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Montan-Welten: Alpengeschichte abseits des Pfades
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Caroline Tanner

Alpine Nomaden

In der Welt der Bergbäuerinnen und Bergbauern steht die Zeit, so scheint es, seit jeher still. Jedoch erweisen sich die unverrückbaren Gegebenheiten ihres Alltags bei näherer Betrachtung als Ausdruck nomadischer Mobilität und permanenter Veränderung.

Bäll, 2019. Die Belalp gewährt eine Weitsicht, die bis tief hinunter in das Rhonetal reicht. Mit einem Blick erfasst das Auge eine vertikale Distanz von rund 1400 Höhenmetern. Die heute für den Ski- und Wandertourismus beliebte Alp gibt einen ebenso eindrücklichen Ausblick auf weitläufige Gebirgsweiden, Felswände, Berggipfel und den Aletschgletscher. Dieser Anblick faszinierte schon die englischen Alpinisten des 19. Jahrhunderts, die 1856 auf der Belalp ein erstes kleines Touristenhotel errichteten. Es ist eine Landschaft voller Gegensätze, die sich über das 147 km2 grosse Gemeindegebiet von Naters erstreckt. Folgt das Auge dem Höhenabstieg hinab ins Tal, ist eine Strasse erkennbar, die die Gemeinde mit dem grössten Höhenunterschied der Schweiz wie eine Ader von unten nach oben verbindet. Ab dem siebenhundert Meter unterhalb der Alp liegenden Dorf Blatten befördert seit 1954 eine Seilbahn die Tourist*innen in die Höhe. Auf der Belalp gibt es keinen Dorfkern und auch keine Einkaufsmeile – stattdessen prägen »Touristendörfer« aus dem 20. Jahrhundert das heutige Bebauungsmuster. Bei genauerer Betrachtung tritt zwischen den modernen Chalet-Neubauten eine Streusiedlung hervor, in der sich kleine Bauten zu einem verspielteren Muster fügen. Der Anblick dieser Siedlung namens Bäll mag Betrachter*innen in ein zeitlich sehr unklar definiertes »Früher« versetzen: Die kleinen Holzbauten in Bäll sind materielle Spuren der Bergbäuerinnen und Bergbauern, die die Belalp für ihre Lebensgrundlage seit der Frühen Neuzeit nutzten. Hier, auf rund 2020 Meter über Meer, verbrachten sie mit ihrem Vieh einst die Sommermonate. Wie für die Tourist*innen heute, war Bäll auch für die Bergbäuer*innen ein Zuhause auf Zeit. Die scheinbar aus der Zeit gefallene Idylle erzählt aber eine andere Geschichte, als es die pittoresken Häuser am Berg auf den ersten Blick erahnen lassen.

Abb. 1: Die Allmend Bäll mit dem Holzbau der Familie Eyer in der Mitte, 1964–1976.

Bereits im 18. Jahrhundert übte die alpine Landschaft auf Reisende aus aller Welt einen besonderen Reiz aus. Wollten die englischen Alpinisten die höchsten Gipfel erklimmen, so waren die deutschen Literaten interessiert an einer Beschreibung der alpinen Menschen. Mit ihren Gedichten, Geschichten und Bildern konstruierten sie eine idyllische Welt, in der alles so ist, wie es immer war. Die Schönheit und Erhabenheit der Natur koppelten sie an die Reinheit und Freiheit ihrer Bewohner*innen.1 Der Älpler wurde zum Urtyp des genügsamen, tugendhaften Schweizers. Noch im frühen 20. Jahrhundert wurden die Bergbauern vom Basler Volkskundler Leopold Rütimeyer als wertkonservative Menschen dargestellt, die gewissermassen in einer ewigen Vergangenheit leben. So schreibt er etwa 1916 über die Walliser Blockbauten, »dass wir wohl im Walliser Speicher noch den letzten, jetzt noch lebenden Rest des neolithischen Pfahlbaus auf dem festen Land zu erblicken haben«.2 Der bis in die Steinzeit zurückreichende Vergangenheitsbezug war für die frühe Volkskunde nicht nur in einer archaischen materiellen Kultur zu finden, sondern umfasste die gesamte bäuerliche Lebensweise.

Gegen dieses verklärte Bild richtete Richard Weiss 1957 eine Kampfschrift mit dem Titel Alpiner Mensch und alpines Leben in der Krise der Gegenwart. In seinen Augen waren die tradierten Hirtengedichte und Kuhreihen, Alphorngebläse und Jodlerjauchze eine »unrealistische, aber wohltätige Selbstverklärung der eigenen harten Existenz«.3 Die Folgen der Industrialisierung und die Abwanderung vieler Bergbauernfamilien verwandelten die Höhenlagen in Krisengebiete. Die von Weiss geäusserte Kritik richtete sich insbesondere gegen den Umgang seiner Fachkollegen mit der materiellen Kultur der Bergbewohner*innen. Indem er das Proletariat nicht mehr in den Städten, sondern in den Bergen verortete, wandte er sich gegen diejenigen Vertreter der Volkskunde , die die Alpenkultur als »archaisch und zeitlos« stilisierten. In der Folge geriet die idealisierte Vorstellung einer vormodernen Welt in den Alpen immer mehr ins Wanken. Die Darstellung von Alpsiedlungen und Talschaften als Orte der Ruhe und des bäuerlichen Stillstands begann zu bröckeln.

Abb. 2: Zwei Bergbäuerinnen pausieren am Hang mit ihren Tschiffras.

Tatsächlich ist die Landschaft rund um Naters alles andere als zeitlos. Vielmehr befindet sie sich in ständiger Bewegung. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich in die Geschichte der Bergbauernfamilien vertieft. Eine Mikroperspektive auf das Eigentum und die Mobilität einer dieser Familien – der Familie Eyer – macht eine komplexe Alltagsrealität sichtbar, die das statische Bild einer frühneuzeitlichen Alpenidylle weiter in Frage stellt. Sie gibt zugleich Aufschluss über die agrarwirtschaftlichen Tätigkeiten am Natischerberg in den 1920er und 1930er Jahren, einer Zeit, in der Industrie und Tourismus die Region stark veränderten.

Vertikaler Nomadismus und materielle Kultur

Sommer, 1932. Bäll ist laut und voll. Der Kaplan notiert: »Der Sennerin Luise Schmid ist in den Unterbächen eine Kuh derart gestürzt, dass sie geschlachtet werden musste.« Das passiert im Sommer nicht oft – die Familien freuen sich über das frische Fleisch.4 Im Sommer 1939 zählt der Kaplan 206 wohnhafte Personen in Bäll. Mit dabei ist auch die Familie Eyer, bestehend aus Kreszilsa und Josef und ihren Kindern Olga, Gervas, Philomena und Albertine. In den rund sechzig verstreuten Alphütten finden auch die etwa fünfhundert Rinder der Bergbauernfamilien ihren nächtlichen Unterstand.5 Bei Tagesanbruch finden sie alle auf der Allmend zusammen, die während der Sommermonate Nahrungsgrundlage und Lebensraum zugleich ist. Privatboden gibt es hier keinen, die eigenen Heuwiesen besitzen die Bauernfamilien weiter unten. Es sind die saftigen Alpweiden, die sowohl Mensch und Tier nach oben ziehen. Sobald sie abgegrast sind und der Herbst sich ankündigt, ziehen die Bergbäuerinnen und Bergbauern mit ihren Tieren ein paar hundert Meter den Berg hinab in die Maiensässe. Die Eyers besitzen zwei Maiensässe, an denen sie neben Vieh- auch Ackerwirtschaft betreiben. Die Familie Eyer verbleibt, wenn möglich, bis in den Dezember hinein im oberen Maiensäss. Danach begibt sie sich samt Vieh ins Tal. Nach der Überwinterung im verwinkelten Dorfkern von Naters ziehen die Eyers Ende Februar zunächst ins untere Maiensäss. Ab Mai folgt der Aufenthalt im oberen Maiensäss, bis im Juni wieder die Höhenstufe der Alp erreicht wird. Diesen Wanderzyklus wiederholte die Familie jedes Jahr von Neuem. Die Bewegung zwischen Tal, Maiensässen und Alp ging jeweils mit einer Verschiebung des Haushalts einher. Die Dauer der Aufenthalte basierte primär auf den Futtermöglichkeiten für das Vieh, das einen erheblichen Wirtschaftsfaktor für die auf Selbstversorgung ausgelegten Familienbetriebe darstellte.6 Insgesamt wohnten die Eyers mit ihren Tieren im Verlauf eines Jahres an vier verschiedenen Standorten, deren Verknüpfung eine hohe Mobilität erforderte. Ihre Lebensweise kann somit als vertikaler Nomadismus charakterisiert werden.7 Bezieht man die agrarwirtschaftlichen Tätigkeiten der Familie Eyer mit ein, denen sie in Gemeinschaft mit den anderen Bergbauernfamilien am Natischerberg nachging, so nutzten sie beinahe das gesamte Höhenspektrum des heutigen Gemeindegebiets, das sich vom 673 Meter über Meer liegenden Dorf Naters im Rhonetal bis zum Aletschhorn auf 4195 Meter über Meer erstreckt. Zur Zeit der Eyers bestritten rund vierzig Bergbauernfamilien einen ähnlichen Wanderzyklus. Jede Familie bewegte sich dabei in einer eigenen räumlichen und zeitlichen Abfolge am Berg.

Abb. 3: Jährlicher Wanderzyklus der Familie Eyer:
1) Haus an der Judengasse in Naters (688 M.ü.M.)
2) unteres Maiensäss (1055 M.ü.M.)
3) Speicher in Blatten (1326 M.ü.M.)
4) oberes Maiensäss (1575 M.ü.M.)
5) Alphütte auf der Allmend in Bäll (2017 M.ü.M.)
6) Gebirgsweide im Aletschji (bis rund 3000 M.ü.M.)

Die nomadische Lebensweise der Bergbäuerinnen und Bergbauern am Natischerberg liess seit ihrer Entstehung in der Frühen Neuzeit eine vielschichtige räumliche Verknüpfung der verschiedenen Höhenstufen entstehen.8 Die um die Familie organisierte Wirtschaftsform beruhte auf Land- und Gebäudebesitz, der weit gestreut und in der Regel kleinteilig angelegt war. An dieser materiellen Kultur lassen sich wirtschaftliche und soziale Prozesse ablesen, die Einblick in den Alltag der Bergbauernfamilien geben.9 Schon Richard Weiss sprach ihr eine wichtige Rolle für das Verständnis der alpinen Alltagskultur zu: 1959 formulierte er das Ziel, »den Menschen durch die Dinge und in seiner Beziehung zu den Dingen zu erkennen«.10 Mit seiner funktionalistischen Sichtweise hatte Weiss den Grundstein für eine Alpenforschung gelegt, die nicht nur nach der Beschaffenheit der Sachgüter fragt, sondern auch nach den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen, durch die sie ihre Bedeutung erhalten.11 Die Dinge und Besitztümer stehen demnach in einer Beziehung zueinander und den Akteuren, die sie nutzten; sie sind die festen Gefüge der Bewegungen am Berg. Was kann dabei über die Wechselwirkung zwischen mobiler Lebensweise und materiellem Eigentum gesagt werden?12

Ein verteilter Hof am Berg

Eine Analyse des noch bestehenden Ensembles an verschiedenen Bauten und Landstücken lässt zunächst einige Rückschlüsse über das wirtschaftliche und soziale Leben der Familie Eyer zu. Der landwirtschaftliche Einzelbetrieb der Eyers fusste nicht nur auf dem Besitz, sondern auch auf dem Nutzrecht an Landfragmenten, Bauten und Infrastrukturen. Mit der Realteilung wurde das Eigentum im Oberwallis auf alle Kinder aufgeteilt, wodurch die Zusammensetzung der materiellen Besitztümer in jeder Generation wieder neu festgelegt wurde. Die damit einhergehende Zerstückelung von Eigentum war in Naters von besonderer Bedeutung: Eine Zählung von 1905 nennt 207 Betriebe mit durchschnittlich 17.3 Parzellen. Aufgrund des entsprechend grossen Unterhaltsaufwands forderte der Staat ab 1934 wiederholt eine Güterzusammenlegung auf Natischem Grund, die jedoch vom Stimmvolk abgelehnt wurde.13 Mit der Zerstückelung zerfiel gleichsam die Vorstellung eines einzelnen Hofes wie auch das Wirtschaften an einem einzelnen Standort. Jede Familie am Natischerberg verfügte damit über eine spezifische Konstellation an Land und Architektur.

Abb. 4: Das obere Maiensäss, gelegen am Waldrand auf 1575 M.ü.M., 1964–1976.

Im Falle der Eyers steuerten beide elterlichen Parteien ungefähr gleichviel Eigentum bei. Die beiden Geschwister von Josef Eyer verzichteten auf das bäuerliche Leben, so dass er einen Grossteil des Familieneigentums übernehmen konnte.14 Seine Frau Kreszilsa Bammatter stammte aus einer verhältnismässig wohlhabenden Bauernfamilie und konnte ein fast gleich grosses Erbe beisteuern.15 Für den landwirtschaftlichen Betrieb stand damit eine Gesamtfläche von rund 3.6 Hektaren zur Verfügung.16 Der Baubestand selbst ist allerdings weit über den Berg verstreut.17 Insgesamt handelt es sich um das Eigentum und Teileigentum an elf verschiedenen Bauten, die auf fünf Standorte verteilt sind. Vier davon – die Alphütte auf Bäll, die beiden Maiensässe und das Haus an der Judengasse im Dorf Naters – waren auch Wohnstandorte. Der Familie gehörten Anteile von 1/2, 6/32, 1/3, 3/16 oder 8/32 an verschiedenen Gebäuden, deren Grundfläche jeweils nur fünfzehn bis 25 m2 betrug. Von diesem Teileigentum betroffen waren insbesondere die Ökonomiebauten wie Stadel, Speicher und Stallscheunen.

Die vererbten Gebäudeteile beeinflussten nicht nur die wirtschaftlichen Tätigkeiten an den verschiedenen Standorten; sie bestimmten auch, mit welchen Familien man zusammenarbeitete und näheren sozialen Kontakt pflegte. Der Gebäudebesitz einer Familie prägte damit auch die kollektiven Beziehungsformen.18 Dies lässt sich besonders gut an den Maiensässen veranschaulichen. Im Gegensatz zur Allmend Bäll und zum Dorf Naters lebten die Eyers in den Maiensässen im Verbund mit einigen wenigen Bergbauernfamilien.19 Eine Besitzteilung fand sich dort in mehreren Gebäudetypen, die jeweils auf eine andere Nutzung spezialisiert waren. Im unteren Maiensäss (vgl. Abb. 3, Nr. 2) besassen die Eyers neben einem Stallgebäude und einem Wohnhaus 1/3 eines Speichers und 3/16 eines Stadels. Während der Speicher primär zur Aufbewahrung von Lebensmitteln diente, handelt es sich bei einem Stadel um ein Ein-Raum-Gebäude, dessen leere Mitte als Dreschplatz genutzt wurde. Rechts und links des Dreschplatzes lagerten die Bauernfamilien ihre Garben im eigenen Abteil. Das Benutzen und Pflegen dieser Bauten erforderten eine Absprache zwischen bis zu sechzehn beteiligten Parteien. Im oberen Maiensäss (vgl. Abb. 3, Nr. 4) dagegen waren die Ökonomiebauten der Eyers in Eigenbesitz; geteilt wurde jedoch das zweigeschossige Wohnhaus.20 Als Grund für die mehrgeschossige Bauweise kann der Erhalt von wertvollem Kulturland angenommen werden.21 Die Eigentumskonstellation gibt demnach Aufschluss über die soziale Situation und die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit der Familien voneinander.

Jeder Standort brachte unterschiedliche Voraussetzungen für die landwirtschaftliche Nutzung mit sich, die wiederum durch Klima und die Geländebeschaffenheit beeinflusst war.22 Die Anpassung an das Mikroklima kann beispielhaft am Agrarstandort Blatten veranschaulicht werden. Da die Ortschaft ein mässig gegen Süden geneigtes Gelände aufweist, bietet die Stelle besonders gute Voraussetzungen für die Lagerung. In Blatten besassen die Eyers einen Raum in einem Speicherbau zur Lagerung von persönlichen Gegenständen und Lebensmitteln, insbesondere Trockenfleisch (vgl. Abb. 3, Nr. 3). Der Holzbau besteht insgesamt aus vier Speicherräumen, die jeweils über einen eigenen Zugang von aussen erschlossen sind. Die Konstruktionsdetails folgten der Gebäudenutzung: So ist ein Erkennungsmerkmal der Blattener Speicherbauten ihre Errichtung auf Stelzen, die das Gelagerte vor Schädlingen und Eindringlingen wie Mäusen oder Ratten schützen sollten. Die Stelzen schaffen ein Hohlvolumen von ungefähr sechzig Zentimetern unter dem Hausboden und wurden mit Mäusetellern versehen. Dabei handelt es sich um runde Steinplatten, die den Schutz vor unerwünschten Besuchern verstärken sollten. Die Fassade ist von mehreren Luftschlitzen gekennzeichnet, die die Luftzirkulation im nur sporadisch besuchten Speicherbau gewährleisteten. Den gleichen Zweck erfüllten die kleinen Fenster auf der Rückseite, die wegen der potentiellen Schädlinge mit Gitter versehen wurden.23

Abb. 5: Speicher im Miteigentum der Familie Eyer in Blatten, auf Stelzen mit Mäusetellern und Luftschlitz, 2018.

Trotz ihrer Vielfalt weisen die Gebäude der Eyers am Berghang ähnliche formale und statische Eigenschaften auf.24 Die Blockbauten am Natischerberg sind auf den ersten Blick homogen wirkende Solitäre, die die kleinteiligen Besitzanteile oft nicht von aussen erkennen lassen. Im Kontrast hierzu steht der Steinbau im Dorf von Naters, den die Eyers im Winter bewohnten (vgl. Abb. 3, Nr. 1). Er ist der einzige Bau der Familie, der nicht als Solitär am Berg steht, sondern in eine Häuserzeile im Tal integriert ist. Dies stimmt mit der Beobachtung von Benno Furrer überein, dass die Bauten auf den Maiensässen und den Alpen meist in ihrer elementaren Bauweise ähnlich sind, während die Gebäude auf Talstufe teils grosse bauliche Unterschiede aufweisen.25 Ausgehend von fast fünfzig Zentimetern breiten Steinmauern wurde der vierstöckige Steinbau im Zuge der Zeit in verschiedene Richtungen erweitert und auf unterschiedliche Funktionsweisen ausgelegt. Die Ursprünge des Hauses gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück und verweisen damit auf eine Zeit, in der die Judengasse als wichtige Handels- und Gewerbestrasse einer regen Bautätigkeit ausgesetzt war.26 Der jährliche Aufenthalt der Eyers im verwinkelten Dorfkern von Naters lässt auf viele mögliche Berührungspunkte mit anderen Lebensweisen und Berufsständen schliessen.

Neben Gebäuden und Gebäudeteilen umfasste das Eigentum der Familie Eyer Wiesen, Waldflächen, Äcker, Plätze und Felsgebiete. Ausserdem war der Grund- und Gebäudebesitz eng gekoppelt an weitere Dienstbarkeiten und Grundlasten, die meist ebenfalls vererbt, aber auch erkauft wurden. Im Grundbuchauszug finden sich neben Hausverträgen und Nutzungsrechten an Fuss- und Saumwegen ebenso unverzichtbare Wasserdurchleitungsrechte.27 Demgegenüber tritt das Gemeinschaftseigentum, das durch die Burgerschaft Naters verwaltet wurde. Als öffentliche Personalkörperschaft stellte die Verwaltung des Burgervermögens deren bedeutendste Aufgabe dar. Das Gemeinschaftseigentum setzt sich vor allem aus Wäldern, Gebirgsregionen und Allmenden zusammen, darunter auch die Allmend Bäll (vgl. Abb. 3, Nr. 5). Das Burgerreglement legte auch Bedingungen für die Sömmerung des Viehs fest. Die meisten Familien, die ihr Vieh auf Bäll sömmerten, waren Mitglieder der Burgerschaft. Auswärtige durften ihr Vieh zwar zum Beispiel dort sömmern, mussten aber eine bedeutend höhere Taxe an die Burgerschaft bezahlen.28 Für den Einzelbetrieb ebenso wichtig war indes der mobile Besitz der Familie. Zentral für die Eyers waren ihre bis zu acht Rinder. Zudem besassen sie circa ein bis zwei Schweine und sechs bis sieben Hühner, die zu gegebenem Zeitpunkt geschlachtet werden konnten. Hinzu kamen Ziegen und Schafe, die im Frühling ins Hochgebirge (vgl. Abb. 3, Nr. 6) geführt wurden und dort alleine weideten, bis sie im Herbst wieder zurückgetrieben wurden.

Bewegung im agrarwirtschaftlichen Alltag

Der verteilte Hof am Berg zeigt, dass die alpinen ›Nomaden‹ an den unterschiedlichen Wohnorten gesellschaftlich und wirtschaftlich ein jeweils spezifisches Alltagsleben führten. Die materiellen Agrarstrukturen der Familie Eyer standen dabei in engem Zusammenhang mit den von ihnen benutzten Transporttechnologien.29 Zwischen den verschiedenen Standorten spannten sie ein komplexes Beziehungsnetz auf, das die Besitztümer zu einem Gesamtsystem vereinte. Für das Funktionieren dieses Gesamtsystems war eine hohe Mobilität im Alltag notwendig. Die damit einhergehende Bewegung am Berg lässt sich mit der Aussage der Interviewten verbinden, dass die Bergbauern und Bergbäuerinnen »ständig unterwegs gewesen« seien.30 Im vertikalen Nomadismus am Natischerberg führten verschiedene Ort-Zeit-Beziehungen zu unterschiedlichen Formen von Mobilität. Der jährlich wiederkehrende Wanderzyklus, die Primärbewegung, machte dabei nur einen kleinen Teil der Transportanstrengungen im Alltag aus. Für das Funktionieren des Gesamtsystems waren viele weitere Wanderungen erforderlich. Diese kleineren, sehr häufigen Ortsverschiebungen, die Sekundärbewegungen, hatten im Gegensatz zu den Primärbewegungen keinen Wechsel des Wohnorts zur Folge. Die Zeit, die für Transport und Wanderungen insgesamt in Anspruch genommen wurde, nahm wohl in gewissen Gebieten über die Hälfte der landwirtschaftlichen Arbeitszeit ein und war somit ein wichtiger Arbeitsfaktor.31 Vier- bis fünfstündige Wanderungen auf teilweise steilen Geländeabschnitten waren für die Bergbäuerinnen und Bergbauern am Natischerberg normal.32 Im Gegensatz zu anderen Bergbauernfamilien am Natischerberg besassen die Eyers weder Pferd noch Maultier und waren somit auf Fusswanderungen angewiesen. Selbst die wichtigsten Wege waren bis ins 20. Jahrhundert unbefestigt; gepflasterte und mit Steintritten versehene Wege waren die Ausnahme. In den 1920er bis 1930er Jahren war der Saumweg von Naters, über Mehlbaum und Geimen, bis nach Blatten die bedeutendste Verkehrsader am Natischerberg. Als wichtiger Viehweg für die Primärbewegung wurde dieser an einigen Stellen mit Trockenmauern oder Zäunen eingefasst.33 Ergänzt wurde er durch ein feinmaschiges Netz an Fusswegen, die ebenso von Naturgefahren und Geländebeschaffenheit geprägt waren wie die agrarwirtschaftlichen Nutzflächen.

Durch die jahreszeitlich geprägte Primärbewegung formten sich vier Wohnorte im Leben der Eyers, die sich auch wirtschaftlich durch eine je eigene Konstellation auszeichneten und zusätzliche Sekundärbewegungen bedingten. An den Standorten gab es zunächst viele Tätigkeiten, die an Ort und Stelle erledigt werden konnten, wie etwa der saisonale Anbau von Getreide, Gemüse und Früchten. An den steilen Südosthängen der Maiensässe weidete das Vieh auf den privaten Flächen der Familie; gebuttert und gekäst wurde in der Regel selbst. Das obere Maiensäss zeigt exemplarisch, dass auch an erhöhten Lagen, in der eigentlichen Bergzone, der Kartoffelanbau sehr hohe Erträge erbringen konnte. Am Natischerberg wechselten einige Bauernfamilien zwischen Kartoffeln und Getreide – meist Gerste und Weizen – im Jahresrhythmus.34 Ebenso bauten die Bergbauernfamilien Walliser Landroggen und oberhalb von Blatten Sommerroggen an.35 Mit Terrassierungen und Rodungen konnte das Kulturland vermehrt und verbessert werden. Zur Bewirtschaftung des geschaffenen Ackerlands musste die nach unten gerutschte Erde im Frühjahr wieder hinaufgetragen und verteilt werden.36 Arbeitsintensiv war nicht nur das Ernten, sondern auch das Umbrechen der am Hang liegenden Parzellen. Der Unterhalt dieser Anbauflächen erforderte zusätzliche Wanderungen. Diese wurden oft von einzelnen Familienmitgliedern unternommen. Die gemeinschaftlichen Einrichtungen, auf die bei diesen Arbeiten zurückgegriffen werden musste, lagen oft weit entfernt von den Maiensässen in den grösseren Dörfern und Weilern. Getreide wurde beispielsweise in der Mühle Wichtje mit Backhaus in Blatten gemahlen.

Abb. 6: Bildhäuschen am alten Saumweg zwischen Naters und Blatten.

Die nomadische Lebensweise der Bergbäuerinnen und Bergbauern am Natischerberg liess seit ihrer Entstehung in der Frühen Neuzeit eine vielschichtige räumliche Verknüpfung der verschiedenen Höhenstufen entstehen.

Viele Dinge und Gegenstände gehörten zum sozialen Beziehungsnetz der Bergbäuerinnen und Bergbauern – und auch sie waren nicht gefeit vor äusseren Einflüssen. Während eines Jahreszyklus’ fielen nicht nur verschiedene Pflege- und Reparaturarbeiten von Wegen an; auch um die Wiesen, Weiden und Wäldern musste man sich kümmern, was zusätzliche Ortsverschiebungen nach sich zog. Dazu gehörten etwa das Schwenden, das die Neuentstehung des Waldes bekämpft, und das Putzen, womit das systematische Entfernen von Steinen bezeichnet wird.37 Von diesen Tätigkeiten der Wiederherstellung war die Allmend Bäll besonders stark betroffen. Mit einer Fläche von fast neunhundert Hektaren ist die als Rindviehweide nutzbare Fläche auf der Belalp eines der grössten zusammenhängenden Weideareale im Oberwallis.38 Die Allmend ist im Besitz der Burgerschaft, womit das Putzen dieses grossen Areals von den Bergbauern und Bergbäuerinnen gemeinschaftlich erledigt werden musste. Das Melken in Bäll übernahmen zur Zeit der Eyers die Frauen und Kinder der Bergbauernfamilien. Die Burgerschaft stellte damals einen Sennen aus Goms an, der die Milch weiterverarbeitete.39 Auch die Wasserversorgung war gemeinschaftlich organisiert.40 An den trockenen Walliser Südhängen war es unerlässlich, die Landwirtschaftsflächen künstlich zu bewässern. Hierfür wurde ein ausgeklügeltes System von Wasserleitungen bewirtschaftet.

Von allen Arbeiten verursachte wohl die Heugewinnung die meisten Wanderungen. Volumenmässig bildete das Heu das wichtigste Agrarprodukt der Bergbauernfamilien.41 Im Gegensatz zum Melken war diese Arbeit besonders kraftintensiv und wurde in der Regel von Männern ausgeführt. Konnte das Heu an Ort und Stelle verfüttert werden, ersparte dies sowohl den Heutransport in die Ställe als auch den Misttransport zurück auf die Wiesen.42 Mit Heuseilen wurde die Grasernte zu den Scheunen getragen. Auch während der Sömmerung war manchmal zusätzliches Heu nötig.

Die Eyers benutzten hierfür zwei grosse Parzellen, die nur wenige Höhenmeter unter der Allmend Bäll liegen. Hier hatten die Bergbauernfamilien ihre privaten Landstücke, die in diesem Fall zwei Alpmatten – eine im Bereich der Katzenlöcher von 427 m2 und eine im Bereich der Schweinefluh von 478 m2 – umfassten. In Talnähe, im Bereich Fluhkinn, bestand mit einer Wiesenfläche von 5018 m2 eine weitere Möglichkeit zur Heugewinnung. Da die Familien im Winter oft mit nicht hinreichendem Heuvorrat zu kämpfen hatten, waren Wanderungen durch den Schnee, etwa zu Ausfütterungsställen, nicht selten.43 Für den Heutransport im Winter wurden auch Bogenschlitten eingesetzt.44 Das sogenannte Heuziehen geschah oft im Nachbarverband und hat Ähnlichkeit mit dem Holztransport in den Hochwäldern.45

Eine genaue Betrachtung der Primär- und Sekundärbewegungen legt ein differenziertes Bild des vertikalen Nomadismus offen. Besonders die Sekundärbewegungen weisen auf eine hohe Mobilität am Natischerberg in den 1920er und 1930er Jahren hin. Eine mobile Lebensweise war also unausweichlich, damit das agrarwirtschaftliche Gesamtsystem funktionieren konnte. Dies schlug sich nicht zuletzt in den Gegenständen nieder, die ein Bergbauer besass. Ein guter Lederschuh, die eigene Tschiffra (selbstgeflochtene Rückenkörbe) oder ein robustes Heuseil waren Begleiter, auf die die Bauern und Bäuerinnen am Natischerberg hohen Wert legten. »Wenn du dir mal ein neues Paar Schuhe kaufen konntest, das war dann etwas«, erzählt der ehemalige Natische Bergbauer Leo Amherd.46 Auch bei ihren Essensgewohnheiten waren die Bergbäuerinnen und Bergbauern bereit, Mobilität auf sich zu nehmen: »Wenn du abends auf der Alp einen Salat essen wolltest, musstest du halt den Berg hinunter, um ihn zu holen«, erinnert sich Amherd.47

Neue Mobilitäten

Je mehr man sich in die komplexen Abläufe an und zwischen den einzelnen Agrarstandorten vertieft, desto brüchiger wird das Bild vom starren, trägen und einfachen Leben der Bergbauerfamilien. Bei näherem Hinsehen lässt sich ein stetiges Wechselspiel zwischen Mobilität und Immobilität feststellen. Die vielen Wanderungen und der verteilte Besitz bedingten sich gegenseitig und waren eine Grundvoraussetzung für die landwirtschaftlichen Einzelbetriebe am Natischerberg. Obwohl man durchaus von einer nomadischen Lebensweise sprechen kann, war das Agrarsystem aufgrund seiner engen wirtschaftlichen Bindung von Mensch, Tier und Eigentum in seiner Gesamtheit immobil. Trotz dieser Kontinuität des Bergbauerntums als Kulturform lassen sich über die Zeit Veränderungen beobachten. Traten solche ein, hatten sie direkte Effekte auf die Ernte und betrafen die einzelnen Familienmitglieder unmittelbar. Die Vorstellung der Bergbauernkultur am Natischerberg als Insel ausserhalb der Zivilisation in einem kulturellen Stillstand wird ihr kaum gerecht.48 So war das dortige Agrarsystem nie komplett von den angrenzenden Aussenwelten unabhängig. Einflüsse aus der Tieflandebene und aus einem globaleren Marktgeschehen fielen zwar lange verhältnismässig wenig ins Gewicht, doch waren die familiären Betriebe in vielerlei Hinsicht, etwa beim Kauf von Salz, mit ihrer Umgebung verbunden. Auch die agrarwirtschaftliche Produktion änderte sich, was etwa die Einführung des Kartoffelanbaus zeigt. Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse wanderten zwischen 1857 und 1894 viele Natischer*innen aus, insbesondere nach Argentinien und in die USA.49 Städtische Industrien und die touristische Erschliessung der Belalp hatten im Laufe des 20. Jahrhunderts einen immer grösseren Einfluss auf das Leben der Bergbäuerinnen und Bergbauern. Sie brachten neue Formen der Mobilität aus dem Tal in die Höhe.

Abb. 7: Das obere Maiensäss mit Albertine Eyer bei der Hangarbeit, 1964–1976.

Je mehr man sich in die komplexen Abläufe an und zwischen den einzelnen Agrarstandorten vertieft, desto brüchiger wird das Bild vom starren, trägen und einfachen Leben der Bergbauerfamilien.

Auch zur Zeit der Eyers lässt sich der Alltag der Natischer Bauernfamilien nicht auf ihre der Selbstversorgung dienenden Stufenwirtschaft reduzieren. Die Familien stellten gemäss Leo Amherd ihre Nahrungsmittel zwar weitgehend selbst her, dennoch verkauften sie etwa die Wolle ihrer Schafe, um das nötige Geld für Salz, Zucker und eine wachsende Anzahl an Alltagsgegenständen zu erwirtschaften. Im Zuge der Ablösung der Selbstversorgung, die auch auf dem Tausch von Arbeitskraft und Produkten in der engen Gemeinschaft am Natischerberg aufbaute, gewann die Geldwirtschaft immer mehr an Bedeutung.50 Als Nebenerwerb bot sich für einige Familienmitglieder bereits damals die Arbeit im Industrie- und Dienstleistungssektor an. In den 1930er Jahren arbeitete etwa die älteste Tochter Olga Eyer im Winter als Dienstmädchen in den umliegenden Städten, um mit ihrem Verdienst den Familienbetrieb zu unterstützen.51 In den Jahren 1920 bis 1930 lag der Anteil der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung in Naters bei rund einem Drittel.52

Der Rückgang der familiären Einzelbetriebe lässt sich an einer Statistik der Eidgenössischen Getreideverwaltung über den Anteil selbst gemahlener Getreide in Naters ablesen. Betrug dieser im Jahr 1939 rund 24 118 Kilogramm, verzeichnete man im Jahr 1962 noch 4252 Kilogramm.53 Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden die Agrarbetriebe am Natischerberg mehrheitlich zugunsten der Nebenerwerbs- und Freizeitlandwirtschaft aufgegeben. Zwar galt die Selbstversorgung bis circa 1960 in den bäuerlichen Haushalten als gesichert, nahm jedoch in der Folge stark ab. Im Jahr 2018 sömmerten noch 72 Rinder in Bäll. Diese werden von einem auswärtigen Sennen betreut und übernachten inzwischen in einem Gemeinschaftsstall. Die hier besprochene Form der Bergbauernkultur wird heute in Bäll nicht mehr praktiziert.

Abb. 8: Junge Mädchen aus Ferden im Oberwallis mit Tschiffras und Schlitten, um 1907.

Die agrarwirtschaftlich geprägte Landschaft am Natischerberg wurde in den vergangenen Jahrzehnten weiter mit Formen städtischer und touristischer Mobilität überlagert. Dabei lässt sich die mobile, städtische Welt im Tal nicht einfach einer vermeintlich statischen Bergbauernkultur gegenüberstellen. Vielmehr ist Mobilität ein Charakteristikum beider Welten, die stets ineinander verflochten waren. Was sich hingegen verändert hat, ist der Grad der Verflechtung. Die Bewegung am Berg hat dabei eine neue Bedeutung erhalten. Das Wandern wurde zum Abwandern und kam als touristische Tätigkeit zurück. Im Zuge dieses Übergangs in eine andere Mobilität wurden viele neue Transportmittel wie Mountain Bikes, Snowboards, Seilbahnen oder Traktoren an den Berg gebracht. Einige, wie Schlitten und Wanderschuhe, sind geblieben. Ihre Verlaufsadern am Natischerberg bauen auf dem feinmaschigen Erschliessungsnetz der Bergbauern und Bergbäuerinnen auf. Sie führen an den Blockbauten in Bäll vorbei, die inzwischen als Ferienwohnungen genutzt werden. Heute verkörpern die renovierten Holzbauten ein »temporäres Paradies der Gegenkultur«54 und dienen den Städter*innen als Sehnsuchtsort, um sich von sich selbst zu erholen.55 Die bis heute verbreitete, idyllisch-verklärte Sicht auf die alpine Bergbauernkultur zeigt, wie tief sich idealisierte Bilder im kulturellen Gedächtnis verankert haben – auch wenn sie so nie existierten. Das Leben am Natischerberg war und ist stets in Bewegung.

Caroline Tanner hat den B.Sc. in Architektur (ETH Zürich) abgeschlossen und studiert gegenwärtig im Master »Geschichte und Philosophie des Wissens«, ebenfalls an der ETH Zürich.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Die Allmend Bäll mit dem Holzbau der Familie Eyer in der Mitte, aus: Inge Tanner, Privatbesitz (1964–1976).

Abb. 2: Zwei Bergbäuerinnen pausieren am Hang mit ihren Tschiffras, ohne Jahresangabe, aus: Ludwig Imesch: »Das Oberwallis im Bild 1945–1982«, Brig: Rotten (1982), S. 94.

Abb. 3: Jährlicher Wanderzyklus der Familie Eyer, eigene Abbildung, basierend auf Google Earth (2019).

Abb. 4: Das obere Maiensäss, gelegen am Waldrand auf 1575 M.ü.M., aus: Inge Tanner, Privatbesitz (1964–1976).

Abb. 5: Speicher im Miteigentum der Familie Eyer in Blatten, auf Stelzen mit Mäusetellern und Luftschlitz, eigene Aufnahme (2018).

Abb. 6: Bildhäuschen am alten Saumweg zwischen Naters und Blatten, ohne Jahresangabe, aus: Leander Biffiger: »Erinnern Sie sich Naters«, Visp: Rotten (1997).

Abb. 7: Das obere Maiensäss mit Albertine Eyer bei der Hangarbeit vor dem zweigeschossigen Wohnhaus, aus: Inge Tanner, Privatbesitz (1964–1976).

Abb. 8: Junge Mädchen aus Ferden im Oberwallis mit Tschiffras und Schlitten, um 1907, aus: Ludwig Imesch: »Das Oberwallis im Bild 1850–1919«, Brig: Rotten (1978), S. 136.

Literatur
  1. 1

    Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Thomas Maissen in seinem Beitrag »Als die armen Bergbauern vorbildlich wurden – ausländische und schweizerische Voraussetzungen des internationalen Tugenddiskurses um 1700«, in: André Holenstein, Béla Kapossy, Danièle Tosato-Rigo, Simone Zurbuchen (Hg.): Reichtum und Armut in den schweizerischen Republiken des 18. Jahrhunderts, Genf: Slatkine (2010), S. 95–119.

  2. 2

    Henning Freund: Blockbau in Bewegung – Ökonomiegebäude als Bedeutungsträger alpiner Sachkultur: Eine Mikroanalyse am Beispiel der Gemeinde Ferden/Lötschental (Schweiz), Münster: Waxmann (2007), S. 38.

  3. 3

    Vgl. Jon Mathieu: »Richard Weiss und die Alpenforschung«, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 105 (2009). Das Zitat entstammt Richard Weiss: »Alpiner Mensch und alpines Leben in der Krise der Gegenwart«, in: Die Alpen 33 (1957).

  4. 4

    Vgl. Inge Tanner, Persönliches Interview, 27.10.2018, Muri bei Bern.

  5. 5

    Vgl. Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000), S. 318. Zahlen gerundet.

  6. 6

    Vgl. Arnold Niederer: Alpine Alltagskultur zwischen Beharrung und Wandel: Ausgewählte Arbeiten aus den Jahren 1956 bis 1991, hg. von Werner Bätzing, Klaus Anderegg, Bern: Paul Haupt (1993), S. 158–59; Jon Mathieu: Geschichte der Alpen, 1500–1900: Umwelt, Entwicklung, Gesellschaft, Wien: Böhlau (2. Aufl. 2001).

  7. 7

    Ob per Definition ein Nomadismus nur festgestellt werden kann, wenn kein Bodeneigentum vorhanden ist, ist umstritten. Historiker wie Karl Suter sprechen Mitte des 20. Jahrhunderts auch vom »alpinen oder saisonmässigen Nomadismus«, vgl. Karl Suter: »Der Zerfall des alpinen Nomadismus im Wallis und Tessin (Schweiz)«, in: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft 105/1&2 (1963). Mit dem Begriff Nomadismus ist im vorliegenden Text insbesondere die Abhängigkeit von Mobilität und das Fehlen eines Hauptwohnsitzes gemeint.

  8. 8

    Vgl. Heinz Horat: »Kunsthistorisches Inventar des Dorfkerns Naters«, in: Jahrbuch der Walliser Kantonsbibliothek, des Staatsarchivs und der Museen von Valeria und Majora, Frankfurt am Main: Vallesia (1979), 289–342; Louis Carlen: Naters – Blatten – Belalp, hg. von Georges Grosjean, Schweizer Heimatbücher 168, Bern: Paul Haupt (1973); Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000). Es wird von einer prozesshaften Entstehung des Bergbauerntums in Naters ab dem 15. Jahrhundert ausgegangen.

  9. 9

    Vgl. Ruth-E. Mohrmann: »Les recherches sur la culture matérielle en ethnologie régionale«, in: Histoire des Alpes = Storia delle Alpi = Geschichte der Alpen 7 (2002), S. 15–27. Ruth-E. Mohrmann zeigt in ihrem Essay, wie sich die volkskundliche Sachkulturforschung heute mit komplexen Fragestellungen auseinandersetzt, mit denen ebenso nach der Zeichenhaftigkeit und dem Symbolcharakter, nach der Bedeutungsvielfalt und der Vielschichtigkeit der Dinge sowie nach dem System von Zeichen und Symbolen gefragt wird.

  10. 10

    Richard Weiss: Häuser und Landschaften der Schweiz, Erlenbach-Zürich: Haupt (1959), S. 292.

  11. 11

    Vgl. Henning Freund: Blockbau in Bewegung – Ökonomiegebäude als Bedeutungsträger alpiner Sachkultur: Eine Mikroanalyse am Beispiel der Gemeinde Ferden/Lötschental (Schweiz), Münster: Waxmann (2007), S. 39.

  12. 12

    Die Frage nach der Alltagsdynamik der Bergbauern und -bäuerinnen lässt sich erst mit Blick auf das Zusammenspiel zwischen den Wanderbewegungen und den materiellen Besitztümern beantworten. Für die Untersuchung waren deshalb neben bestehenden Gebäuden und Grundbuchauszügen auch Interviews wichtige Quellen. Es wurden mehrere Interviews mit Inge Tanner (geb. 1942) sowie ein Interview mit dem ehemaligen Natischer Bergbauer Leo Amherd (geb. 1929) durchgeführt.

  13. 13

    Vgl. Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000), S. 297.

  14. 14

    Vgl. Gemeinde Naters: »Kopie Grundbuch-Auszug Nr 1048. EYER Josef des Moritz« (1964).

  15. 15

    Vgl. Gemeinde Naters: »Grundbuch-Auszug Nr 1049. BAMMATTER Kreszilsa des Johann, Wwe. Eyer Josef« (1962).

  16. 16

    Sämtliche Grundflächenangaben des Besitzes der Familie Eyer basieren auf zwei Grundbuchauszügen aus den 1960er Jahren. Gemeinde Naters: »Kopie Grundbuch-Auszug Nr 1048. EYER Josef des Moritz« (1964); Gemeinde Naters: »Grundbuch-Auszug Nr 1049. BAMMATTER Kreszilsa des Johann, Wwe. Eyer Josef« (1962).

  17. 17

    Freund spricht in seiner Analyse von Ökonomiebauten im Lötschental auch von dem Vorteil, dass sich die Gebäude langsamer verändern als die soziokulturellen Prozesse. Vgl. Henning Freund: Blockbau in Bewegung – Ökonomiegebäude als Bedeutungsträger alpiner Sachkultur: Eine Mikroanalyse am Beispiel der Gemeinde Ferden/Lötschental (Schweiz), Münster: Waxmann (2007), S. 281. Im Baubestand der Eyers finden sich folgende Jahrzahlen: 1833 (Birgisch, Inschrift an Giltsteinofen), 1646 (Erich, Inschrift an Giltsteinofen), 1827 (Bäll, Inschrift an Tragbalken), 1548 (Judengasse, Inschrift an Türsturz), 1752 (Inschrift an Speicher in Blatten), 1815 (Inschrift an Stadel in Birgisch).

  18. 18

    Vgl. Henning Freund: Blockbau in Bewegung – Ökonomiegebäude als Bedeutungsträger alpiner Sachkultur: Eine Mikroanalyse am Beispiel der Gemeinde Ferden/Lötschental (Schweiz), Münster: Waxmann (2007), S. 279.

  19. 19

    Vgl. Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000).

  20. 20

    Vgl. Arnold Niederer: Alpine Alltagskultur zwischen Beharrung und Wandel: Ausgewählte Arbeiten aus den Jahren 1956 bis 1991, hg. von Werner Bätzing, Klaus Anderegg, Bern: Paul Haupt (1993).

  21. 21

    Vgl. Arnold Niederer: Alpine Alltagskultur zwischen Beharrung und Wandel: Ausgewählte Arbeiten aus den Jahren 1956 bis 1991, hg. von Werner Bätzing, Klaus Anderegg, Bern: Paul Haupt (1993).

  22. 22

    Vgl. Benno Furrer, »Bauen mit Niveauunterschieden: Ländliches Bauen und Wohnen in den Alpen«, in: Histoire des Alpes = Storia delle Alpi = Geschichte der Alpen 16 (2011), S. 27–28.

  23. 23

    Vgl. Wilhelm Egloff, Annemarie Egloff-Bodmer: Die Bauernhäuser des Kantons Wallis: Das Land: Der Holzbau, das Wohnhaus, Bd. 1, Basel: Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde (1987), S. 174–75.

  24. 24

    Von dieser Beobachtung ausgenommen sind sämtliche Gebäude im Dorf Naters. Sie bezieht sich lediglich auf die Blockbauten der Bergbauernfamilien am Natischerberg.

  25. 25

    Vgl. Benno Furrer: »Bauen mit Niveauunterschieden: Ländliches Bauen und Wohnen in den Alpen«, in: Histoire des Alpes = Storia delle Alpi = Geschichte der Alpen 16 (2011), S. 27–28.

  26. 26

    Vgl. Heinz Horat: »Kunsthistorisches Inventar des Dorfkerns Naters«, in: Jahrbuch der Walliser Kantonsbibliothek, des Staatsarchivs und der Museen von Valeria und Majora, Frankfurt am Main: Vallesia (1979).

  27. 27

    Angaben aus den Grundbuchauszügen: Gemeinde Naters: »Kopie Grundbuch-Auszug Nr 1048. EYER Josef des Moritz« (1964); Gemeinde Naters, »Grundbuch-Auszug Nr 1049. BAMMATTER Kreszilsa des Johann, Wwe. Eyer Josef« (1962).

  28. 28

    Vgl. Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000), S. 47–79.

  29. 29

    Vgl. Jon Mathieu: Eine Agrargeschichte der inneren Alpen: Graubünden, Tessin, Wallis 1500–1800, Zürich: Chronos (1992), S. 311.

  30. 30

    Leopold Amherd, Persönliches Interview, 02.02.2019, Blatten bei Naters. Inge Tanner, Persönliches Interview, 27.10.2018, Muri bei Bern.

  31. 31

    Vgl. Jon Mathieu: Geschichte der Alpen, 1500–1900: Umwelt, Entwicklung, Gesellschaft, Wien: Böhlau (2. Aufl. 2001), S. 64–71.

  32. 32

    Vgl. Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000).

  33. 33

    Vgl. Roland Flückiger-Seiler u. a.: Die Bauernhäuser des Kantons Wallis: Siedlungsformen und -anlagen im Wandel: Die traditionelle Walliser Landwirtschaft und ihre Bauten zwischen Rebberg, Maiensäss und Alp, Visp: Rotten (2011), S. 64.

  34. 34

    Vgl. Leopold Amherd, Persönliches Interview, 02.02.2019, Blatten bei Naters.

  35. 35

    Vgl. Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000), S. 299.

  36. 36

    Vgl. Arnold Niederer: Alpine Alltagskultur zwischen Beharrung und Wandel: Ausgewählte Arbeiten aus den Jahren 1956 bis 1991, hg. von Werner Bätzing, Klaus Anderegg, Bern: Paul Haupt (1993), S. 181.

  37. 37

    Vgl. Werner Bätzing: Die Alpen: Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft, München: C.H. Beck (3. Aufl. 2005), S. 108.

  38. 38

    Vgl. Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000), S. 316.

  39. 39

    Vgl. Leopold Amherd, Persönliches Interview, 02.02.2019, Blatten bei Naters.

  40. 40

    Vgl. Roland Flückiger-Seiler u. a.: Die Bauernhäuser des Kantons Wallis: Siedlungsformen und -anlagen im Wandel - Die traditionelle Walliser Landwirtschaft und ihre Bauten zwischen Rebberg, Maiensäss und Alp, Visp: Rotten (2011), S. 177f.

  41. 41

    Vgl. Jon Mathieu: Geschichte der Alpen, 1500–1900: Umwelt, Entwicklung, Gesellschaft, Wien: Böhlau (2. Aufl. 2001), S. 61–71.

  42. 42

    Vgl. Roland Flückiger-Seiler u. a., Die Bauernhäuser des Kantons Wallis. Siedlungsformen und -anlagen im Wandel: Die traditionelle Walliser Landwirtschaft und ihre Bauten zwischen Rebberg, Maiensäss und Alp, Visp: Rotten (2011), S. 167.

  43. 43

    Vgl. Roland Flückiger-Seiler u. a.: Die Bauernhäuser des Kantons Wallis: Siedlungsformen und -anlagen im Wandel: Die traditionelle Walliser Landwirtschaft und ihre Bauten zwischen Rebberg, Maiensäss und Alp, Visp: Rotten (2011), S. 171.

  44. 44

    Vgl. Leopold Amherd, Persönliches Interview, 02.02.2019, Blatten bei Naters.

  45. 45

    Vgl. Arnold Niederer: Alpine Alltagskultur zwischen Beharrung und Wandel: Ausgewählte Arbeiten aus den Jahren 1956 bis 1991, hg. von Werner Bätzing, Klaus Anderegg, Bern: Paul Haupt (1993), S. 175.

  46. 46

    Leopold Amherd, Persönliches Interview, 02.02.2019, Blatten bei Naters.

  47. 47

    Leopold Amherd, Persönliches Interview, 02.02.2019, Blatten bei Naters.

  48. 48

    Vgl. Jon Mathieu: Eine Agrargeschichte der inneren Alpen: Graubünden, Tessin, Wallis 1500–1800, Zürich: Chronos (1992), S. 309–311.

  49. 49

    Vgl. Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000).

  50. 50

    Vgl. Leopold Amherd, Persönliches Interview, 02.02.2019, Blatten bei Naters.

  51. 51

    Vgl. Inge Tanner, Persönliches Interview, 27.10.2018, Muri bei Bern.

  52. 52

    Vgl. Louis Carlen: Naters – Blatten – Belalp, hg. von Georges Grosjean, Schweizer Heimatbücher 168, Bern: Paul Haupt (1973), S. 12.

  53. 53

    Vgl. Erwin Jossen: Naters: Das grosse Dorf im Wallis, Visp: Rotten (2000).

  54. 54

    Valentin Groebner: Retroland: Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen, Frankfurt am Main: S. Fischer (2018), S. 191.

  55. 55

    Vgl. Valentin Groebner: Retroland: Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen, Frankfurt am Main: S. Fischer (2018), S. 161.