziellen Signet der RML/SAP – ein nackter Frauenoberkörper mit gestreckter Faust, der das Venussymbol durchbricht.

Abgrenzung auf allen Seiten

In ihrer Analyse der verschiedenen feministischen Strömungen des Feminismus warfen die Mitglieder der RML der »reformistischen Arbeiterbewegung« – namentlich der SP, den Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH) und der Partei der Arbeit (PdA) – vor, diese würde der Illusion verfallen, dass mittels entsprechender Gesetze das kapitalistische System egalitärer und gerechter gestaltet werden könne. Sie kritisierten, dass diese Organisationen mit ihrer Politik nicht wirklich gegen die Unterdrückung der Frauen ankämpfen, da sie die Verbindung von Kapitalismus und Patriarchat nicht benennen würden. Die Familie nämlich stelle den Ort dar, an dem die Arbeitskraft reproduziert werde. Solange die Rolle der Familie in der kapitalistischen Gesellschaft unhinterfragt bliebe, werde die soziale und ökonomische Abhängigkeit der Frauen weiterbestehen.

Zudem warfen sie den reformistischen Parteien vor, dass sie mit Teilen des Bürgertums kollaborieren:

»Die reformistische Arbeiterbewegung […] hält die Illusion aufrecht, dass man den Kapitalismus ›gerechter, egalitärer‹ machen kann – wie es die SP sagt – oder dass man den Kapitalismus ›durch Gesetze zähmen‹ kann, ohne ihn zu zerstören – wie es die Projekte […] von POCH und PdA wollen. Diese politischen Projekte stehen einer wirklichen Frauenbefreiung entgegen, weil sie die Verbindung zwischen Frauenunterdrückung und kapitalistischem System nicht aufzeigen. Sie unterstellen die Interessen und Bedürfnisse der Frauen ihren Projekten der Klassenkollaboration mit einem Teil des Bürgertums (z.B. mit der CVP, die der härteste Verteidiger der Frau am Herd ist!).«9

Die Arbeiter*innenbewegung müsse sich der Diskriminierung der Frauen bewusst werden, und für eine »Sozialisierung der Hausarbeit« einstehen.

Auf der anderen Seite attestierten die Aktivist*innen der RML zwar den »Radikalfeministinnen« der Frauenbefreiungsbewegung (FBB), dass diese die Unterdrückung der Frauen als zentrales Thema der Politik etablieren konnten. Zugleich erachteten sie es für problematisch, dass die FBB die Frauen als »eigene soziale Klasse« betrachtet und zwei Produktionssphären voneinander trennen würde: die Hausarbeit und die kapitalistische Arbeitswelt. Dies führe dazu, dass der Kampf der FBB gegen die Unterdrückung der Frauen die Arbeiter*innenklasse und die Geschlechter spalte. Auch die Einschätzung, dass sich die Rolle der Frau in der Gesellschaft durch den von der FBB geforderten Lohn für Hausarbeit verändern würde, wurde von den Aktivist*innen der RML kritisiert. Lösungen für die Unterdrückung der Frauen könnten nur »[…] im Rahmen der Sozialisierung der Produktion, der Hausarbeit und der Politik gesucht werden.«10 Dennoch wird festgehalten, dass sowohl innerhalb der FBB als auch in den anderen Organisationen zumindest ansatzweise eine kritische Strömung existiere, die das kapitalistische System bekämpfe. Dieser kritischen Strömung fühlten sich die Aktivist*innen der RML aufgrund ihrer Autonomie gegenüber den bürgerlichen und sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Organisationen verbunden. Wie eine RML-Aktivistin in einem Diskussionsbeitrag schrieb, bestehe aber auch eine gewisse Nähe zu Frauen, die private und persönliche Erfahrungen der Befreiung machen, ohne dass diese Frauen sich dabei mit der Arbeiter*innenklasse verbunden fühlen und sich politisch engagieren.11

Priorität für den feministischen Aktivismus der RML hatte aber die Vertretung der Organisation innerhalb der Frauenkommissionen der Gewerkschaften und der Organisation für die Sache der Frauen (OFRA), die im Umfeld der POCH entstand. Dadurch wollte die RML einerseits einer möglichen Isolation der eigenen Organisation sowie andererseits »sektiererischen Tendenzen« der verschiedenen Organisationen untereinander entgegenwirken. Die Aktivist*innen der RML warfen speziell der OFRA »Sektierertum« vor, da diese zu wenig grundsätzliche Fragen zur Unterdrückung der Frauen mit in ihr Programm aufnehme und sich zu wenig für eine geeinte Frauenbewegung einsetze.12

»Sektiererische Tendenzen« warf die RML ebenfalls den maoistischen Organisationen vor und kritisierten diese heftig. So beschuldigten sie femmes en lutte (»Frauen kämpfen«), eine Organisation, die vor allem in der Romandie aktiv war, die Unterdrückung der Frauen als rein ökonomisches Problem im Sinne des »Vulgärmarxismus«13 abzuhandeln, weil sie diese auf einen Nebenwiderspruch in Bezug auf die Unterdrückung der Arbeiter*innenklasse reduzieren. Sie würden die Problematik des Patriarchats nicht miteinbeziehen und davon ausgehen, dass sich dieses von selbst mit der Berufstätigkeit der Frauen lösen würde. Sie warfen ihnen ebenfalls vor, sich wie SP, PdA und POCH auf Bündnisse mit Teilen des Bürgertums einzulassen. Für die Aktivist*innen der RML hingegen war klar: Für die Befreiung der Frau ist es notwendig, die Berufstätigkeit von Frauen an zwei Bedingungen zu knüpfen. Erstens müsse der sozial abhängige Status der Frau als Hausfrau innerhalb der Familie grundlegend verändert werden. Zweitens müsse sich die Arbeiter*innenbewegung der Diskriminierung der Frauen bewusst werden und für eine »Sozialisierung der Hausarbeit« und eine »sozialistische Alternative« einstehen.14

Abb. 3: Die einseitige Perspektive des »Vulgärmarxismus«, die die Befreiung der Frau einzig in der klassenlosen Gesellschaft verortete, galt es aus Sicht der Trotzkist*innen mittels der Kritik am vorherrschenden Patriarchat zu überwinden.

In Analyse und Kritik der Frauenbewegung und des Patriarchats grenzten sich die Aktivist*innen der RML also deutlich von den verschiedenen bürgerlichen, aber auch von den linken und sogar marxistisch orientierten Parteien und Organisationen ab. Den einen unterstellten sie, nicht für die Abschaffung des »bürgerlich-kapitalistischen Konzepts« der Familie zu kämpfen, den anderen eine einseitige Orientierung an »vulgärmarxistischen Prinzipien«. Darüber hinaus warfen sie den sogenannten »Radikalfeministinnen« der FBB vor, sich abzuspalten und zu isolieren. Für ihre Beurteilung der feministischen Ansätze innerhalb der verschiedenen Parteien und Organisationen stützten sie sich jeweils auf die entsprechenden Parteiprogramme und analysierten diese in Vorbereitung für die eigenen feministischen Thesen eingehend.

Es stellt sich nun die Frage, wieso diese umfassende theoretische Abarbeitung an den verschiedenen Positionen vorgenommen wurde. Ein möglicher Grund hierfür könnte sein, dass die RML dadurch einerseits versuchte, sich durch explizite Abgrenzung in der Politiklandschaft zu positionieren. Andererseits könnte sie versucht haben, sich durch die immer wieder erfolgten Analysen den neuen Gegebenheiten anzupassen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen. So scheint die RML in der neu entstandenen Frauenbewegung das Potential erkannt zu haben, Frauen zu mobilisieren, und sympathisierte trotz einer gewissen kritischen Distanz mit der Neuen Frauenbewegung. Auffällig ist aber auch, dass die im oben erwähnten Diskussionsbeitrag einer Aktivistin hervorgehobene Solidarität mit denjenigen kämpfenden Frauen, die sich zwar der Neuen Frauenbewegung zugehörig fühlen, der »Arbeiterklasse« aber nicht, im Thesenpapier der RML keinen Platz gefunden hatte. Hierbei spielte sicherlich wieder das von den Aktivist*innen der RML angesprochene (Klassen-) Bewusstsein, das eine Frau haben sollte, die entscheidende Rolle. Die damalige Tendenz einiger Frauen, sich auf sich selbst zu konzentrieren und sich in Selbsterfahrungsgruppen als Frauen neu kennenzulernen, passte nicht zu der politischen Strategie der RML.

Abb. 4: Laut der RML/SAP beeinflusste die biologische Mutterschaft der Frauen ihre soziale Rolle im kapitalistischen System.

Die Einheit der Frauen

Um einen erfolgreichen Kampf zur Befreiung der Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen herbeiführen zu können und die Spaltung der Arbeiter*innenbewegung durch die bürgerlichen Parteien und deren »Ideologie« zu verhindern, insistierten die Aktivist*innen der RML in ihrem Programm darauf, dass die Frauenbewegung eng mit Arbeiter*innen zusammenarbeiten müsse. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse die Arbeiter*innenbewegung in die Auseinandersetzung rund um die Unterdrückung der Frau miteinbezogen werden. Als ein geeignetes Mittel hierfür erachteten sie die Schaffung von Frauenkommissionen in den Gewerkschaften sowie Frauengruppen in den verschiedenen Gewerkschaftssektionen, damit sich die Frauen dort organisieren und an den Aktivitäten der Gewerkschaften teilnehmen würden. Um der drohenden Isolation der gewerkschaftlichen Frauenkommissionen entgegenzutreten, sei es notwendig, dass die Frauenkommissionen in die gesamte Politik der Gewerkschaften einbezogen und die »kämpferischen Gewerkschaftsaktivisten« von der Schaffung solcher Frauenkommissionen überzeugt würden. Darüber hinaus war es den Aktivist*innen der RML wichtig, dass eine enge Verbindung der gewerkschaftlichen Frauenkommissionen mit Aktionen und Initiativen der Frauenbewegung, sowohl auf lokaler als auch nationaler Ebene, garantiert würde. Die Aktivist*innen hielten es grundsätzlich für zentral, dass konkrete, realistische Forderungen gestellt würden, die die »unmittelbaren, objektiven« Bedürfnisse der Frauen miteinbezogen.15

Die Aktivist*innen der RML erkannten deshalb in der Ausarbeitung einer Verfassungsinitiative für das in den 1970er Jahren gesellschaftlich stark debattierte Recht auf Abtreibung und im Engagement für die Mutterschutzinitiative politisches Potential. Sie hielten beide Kampagnen für äusserst geeignet, ihre feministischen Forderungen im Kontext derjenigen der Frauenbewegung zu artikulieren. Beide Initiativen zielten nämlich auf die Verbesserung der Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft ab. Zum Recht auf Abtreibung schrieben zwei Aktivist*innen, dass dessen rechtliche Verankerung Frauen nicht nur ermöglichen würde, selbst über ihren Körper zu entscheiden und ihre Rolle in der bürgerlichen Gesellschaft kritisch zu hinterfragen, sondern dass damit die Familie gesamtgesellschaftlich in Frage gestellt würde.16

Bezüglich der Mutterschutzinitiative verfolgten die Aktivist*innen der RML eine ähnliche Argumentation: Sie sahen diese als Chance, aufzeigen zu können, dass sich die Unterdrückung der Frau – in Anlehnung an das Paradigma der 1968er- Aktivist*innen »das Private ist politisch« – »[…] nur im gesellschaftlichen Rahmen lösen lässt, und keineswegs ›Privatsache‹ ist.«17 Ebenfalls als unerlässlich erachteten sie es, sich in der Debatte um die anstehende Initiative »Gleiche Rechte für Mann und Frau« einzubringen und den Wahlspruch »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« als zentrale Forderung gegenüber der »bürgerlichen Demagogie« zu behaupten.18 Mit »bürgerlicher Demagogie« drückten die Aktivist*innen an dieser Stelle ihre Einschätzung aus, dass die bürgerlichen und sozialdemokratischen Parteien die Gleichstellungsfrage auf ihre juristischen Aspekte reduzieren würden. Mit dem Fokus auf die Lohngleichheit versuchte die RML, auf eine Veränderung der Rollenverteilung im Haushalt und der Familie hinzuarbeiten sowie eine materielle Gleichstellung der Frauen zu erreichen.

Abb. 5: Auch die OFRA forderte am 8. März 1980 »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit«.

Für die Arbeit innerhalb des Teils der Neuen Frauenbewegung, der unabhängig von den Parteien und etablierten Organisationen agierte, plädierten die Aktivist*innen der RML dafür, eine »Einheitspolitik und Einheitsarbeit«19 zu entwickeln. Das Ziel dieser Politik sollte einerseits sein, möglichst viele Frauen zu erreichen, ihre Aktivitäten zu vereinen und für ein »demokratisches Funktionieren« in den autonomen Frauengruppen der Neuen Frauenbewegung zu sorgen; andererseits ging es darum, eine klare Abgrenzung gegenüber den bürgerlichen Frauenorganisationen und ihrer Ideologie aufrechtzuerhalten. Einem Diskussionsbulletin ist zu entnehmen, dass dabei nicht mehr eine »Massenorganisation mit Programm« im Fokus stand, wie es noch am dritten Kongress der RML 1976 diskutiert wurde. Vielmehr umfasst der Begriff der Einheitsarbeit und der Einheitspolitik das Recht auf freie Meinungsäusserung, die Möglichkeit, verschiedene Standpunkte innerhalb der Frauenbewegung vertreten zu dürfen und die Tolerierung verschiedener Positionen. Die Aktivist*innen betonten insbesondere, wie wichtig es sei, gegenüber der FBB und OFRA hervorzuheben, dass die RML mit ihrer Strategie nicht vorhabe, die Frauenbewegung zu manipulieren.20

Die Aktivist*innen der RML strebten also die Organisierung der Neuen Frauenbewegung in dem Sinne an, dass die verschiedenen Anliegen und Ziele der politisch relativ heterogenen Frauen vereint wurden, um eine drohende Spaltung der Neuen Frauenbewegung zu verhindern. Zudem war es für sie zentral, sich aktiv mit ihren eigenen Überlegungen zur Stellung der Frau in der Gesellschaft einbringen zu können. Im Vergleich zu vorangegangenen Diskussionen in der RML über ihre feministische Arbeit und ihre Ziele sahen die Aktivist*innen, neben ihrem Engagement für die Volksinitiativen und in den Gewerkschaften, zunehmend Priorität in ihrer Arbeit in der Neuen Frauenbewegung. Sie hatten erkannt, dass sich die Neue Frauenbewegung in einer Phase der Reorganisation befand, viele Frauen anzog und im Vergleich zu anderen linken Organisationen keine Mühe hatte, ihre Mitglieder zu mobilisieren. Im Gegensatz zu anderen Organisationen in der Neuen Frauenbewegung waren die Aktivist*innen der RML jedoch nicht bereit, sich auf Konzessionen und Bündnisse mit Frauen aus bürgerlichen Parteien oder etablierten Frauenverbänden, die sich schon für das Frauenstimmrecht stark gemacht hatten, einzulassen, da diese nicht umfassende gesellschaftliche Veränderungen anstrebten, sondern lediglich die Rechtsgleichheit von Frauen und Männern forderten.

Die von den Aktivist*innen der RML immer wieder angesprochene drohende Spaltung und Isolation der autonomen Frauenbewegung fand in der Schweiz nur sehr begrenzt statt. In Spanien, Deutschland und den Niederlanden hingegen führten die Differenzen zwischen autonomen und sozialistischen Strömungen des Feminismus über die Ursache der Frauenunterdrückung dazu, dass sich diese trennten und verschiedene Organisationen gründeten.21 In der Schweiz waren es ab 1980 dann aber die Aktivist*innen der RML, die die OFRA zu spalten drohten. Die im Herbst 1980 zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) umbenannte RML versuchte, ihre an der Frauenkonferenz 1979 beschlossene Einheitsarbeit innerhalb der OFRA umzusetzen und eine eng an der sozialistischen Theorie orientierte Neue Frauenbewegung zu etablieren.

Abb. 6: Die RML/SAP reichte im Januar 1980 die Volksinitiative »Für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft« ein.

Dies lässt sich anhand verschiedener nach der Frauenkonferenz erschienenen, organisationsinternen Bilanzen der RML/SAP aus der ganzen Schweiz nachweisen, in denen meist mit dem Signum »streng intern« die Entwicklungen innerhalb der OFRA bilanziert wurden. Die Aktivistinnen der OFRA fühlten sich von den Aktivistinnen der SAP unterwandert und manipuliert. So wurde den Aktivistinnen der SAP zum Beispiel an der Sitzung mit dem OFRA-Sekretariat vom 25. November 1984 vorgeworfen, dass sie die OFRA »kontrollieren« würden und dass die SAP versuchen würde, »wichtige Leitungspositionen« zu besetzen.22 Eine komplette Umorientierung der OFRA gelang den Frauen der SAP nicht. Die internen Grabenkämpfe führten jedoch so weit, dass sich die OFRA-Sektion Zürich auflöste. Mit der Auflösung der OFRA-Sektion Zürich beruhigte sich der Konflikt zwischen den autonomen und sozialistischen Aktivistinnen der Frauenbewegung aber wieder.23

Als Frauen in einer Männerpartei

Neben dem ständigen Erarbeiten einer eigenen Position innerhalb der Neuen Frauenbewegung bestand ein gewichtiger Teil der feministischen Arbeit der RML-Aktivistinnen darin, ihre männlichen Parteigenossen davon zu überzeugen, dass die Gleichberechtigung eines ihrer zentralen Anliegen sein muss. So findet sich im Diskussionsbeitrag einer führenden und langjährigen RML-Aktivistin folgende Formulierung:

»Es geistert da eine Vorstellung durch die Köpfe und Texte [der Genossen], die SAP sei eine Gemeinschaft von kommunistisch erzogenen, freien und gleichen Menschen ohne Erinnerung an die Spaltungen der Lohnabhängigen nach Geschlecht […]«.24

Die angestrebte Organisierung der Neuen Frauenbewegung sollte die verschiedenen Anliegen und Ziele der politisch relativ heterogenen Frauen vereinen.

Sogleich vorweggenommen wird, dass die Aktivistinnen der RML/SAP das Problem der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in der Parteiarbeit mit den Aktivistinnen aller alten und neuen (linken) Parteien teilten. Trotz der immer wieder erfolgten Analysen zur Situation der Frau, der ansatzweise vorhandenen theoretischen Verknüpfung der Kapitalismuskritik mit der Kritik am Patriarchat und dem Engagement in Initiativen, die sich der Rolle und Stellung der Frau in der Gesellschaft widmeten, hatten die Aktivistinnen der RML intern Probleme, als Frauen überhaupt ernst genommen und gehört zu werden. Sie bemühten sich immer wieder, mit ihren Anliegen berücksichtigt zu werden.

Diese interne Auseinandersetzung lässt sich von Beginn der Organisation in den frühen 1970er Jahren bis zur Auflösung zu Beginn der 1990er Jahre verfolgen. So beklagte sich eine Aktivistin im Zusammenhang mit dem dritten Kongress der RML von 1976, dass Frauen vor allem Protokolle mittippen und transkribieren oder organisieren und ausführen, was Männer theoretisch ausarbeiten: »[...] praktisch der ganze technische Apparat der Organisation [wird] von Frauen getragen«.25 Vier Jahre später schrieb eine andere Aktivistin, dass es »[…] immer noch eine Realität [ist], dass die meisten Frauen in keine kollektive Arbeit einbezogen sind.« Sie »grübeln« entweder alleine in ihrer Arbeit oder leisten den erfahrenen, männlichen Genossen Handreichungen.26 Eine Aktivistin hat zudem beinahe zehn Jahre im Politbüro als Mitglied gearbeitet und an den Sitzungen teilgenommen, jedoch ohne bei Beschlüssen als gleichwertiges Mitglied mitabstimmen zu dürfen. Als Grund hätten ihr die Männer erklärt, dass sie »theoretisch noch zu wenig geschult« sei.27

Auch das Verhalten der »Genossen« gegenüber den »Genossinnen« wurde in den Unterlagen kritisiert und als »arrogant« und »chauvinistisch« bezeichnet.28 Zudem hätten die Männer die Diskussionen und Sitzungen beherrscht. Es sei in einem Masse Druck auf die Frauen ausgeübt worden, dass diese sich gar nicht mehr getraut hätten, das Wort zu ergreifen und die eigene Meinung zu äussern.29 Dieses Verhalten führte dazu, dass sich immer wieder engagierte Aktivistinnen frustriert und enttäuscht zurückzogen und aus der Partei austraten. In einer elfseitigen Austrittserklärung einer RML/SAP-Aktivistin kritisierte diese heftig, dass die »demokratischen Rechte« der Frauen in der Partei eingeschränkt, der Feminismus inner- und ausserhalb der Partei zur »Oberflächenkosmetik« degradiert und allgemein eine passive Haltung gegenüber den Anliegen der Frauen bestehen würde.30

Als Gründe für die schwierige Stellung, die die Frauen in der RML/SAP hatten, führte eine Aktivistin in einem Antrag aus, dass Frauen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position, dem sozialen Druck in der »kapitalistischen Klassengesellschaft« und der Institution der Familie kein Selbstvertrauen aufbauen könnten.31 Dieses mangelnde Selbstbewusstsein zeige sich auch in der Organisation. Daher würden die Frauen auch von den »Genossen« nicht ernst genommen. Die Frauen der 1968er Bewegung hätten erst lernen müssen, Nein zu sagen und den Mut aufzubringen, für ihre eigenen Positionen einzustehen.32

Abb. 7: In einer Pressemitteilung prangerte die RML/SAP den Gegenvorschlag des Bundesrats zur Initiative »Gleiche Rechte für Mann und Frau« an. Sie kritisierte die Blindheit gegenüber der fehlenden arbeitsrechtlichen Gleichstellung und der Zuständigkeit von Frauen für die unbezahlte reproduktive Arbeit.

Damit übernahm die Aktivistin genau diejenigen Argumente, die im Thesenpapier der RML zur Unterdrückung der Frau angeführt werden, und überträgt diese auf die eigenen Organisationsstrukturen. Sie forderte nicht nur explizit, dass insbesondere von Seiten der Parteileitung Anstrengungen unternommen werden müssten, um Frauen in ihrer Arbeit zu ermutigen und entsprechende Schulungen für Frauen zu fördern, sondern zeigte mit ihrem Antrag selbst Mut, indem sie gegen die deutlich sichtbaren, organisationsinternen Missstände anschrieb. In einer Antwort eines Mitglieds einer Sektionsleitung der RML/SAP wurde ihr daraufhin unterstellt, dass sie ihre eigene Situation theoretisiere und zu wenig praktische politische Erfahrung aufweise, trotz jahrelanger Leitungserfahrung. Ihr wurde empfohlen, als Korrektorin in der Druckerei zu arbeiten, um sich besser in die Partei integrieren zu können, zudem könnten so »optimal ihre bisherigen Erfahrungen mit […] den zentralen Aufbaufragen verknüpft werden (auch bezüglich der Frauenfrage).«33

Es wurden aber auch Anstrengungen unternommen, die Situation der Frauen in der RML/SAP zu verbessern, und entsprechende Vorschläge unterbreitet. Aufgrund einer Diskussion während des dritten Kongresses der RML 1976 wurde beschlossen, nach Bedarf »ungemischte Frauenzellen«,34 das heisst nach Geschlechter getrennte Gruppen, zu schaffen. Die Idee dahinter war, den Frauen zu einer besseren Integration in der Organisation zu verhelfen und ihr Selbstbewusstsein zu fördern. Diese ungemischten Frauenzellen funktionierten laut einer persönlichen Bilanz sehr gut und ermöglichten den Frauen, sich in die politischen Diskussionen einzubringen.35 Knapp zwei Jahre später wurde das Recht der Frauen, in ungemischten Gruppen zu diskutieren, an der Frauenkonferenz aber wieder abgeschafft. Die Frauenzellen wurden aufgelöst.36

Nach Ansicht der Leitung des Zentralkomitees, das sich auf Erfahrungen internationaler Sektionen berief, würden die ungemischten Gruppen zu verschiedenen Interessensgruppen innerhalb der Organisation führen und eben gerade nicht die angestrebte gleichberechtigte Diskussion aller Mitglieder der Organisation fördern. Dies widerspreche einer »demokratisch-zentralistischen« Organisation. Weiter schrieb die Leitung im Thesenpapier: »In einer revolutionär-marxistischen Organisation gibt es – welches auch sonst ihre Schwächen sein mögen – keinen inneren Widerspruch zwischen Programm, Leitung und Basis.« Die Leitung des Zentralkomitees gestand zwar eigene Fehler bezüglich der Frauenarbeit ein. Diese führten sie auf mangelndes »Bewusstsein und Verständnis« von Seiten der Leitung zurück. Sie waren aber überzeugt davon, diese überwunden und der feministischen Arbeit genügend Platz eingeräumt zu haben. Dies würde der Fokus der Organisation auf die Mutterschutzinitiative belegen. Für die internen Probleme der Organisation hinsichtlich der Stellung der Frau unterbreitete sie lediglich den Vorschlag, innerhalb der Sektionen entsprechende Schulungen bezüglich der Unterdrückung der Frau durchzuführen. Zudem nahm sich die Leitung vor, intensiver mit der Frauenkommission der RML/SAP zusammenzuarbeiten.37

In der Aussenwahrnehmung galt die RML/SAP ohnehin als »Männerpartei«.

Fazit

Die Intervention in die Frauenbewegung und die eigene theoretische Positionierung zu feministischen Themen wurde für die RML im Verlaufe der 1970er Jahre zu einer zentralen politischen Achse. Dabei verbrachte die Organisation gerade rund um den Frauenkongress 1979 viel Zeit damit, die Positionen der vielen verschiedenen Organisationen, die rund um die Neue Frauenbewegung aktiv waren, zu studieren und zu kritisieren. Aus dieser theoretischen Auseinandersetzung entstand eine Position, die sich deutlich nach allen Seiten hin abgrenzt: gegenüber den autonom geprägten Teilen der Neuen Frauenbewegung, gegenüber den »reformistischen« Parteien und ganz besonders gegenüber einem »bürgerlichen« Feminismus. Und auch wenn die RML die Wichtigkeit von Organisationen wie der FBB oder der OFRA anerkannte, hatte sie in der jahrelangen Zusammen- und Mitarbeit in diesen Gefässen doch eigene Vorstellungen entwickelt, wie diese politisch weiterentwickelt und geführt werden sollten. Diese intensive theoretische Auseinandersetzung der RML mit feministischen Theorien und ihre 1979 klar formulierte Strategie, vermehrt in der Frauenbewegung und ihren Organisationen aktiv werden zu wollen, führte schlussendlich zu heftigen Abwehrreaktionen. Die Organisationen der Frauenbewegung wehrten sich gegen den Versuch der RML-Aktivistinnen, vermehrt Einfluss zu gewinnen.

Dabei waren diese äusseren Reaktionen längst nicht die einzigen Widerstände, gegen die die RML-Aktivistinnen anzukämpfen hatten. Die Betrachtungen der Stellung der Frauen innerhalb der RML/SAP zeigen, dass innerhalb dieser nach eigener Deklaration »demokratisch-zentralistischen« Organisation ein beträchtlicher Widerspruch zwischen Theorie und Praxis bestand. Die Frauen wurden in ihrem Versuch, sich auch innerhalb der Partei für die Stellung der Frau einzusetzen, teilweise auf einer persönlichen Ebene diffamiert und ihnen wurde unterstellt, selber für ihre schlechtere Stellung verantwortlich zu sein. Gerade die Parteileitung leugnete über weite Strecken schlichtweg, dass überhaupt interne Probleme bestanden. Zudem liegt die Annahme nahe, dass die Leitungsorgane Angst hatten, ihre führende Rolle zu verlieren und daher darauf insistiert wurde, dass die ungemischten Gruppen und die Frauenzellen wieder abgeschafft werden. Der RML/SAP gelang es nicht, Frauen als gleichberechtigte Mitglieder in der politischen Arbeit anzuerkennen – ein Problem, das sie mit vielen anderen linken Parteien und Organisationen der 1970er Jahre teilte. Die männlichen Aktivisten stellten ihre Vormachtstellung und ihr Verhalten gegenüber den weiblichen Mitgliedern oftmals nicht in Frage und zeigten nicht die Bereitschaft, dieses grundlegend zu ändern. In der Aussenwahrnehmung galt die RML/SAP ohnehin als »Männerpartei«.38 Wer sich gegen die Unterdrückung der Frauen politisch betätigen wollte, zog es als Frau vor, einer Organisation der Neuen Frauenbewegung beizutreten und nicht der RML/SAP, lautet das Fazit eines ehemaligen Aktivisten.39

Antje Rihm hat den Master in Philosophie und Geschichte an der Universität Zürich abgeschlossen.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Unbekannt, »Frauenbefreiung und Arbeiterbewegung«, Foto der Frauenkonferenz der RML, 17./18.03.1979, in: Bresche (09.04.1979), Schweizerisches Sozialarchiv (SozArch), S. 5 (Ausschnitt).

Abb. 2: Rubrik Mutterschutz, in: Bresche (12.03.1979), SozArch, S. 4 (Ausschnitt).

Abb. 3: Spezialbeigabe Feminismus, Faltblatt, in: Bresche (10.03.1980), SozArch, S. 16 (Ausschnitt).

Abb. 4: »Die Arbeiterbewegung muss die Mutterschaft als soziale Frage anpacken«, Dossier Mutterschaft, in: Bresche (25.09.1978), SozArch, S. 6 (Ausschnitt).

Abb. 5: Helga Leibundgut, Nationale Demonstration zum 8. März (Internationaler Tag der Frau), OFRA-Transparent »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit«, 1980, Luzern, SozArch, F 5110-Fc-039.

Abb. 6: Helga Leibundgut, Einreichung der Initiative »Für einen wirksamen Mutterschutz«, 1980, Bern, SozArch, F 5110-Fc-034.

Abb. 7: Revolutionäre Marxistische Liga, »Bundesrat gegen ›gleiche Rechte‹«, Pressemitteilung, in: Bresche (03.12.1979), SozArch, S. 5 (Ausschnitt).

Literatur
  1. 1

    Vgl. »Einladung«, undatiert, Schweizerisches Sozialarchiv (SozArch), Nationale Frauenkonferenz Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15.

  2. 2

    Vgl. Kristina Schulz, Leena Schmitter, Sarah Kiani: Frauenbewegung: Die Schweiz seit 1968: Analysen, Dokumente, Archive, Baden: Hier und Jetzt (2014), S. 73–100.

  3. 3

    Vgl. ebd., S. 77.

  4. 4

    »Für eine kritische Bilanz des 3. Kongresses«, Diskussionsbulletin Nr. 2, 10.02.1979, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15.

  5. 5

    Vgl. Kristina Schulz, Leena Schmitter, Sarah Kiani: Frauenbewegung: Die Schweiz seit 1968: Analysen, Dokumente, Archive, Baden: Hier und Jetzt (2014), S. 73–100.

  6. 6

    »Thesen der nationalen Frauenkonferenz«, undatiert, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15, S. 1.

  7. 7

    Ebd., S. 21.

  8. 8

    Ebd.

  9. 9

    Ebd., S. 4.

  10. 10

    Ebd., S. 6.

  11. 11

    Vgl. »Politische Organisation und autonome Frauenbewegung: Ist die Unterdrückung der Frau eine private Sache?«, Diskussionsbulletin Nr. 2, 10.02.1979, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15.

  12. 12

    »Thesen der nationalen Frauenkonferenz«, undatiert, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15, S. 7.

  13. 13

    Revolutionäre Marxistische Liga (Hg.): Frauen: Von der Unterdrückung zur Befreiung, Zürich: Veritas (1975), S. 15.

  14. 14

    »Thesen der nationalen Frauenkonferenz«, undatiert, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15, S. 7f.

  15. 15

    Ebd., S. 13–20.

  16. 16

    »Beitrag über die Abtreibung«, Diskussionsbulletin Nr. 1, 05.02.1979, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15.

  17. 17

    »Thesen der nationalen Frauenkonferenz«, undatiert, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15, S. 16.

  18. 18

    Ebd., S. 16f.

  19. 19

    Ebd., S. 18.

  20. 20

    »Sollen wir eine ›Frauenmassenorganisation‹ vorschlagen?«, Diskussionsbulletin Nr. 2, 10.02.1979, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15; »Thesen der nationalen Frauenkonferenz«, undatiert, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15, S. 21; »Frauenresolution«, undatiert, SozArch, III. Nationaler Kongress 1974–1976/2, Mappe 2, Ar. 65.10.1.

  21. 21

    Vgl. Danièle Lenzin: Die Sache der Frauen: OFRA und die Frauenbewegung in der Schweiz, Zürich: Rotpunkt (2000), S. 94f.

  22. 22

    »Sitzungsprotokoll«, 25.11.1984, SozArch, AG Frauen 1981–1986, Mappe 2, Ar. 65.14.12.

  23. 23

    Vgl. Danièle Lenzin: Die Sache der Frauen. OFRA und die Frauenbewegung in der Schweiz, Zürich: Rotpunkt (2000), S. 106.

  24. 24

    »Persönlicher Diskussionsbeitrag«, 22.01.1982, Privatarchiv Ursula Urech.

  25. 25

    »Interne Probleme«, 22.02.1976, Schweizerisches Sozialarchiv, III. Nationaler Kongress, 1974–1976/2, Mappe 2, Ar. 65.10.1.

  26. 26

    »Antrag«, 27.03.1980, Privatarchiv Ursula Urech, S. 1; »Sektionsleitungs-Protokoll«, 09.02.1982, Privatarchiv Ursula Urech.

  27. 27

    Gespräch mit der ehemaligen, langjährigen RML/SAP-Aktivistin Ursula Urech, 06.06.2017.

  28. 28

    »Anträge für die Frauenkonferenz von Mitgliedern der Frauenzelle Basel«, Diskussionsbulletin Nr. 2, 10.02.1979, SozArch, Nationale Frauenkonferenz: Texte, Thesen 1979, Mappe 1, Ar. 65.14.15.

  29. 29

    Ebd.

  30. 30

    »Austrittserklärung«, undatiert, SozArch, AG Frauen 1985–1989, Mappe 2, Ar. 65.14.13.

  31. 31

    »Antrag«, 27.03.1980, Privatarchiv Ursula Urech, S. 1f.

  32. 32

    Vgl. Barbara Kunz: »Auch das Private ist politisch – 68erinnen in Bewegung«, in: Erika Hebeisen, Elisabeth Joris, Angela Zimmermann (Hg.): Zürich 68: Kollektive Aufbrüche ins Ungewisse, Baden: Hier und Jetzt (2008), S. 28–39, hier S. 30f.

  33. 33

    »Zur Feminisierung der RML – Antwort auf Text«, 25.06.1980, Privatarchiv Ursula Urech.

  34. 34

    »Weshalb sind wir für Frauenzellen?«, Dezember 1976, Privatarchiv Ursula Urech.

  35. 35

    Vgl. »Bilanz Frauenzelle«, September 1978, Privatarchiv Ursula Urech.

  36. 36

    Vgl. »Sitzungsprotokoll«, undatiert, SozArch, Arbeitsprogramm für die Frauenarbeit der RML, Mappe 2, Ar. 65.14.12.

  37. 37

    Vgl. »Recht auf ungemischte Sitzung in der RML«, undatiert, Privatarchiv Ursula Urech.

  38. 38

    Gespräch mit einem ehemaligen RML/SAP-Aktivisten, 20.05.2017.

  39. 39

    Vgl. ebd.