Æ Æther

Montan-Welten: Alpengeschichte abseits des Pfades
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Lukas Rathjen

Bücherberge

Bis ins 17. Jahrhundert hinein waren Metaphern der Lesbarkeit mit dem Berg verbunden. Sie dienten als Katalysator für erste wissenschaftliche Erschliessungen und gaben dem Gebirge und seinen Gipfeln eine bedeutsame Funktion im Prozess der Wissensproduktion.

Am 26. April 1336 soll Francesco Petrarca (1304–1374) den 1912 Meter hohen Mont Ventoux – den windigen Berg (ventosus) – bestiegen haben. Dies zumindest geht aus einem Brief an den Humanisten Dionigi di Borgo San Sepolcro (um 1300–1342) hervor.1 Angetrieben von der »Begierde, die ungewöhnliche Höhe dieses Flecks Erde durch Augenschein kennenzulernen« erklomm Petrarca den Gipfel. Der Eindruck, den er notierte, sollte als die erste Landschaftserfahrung in die Geschichte eingehen:

»Zuerst stand ich, durch den ungewohnten Hauch der Luft und die ganz freie Rundsicht bewegt, einem Betäubten gleich da. Ich schaue zurück nach unten: Wolken lagen zu meinen Füßen, und schon wurden mir der Athos und der Olymp weniger sagenhaft, wenn ich schon das, was ich über sie gehört und gelesen, auf einem Berg von geringerem Ruf zu sehen bekomme. Ich wende dann meine Blicke in Richtung Italien, wohin mein Herz sich stärker hingezogen fühlt. Die Alpen selber – eisstarrend und schneebedeckt – über die einst jener wilde Feind des römischen Volkes stieg, der, wenn wir der Überlieferung glauben dürfen, mit Essig sich durch die Felsen einen Weg brach –, sie zeigten sich mir ganz nah, obwohl sie weit entfernt sind. Die Rhone lag mir geradezu vor Augen.«2

Was Petrarca bereits in Büchern gelesen hatte, das sah er nun auf dem Gipfel des Mont Ventoux. Damit erfüllte sich nicht nur ein Bücherwissen, vielmehr, könnte man sagen, standen der Gipfel und das von dort aus Sichtbare von Anfang an im Zeichen der Bibliothek. Nur was geschrieben steht, kann für Petrarca auch Gegenstand der visuellen Erfahrung werden. Schliesslich gelang es ihm jedoch nicht, die gemachte Erfahrung mit den Büchern, respektive dem einen Buch – der Bibel – in Einklang zu bringen. Der Blick vom Gipfel auf die Welt wurde umgehend negiert: Petrarca greift zum Buch – den Confessiones des Augustinus –, um sich nicht in dieser, sich vor seinen Füssen ausbreitenden irdischen Unendlichkeit zu verlieren. Der Versuch, die Welt Buch werden zu lassen, scheitert. Versinnbildlicht wird dieses Scheitern in seiner Rückwendung zum Geschriebenen:

»Während ich dies eins ums andre bestaunte und bald an Irdischem Geschmack fand, [...] kam ich auf den Gedanken, in das Buch der Bekenntnisse des Augustinus hineinzuschauen [...]. Gott rufe ich zum Zeugen an und ihn eben, der dabei war, daß an der Stelle, auf die ich zuerst die Augen heftete, geschrieben stand: Und es gehen die Menschen hin, zu bewundern die Höhen der Berge und die gewaltigen Fluten des Meeres und das Fließen der breitesten Ströme und des Ozeans Umlauf und die Kreisbahnen der Gestirne – und verlassen dabei sich selbst.«3

Abb. 1: Ordnungssysteme, wie das hier abgebildete Arca rerum fossilium von Johannes Kentmann, waren in zahlreichen Studierzimmern des 16. Jahrhunderts zu finden. Sortiert wurde nach den in der Natur abgelesenen Beziehungen der Ähnlichkeit.

Petrarca trug die Metapher vom Buch der Natur demnach mit negativem Vorzeichen auf den Gipfel. Zwar erfüllte sich die Erwartung, von dort eine umfassende Bibliothek zu erblicken, doch sie glich einem Giftschrank: Ihre Lektüre war dem frommen Christen verboten. Und dennoch: Petrarcas Bericht – gleich ob wahr oder fiktiv – versammelte eine Reihe von Zeichen, die man allgemeiner in den Kontext einordnen kann, den der Philosoph Hans Blumenberg mit der Formel Lesbarkeit der Welt fasste.4 In Die Lesbarkeit der Welt, erschienen 1981, untersucht Blumenberg die Genese der Buchmetaphorik seit der Antike. Diese Genese lässt sich, so Blumenberg, als die in Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift wiederkehrende Antwort auf die Frage verstehen: »Wie bietet sich Wirkliches uns dar?« Und: »[W]ie hat es [das Wirkliche] sich einer Epoche, einem Autor dargeboten oder darbieten sollen?«5

An Blumenberg anschliessend wird hier die Verwendung dieser synthetisierenden Metapher –»Lesbarkeit der Welt« –, die das Sichtbare mit dem Sagbaren unter dem Primat der Schrift verbindet, im Kontext von Berggeschichten und -besteigungen nachgezeichnet. Wie das Beispiel Petrarca bereits vermuten lässt, waren spätestens im 14. Jahrhundert die wesentlichen Zeichen versammelt, um den Berg, respektive den Gipfel als ausgezeichneten Ort für das Studium der Natur zu entdecken. Worte wie »Buch« oder »lesen« standen mit diesem Ort in einer Beziehung, insofern der Berg nun als Schauplatz verstanden wurde, an dem sich die Welt dem Gelehrten in ihrem mannigfaltigen Zusammenspiel wie ein Buch darbieten könnte. Noch gelingt, wie beschrieben, diese Überführung nicht. Petrarcas Blick vom Berg blieb atheoretisch. Er stand nicht im Einklang mit den theologischen Lehren, nach denen sich das geschriebene Wort zu richten hatte. Viel hätte nicht gefehlt, um hier die Geburtsstunde der Neugier (curiositas) als Tugend feiern zu können. Um diesen Prozess der Selbstbehauptung des Menschen gegenüber Gott und seiner Schöpfung – zumindest ideengeschichtlich – einzuleiten, musste das Studium der Wirklichkeit theologisch legitimiert werden. Damit es ein Buch der Natur geben konnte, musste sein Verhältnis zur Bibel bestimmt und seine Lektüre in einem Zwischenbereich angesiedelt werden, der die Autorität der Heiligen Schrift nicht in Frage stellte, aber ihren rigorosen Absolutismus entkräftete.

Die Metaphorisierung von Berg und Gipfel beginnt jedoch nicht mit Petrarca. Mit Athos und Olymp verweist er selbst auf eine Tradition, die den Berg als Schauplatz der Götter ausweist. Und auch nach Petrarca wird dieses Sinnversprechen des Gipfels in seinem Gebrauch als Metapher höchster Erkenntnis – wie zum Beispiel in der Schrift De apice theoriae des Humanisten Nikolaus von Kues (1401–1464) – weiter aufgeladen. Ob als Speise- und Vorratskammer bei Johann Gottfried Gregorius oder als »hellster« Ort auf Erden bei den Denker*innen der Aufklärung, es gibt ein Geflecht an Metaphern, das sich um den Berg windet. Eine in Bezug auf Gipfel und Berg vollständige Topographie dieser Metapher(n) hätte diese Vor- und Nebengeschichten zu berücksichtigen. Hier kann sich dieser Topographie zwar nur episodisch angenähert werden, um die Verflechtung von Lesbarkeitsmetapher und Bergerfahrung aufzuzeigen.

Doch auch so wird deutlich, was Beschreiben und Erkunden der Berge im 16. Jahrhundert aus metaphorologischer Perspektive motivierte. Die Topographie der Metapher untersucht die Spuren und Orte, die durch den wiederholten Gebrauch von Metaphern entstehen und vice versa diese Metaphern tragen. Während die Metaphorologie Blumenbergs die »Vorräume des Denkens« erkunden sollte, um so den Untergrund und die Substruktur unserer Begriffe freizulegen, ist die Topographie der Metapher an den Versuchen interessiert, die das unermessliche Feld der Theorien mit den endlichen Gegebenheiten historischer Lebenswelten zusammenbringen. Die Aufhebung dieser Differenz von Theorie und Praxis in der Metaphorisierung von Orten – von Denken und Sein – ist im Folgenden die leitende Perspektive. Für den Humanisten Conrad Gessner (1516–1565) wie auch für den Pfarrer Rudolph Rebmann (1566–1605) gelingt, wie die folgenden Ausführungen zeigen, die Zusammenführung dieser zwei Bereiche im »Realsymbol« Berg.6 In der frühen Neuzeit gehört der Gipfel zu den Dingen, die den Zwischenraum von Denken und Sein besetzen: Ein Ort, der eine Brücke über den Graben schlägt, der sich zwischen den geschriebenen Büchern und der erlebten Welt auftut. Auf dem Berg wurde das Buch der Natur geschrieben. Vom Berg wurde das Buch der Natur verlesen. Er war für Gessner, Rebmann und andere Zeitgenossen ein Ort der Vermittlung.

Die Topographie der Metapher untersucht die Spuren und Orte, die durch den Gebrauch von Metaphern entstehen und vice versa diese Metaphern tragen.

Conrad Gessner: Gottesdienst auf dem Gipfel

Im Jahr 1387, fast fünfzig Jahre nach Petrarcas literarischer Besteigung des Mont Ventoux, fand die erste urkundlich bestätigte Besteigung eines Gipfels in den Schweizer Alpen statt. Eine Gruppe von Mönchen bestieg den Gipfel des Pilatus, ein Bergmassiv südlich von Luzern. Über ihre Motivation gibt uns die Urkunde keine Auskunft, aber wir erfahren, dass diese Besteigung von der lokalen Obrigkeit scharf sanktioniert wurde. Die Sanktionen beruhten auf der Annahme, dass in einem See auf dem Gipfel der Geist des Pontius Pilatus hauste und das Umland mit starkem Gewitter strafen würde, wenn jemand seine Ruhe störe. Auf das erste greifbare Gipfelereignis folgte also eine Strafe religiösen Ungehorsams anstelle einer Feier menschlicher Selbstbehauptung. Diese Geschichte fügt sich in das bereits durch Petrarca bekannt gewordene Narrativ von »Landschaft als Versuchung« ein:7 noch immer schlossen Neugier und theologische Weltdeutung einander aus. Erst 1555 sollte der Zürcher Naturforscher Conrad Gessner den Pilatus erneut besteigen, und dies nicht nur ohne Widerworte, sondern im Einklang mit der Theologie.8 Spätestens hier wird man von einer Legitimität der Neugier innerhalb von Philosophie und Naturforschung sprechen können – und von einer epistemischen Funktion, in der der Gipfel im Gegenzug aufgegangen war. Um die Aufschlüsselung dieser Funktion wird es auf den folgenden Seiten gehen.

In einem Brief an seinen Freund Jakob Vogel vom Juni 1541 legte Gessner offen, was ihn antrieb, die körperlichen Strapazen, die eine Bergbesteigung mit sich brachte, auf sich zu nehmen:

»Denn welche Lust ist es, und, nicht wahr, welches Vergnügen für den ergriffenen Geist, die gewaltige Masse der Gebirge wie ein Schauspiel zu bewundern und das Haupt gleichsam in die Wolken zu erheben.«9

Den Kopf in die höchsten Höhen hinaustragen, dies hatte sich Gessner »quotannis« (alljährlich) vorgenommen. Beides, botanische Interessen und der Drang nach physischer Ertüchtigung, gaben diesem Vorhaben Gewicht. Den Sinn des Vorhabens stiftete scheinbar etwas anderes: »Ich weiß nicht, wie es zugeht, daß durch diese unbegreiflichen Höhen das Gemüt erschüttert und hingerissen wird zur Betrachtung des erhabenen Baumeisters.«10 Oben in den Höhen also war der reformierte Christ Gott nahe. Die Frage, wieso man dort Gott näher und ausgerechnet dort dieser Sprung vom Sichtbaren zum Unsichtbaren möglich sein sollte, war wesentlich mit der Hoffnung verknüpft, die man mit dem Blick von oben verband. Eine mögliche Antwort legte Gessner in seinen Ausführungen über die Besteigung des Mont Pilatus nahe:

»[Es] steht auf den höchsten Bergjochen die ganze Halbkugel unseres Himmels frei den Blicken offen und den Aufgang und Untergang der Gestirne kannst du leicht und ohne Hindernis beobachten, und die Sonne siehst du viel später untergehen und viel früher aufgehen.«11

Der Blick vom Gipfel war für Gessner ein Überblick, der einen uneingeschränkten Blick aufs Welt-all, auf das Seiende im Ganzen freigab. Und wo das Seiende im Ganzen ins Auge fällt, ist Gott als »architecti«, wie es im Lateinischen des Briefes an Vogel heisst, nahe. Gott wird gegenwärtig als Schaffender und qua Geschafftem. Wenn Gessner im Brief von 1541 fortfuhr und sich über die lasterhafte Dummheit jener beklagte, die nicht das »große Schauspiel des Weltalls« beobachteten, dann bestätigte er genau dies: dass Gott erst im Schauspiel der Welt gegenwärtig wird.12 Man wird die Neuheit dieser Welt- und Sinnesbejahung betonen müssen. Zwar hielt bereits der Apostel Paulus in Rom 1,20 fest: »Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man das wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt«, doch war – wie ja das Beispiel Petrarca zeigt – Naturerkenntnis nicht philologischer Art bis ins 16. Jahrhundert hinein weitgehend illegitim. Zwar versuchten Gelehrte wie Thomas von Aquin (circa 1225–1274) oder Albertus Magnus (circa 1200–1280) der Neugier (curiositas), die bis dato als ›Augenlust‹ verstanden wurde, nun als Wissbegierde (studiositas) innerhalb theologischer Systeme eine positive Funktion zukommen zu lassen.13 Von einer umfassenden »Positivierung des Negativen«, einer Gotteserkenntnis qua Welterkenntnis war aber noch keine Rede.14 Die Historikerinnen Lorraine Daston und Katharine Park haben gezeigt, dass die Neugier so bis ins 16. Jahrhundert hinein ausserhalb von Philosophie und Naturforschung zu suchen war, allen voran an Fürstenhöfen.15 Hier machten das Wundersame und die Neugier Politik, ohne die Autorität des philosophisch-theologischen Diskurs in Frage zu stellen. Dort ging es nicht um Naturerkenntnis sondern um Naturgebrauch: Man präsentierte Kuriositäten aus politischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Interessen und band sie in höfische Zeremonien ein – in völligem Einklang mit der augustinischen Lehre.

Gessners Welt hatte sich im Zuge der Reformation weit von dieser augustinischen Welt entfernt: Vor allem Huldrych Zwingli (1484–1531) – Gessner hatte den Reformator in seiner Jugend selbst kennengelernt – war es zu verdanken, an die Schöpfungstheologie der frühen Kirchenväter wieder anknüpfen zu können. Hinzu kam der Import eines italienischen Renaissance-Humanismus, der ihm nicht nur Platon brachte, sondern auch durch die Propagierung von Medizin und Anthropologie dieser neuen Gesinnung das positive Fundament lieferte.16 Es kam nun zu einer deutlichen Aufwertung des Sehens und einer Kritik an solchen aristotelischen Dogmen, die nicht mit der eigenen Seherfahrung in Einklang zu bringen waren.17 Diese veränderte Situation erlaubte es Gessner, seinen ›Gottesdienst‹ vom Studierzimmer in die Natur hinauszutragen, die als Erkenntnisquelle aufgewertet und als »Hymne göttlicher Weisheit und Güte« neue Bewunderung erfuhr.18

Abb. 2: »[…] Philosophen, Medizinern, Grammatikern, Philologen […]« – Was heute als ausserordentliche Form von Interdisziplinarität gelobt wird, ergab sich selbstverständlich aus der Zeichenhaftigkeit der Welt.

Die Frage, die nun beschäftigen soll, ist folgende: Wieso waren Berg und Gipfel ein für diesen ›Gottesdienst‹ privilegierter Ort? Für Gessner war die Welt bevölkert von Zeichen göttlicher Schöpfung, die man nur zu lesen brauchte. Nicht Buchstabe für Buchstabe, wie es später der monadologisch denkende Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733) unternahm, sondern ganze Sätze wollte er lesen, weil man die Grammatik erst im Zusammenspiel der Teile verstehen könne.19 Scheuchzer benötigte nicht wie Gessner ein höheres Sinnversprechen, weil der Sinn ganz einfach in den Dingen selbst lag.20 Es war nicht wichtig, was man dort oben fand, weil die Sache nur abermals Aufschluss über ein bereits bekanntes Ganzes geben würde.

Für Gessner hingegen war der Überblick nicht nur sinnstiftend, weil gottähnlich, sondern notwendig, um zu verstehen: Die vielen Tiere, von denen Gessner in der Historia animalium so wunderbare Zeichnungen machte, sie alle werden nur verstanden, wenn man sie in ihren Beziehungen zu einander betrachtet. Es sind Beziehungen der Ähnlichkeit, wie sie Gessners Generation in den populären Fabeln des Aesops oder in den Schriften des Desiderius Erasmus (1466–1536) vorgefunden hat, und die es nun in der Welt selbst zu entdecken galt. Dass es eine Ähnlichkeit zwischen dem Pfau und der Kriegsführung Ludwig XII. gab, zwischen einer Pflanze und einem Stern, derartige Analogien, wie sie die Sprache erlaubt, liessen sich in der Welt – so die unausgesprochene Hoffnung – vom Gipfel erfahren.21 Dort könnte man die »emblematic world view« des Studierzimmers, wie es der Historiker William Ashworth nennt, wo Mythologie, Moral und Naturgeschichte in einem Bild verschmelzen, wahrnehmen, weil sich hier die Sachen auf ähnliche Weise verdichteten wie die Buchstaben im Buch.22 So offenbarte sich eine ›natürliche‹ und auf Ähnlichkeiten basierende Ordnung, wie sie sich auch in der von Gessner zitierten Naturalienkammer des deutschen Naturforschers Johannes Kentmann (1518–1574) wiederfindet.23

»Wer könnte die Arten der Tiere und die hochgelegenen Futterplätze des Wildes in den Bergen zureichend beschreiben? Was die Natur an den andern Orten vereinzelt und spärlich hervorbringt, das zeigt, bietet und erklärt sie auf den Bergen zur Genüge und überall, gleichsam gehäuft, und sie stellt uns ihren ganzen Reichtum, alle ihre Kleinodien vor Augen. Daher wird die höchste Bewunderung für alle Elemente und für die Mannigfaltigkeit der Natur durch die Berge erweckt.«24

Abb. 3: Schreib- und Zeichenutensilien aus Conrad Gessners Spätwerk De Omni Rerum Fossilium, 1565.

Dieser enzyklopädische Modus des Erkennens – der zwischen der Sache und dem zirkulierenden Zeichen keinen Unterschied setzt, weil, wie der Historiker des Denkens Michel Foucault es richtig fasste, »[d]ie Beziehung zu den Texten [...] von gleicher Natur [ist] wie die Beziehung zu den Dingen; hier wie da nimmt man Zeichen auf« – dieser Modus liegt den Arbeiten Gessners zugrunde.25 Das Titelblatt der Historia animalium mag dies zusätzlich bestätigen, wenn es dort gleichsam heisst: »Das Werk wird Philosophen, Medizinern, Grammatikern, Philologen, Dichtern und allen Gelehrten der verschiedensten Dinge und Sprachen äußerst nützlich und zugleich äußerst angenehm sein.«26 Dass die Welt der Dinge und die Welt der Sprache hier bedenkenlos nebeneinanderstehen, dies ist nur möglich, weil im 16. Jahrhundert der Erkenntnisprozess im Allgemeinen als Habhaftwerdung eines Zeichennetzes verstanden werden muss. Einige Jahre später, in seinem Fischbuch von 1558, wird Gessner die logische Konsequenz aus dieser Überlagerung von Hermeneutik und Semasiologie ziehen, wenn er die Grammatik zur ersten Wissenschaft erhebt: »Wir folgen der alphabetischen Anordnung, weil nahezu unsere gesamte Abhandlung mehr eine grammatische als eine philosophische ist.«27

Es ist von grösster Wichtigkeit, sich diese epistemische Landschaft des 16. Jahrhunderts vor Augen zu halten, um verstehen zu können, wieso der Gipfel den Blick aufs Ganze versprechen konnte. Und der Blick aufs Ganze war zweifelsohne Ziel nahezu aller in den Diensten der Theologie stehenden naturforschenden Bemühungen dieser Zeit, weil nur er den Sprung vom ›Text‹ zum ›Autor‹ erlaubt. Gessners Welt ist ein gefalteter Raum, in dem sich die Dinge – mögen sie noch so weit voneinander entfernt liegen – anstarren, wie Einträge in einer Enzyklopädie. Dieses Wissen ist eine unendliche, in sich kreisende Anhäufung von Bestätigungen. Wenn die Beziehung zu den Texten also von gleicher Natur ist wie die Beziehung zu den Dingen, weil sie in beiden Fällen ein Prinzip der Ähnlichkeit sichtbar macht, weil die Welt ein »zeichenhaftes Korrespondenzgefüge« in Beziehung auf Gott und den Menschen ist, dann ist die erkenntnisleitende Frage immer eine Frage der Lesbarkeit.28 Verlässt Gessner in dieser Folge sein Studierzimmer, um die Berggipfel aufzusuchen, dann tut er dies, weil die Welt ein weiteres Buch war, das wie die Heilige Schrift erst in gewisser Distanz seine Buchstaben in einem sinnvollen Zusammenspiel präsentiert. Wer das neuzeitliche Denken belächelt, weil es glaubte, von einem Berg das »Schauspiel des Weltalls« beobachten zu können, begreift nicht, dass es hier nicht so sehr um das Erfassen einer Gesamtheit geht, sondern eines Prinzips durch neu gewonnene Positionalität. Denn die »Gipfel des Hochgebirges« scheinen, wie Gessner bemerkte, »über ein gewöhnliches Schicksal erhaben und unsern Stürmen entzogen zu sein, als wären sie in einer andern Welt gelegen«.29

Gessners Welt ist ein gefalteter Raum, in dem sich die Dinge anstarren, wie Einträge in einer Enzyklopädie.

Gessner, der nicht nur für seine botanischen und zoologischen Ausflüge bekannt war, sondern auch für seine Bibliotheca universalis – eine Auflistung aller bis dato in lateinischer, griechischer und hebräischer Sprache gedruckten Bücher –, für seine Gelehrsamkeit in den Schriften der Alten – Platon, Aristoteles, Galen, Plinius –, und für sein ›Museum‹ – wo er Metalle, Mineralien, Fossilien, Tiere und Pflanzen zusammentrug – suchte nicht nach einem Ort, von dem aus die Welt zu überblicken ist, sondern von dem aus dem Buchkundigen die Welt selbst wie ein Buch zu Füssen liegt. Ein Weg aus dem Buch heraus, um das Buch lesen zu können. Ein Zeitgenosse Gessners, Benedictus Aretius (1522–1574), machte dies in seiner Beschreibung des Gipfelerlebnis des Berges Niesen abermals deutlich: »Diese Vielfalt an Dingen erquickt die Augen der Betrachter unglaublich, denn sie bietet uns von der Natur her so unterschiedliche Dinge auf einen Blick an wie auf einer Schreibtafel (in tabula), und dies sogar, wenn man sitzt.«30 Der Blick vom Berg ist dem Blick auf die von Hand beschriebene Tafel ähnlich – eine Tafel, wie sie Gessner für das Anfertigen seiner Zeichnungen selbst gebrauchte. Und es ist derselbe Aretius, der erkennen lässt, dass es im Wesentlichen um diese schreibende Hand geht. »Dort ist das Schauspiel des Herrn, das beliebige Denkmäler von hohem Alter und Spuren von bewundernswerter Weisheit wie Ungewöhnlichkeit umfasst.«31 Man merkt also, wie sehr die Naturforscher dieser Zeit selbst noch eine Epochenschwelle verkörpern, wenn sie das Buch der Natur lesen, wie seit je her die mittelalterliche Theologie in der Heiligen Schrift gelesen hat: hermeneutisch, stets im Hinblick auf den Autor.32 Ein Sprung, der eben erst möglich wird, wenn sich der Mensch der Zeichenhaftigkeit der Welt gegenüber weiss und sich nicht inmitten derselben befindet.

Rudolph Rebmann: Das Allwissen der Berge

Gessners Verlangen, Gott in dem Verfolgen der Ähnlichkeiten näher zu kommen, mag für uns etwas janusköpfiges haben: Man meint eigentlich zu verstehen, dass der Zweck dieser Forschung nur das Wiederfinden biblischen Wissens in der Natur sein kann, dass die Bibel auf den Gipfel getragen wird, und doch steht nun die Enzyklopädie (in Gestalt des Buches oder der Kammer) vor uns. Was sich aber heute als Differenz gibt, war im 16. Jahrhundert eine Einheit, nicht nur weil Gottes Allmacht zunehmend enzyklopädisch verstanden, sondern auch die Bibel enzyklopädisch gelesen wurde. Diese Überlagerung von Enzyklopädie und Heiliger Schrift findet sich in einer aussergewöhnlichen Deutlichkeit bei Hans Rudolf Rebmann, einem reformierten Pfarrer aus Bern – erneut in den Höhen der Alpen.

Abb. 4: Niesen und Stockhorn auf der sogenannten Schoepf-Karte des Berner Staatsgebietes von 1577/78.

Das von Rebmann verfasste Einn Lustig unnd Ernsthafft Poetisch Gastmal/und Gespräch zweyer Bergen/in der Lobichen Eydgenoßschafft und im Berner Gebiet gelegen: Nemlich deß Niesens/unnd Stockkorns/als zweyer alter Nachbawren erschien posthum, 1606 in erster und 1620 in zweiter Auflage.33 In paarweise gereimten, achtsilbigen Knittelversen erzählt das Gastmal von folgender fiktiver Situation: Am 8. August 1600 besucht das Stockhorn den Niesen. Zwei gegenüberliegende Berge, beide über zweitausend Meter hoch, die Rebmann als Fürsten einführt. Im Beisein ihres Hofstaates beginnen sie ein Gespräch, das sich über fünfhundert Seiten erstrecken wird und das der Autor selbst als »Physicam, Chorographicam und Ethicam descriptionem der gantzen Welt« bezeichnet.34 Die dialogische Form mag als platonische Referenz oder als frühneuzeitlicher Pragmatismus der Wissensvermittlung gelten, faktisch aber ist sie Ornament, weil man eigentlich nicht von einem »ernsthafft[en]« Gespräch sprechen kann: Beide Berge sprechen für sich, geben den Wissensstand ihrer Zeit wieder, ohne aber auf den anderen zu reagieren, ihn zu ergänzen oder ihm zu widersprechen. Es werden Monologe vorgetragen, die durch gekünstelte Fragen am Ende ineinander überleiten.35 Wer also ein Symposion in Schweizer Alpenlandschaft erwartet, wird enttäuscht werden, denn präsentiert wird der Inhalt einer Enzyklopädie – in Versmass und Stereo.

In drei thematische Abschnitte ist das Gastmal unterteilt: Von der Schöpfungsgeschichte über eine geographische und vegetative Beschreibung der Welt hin zu einem dritten Teil, der den Bewohner*innen Europas, aber vor allem denen der Berge gewidmet ist. Die Erzählung folgt damit nicht nur einer Bewegung vom Makro- zum Mikrokosmos, sondern auch der chronologischen Abfolge von Natur- und Menschheitsgeschichte. Die Ziele dieser Enzyklopädie sind derjenigen Gessners weitestgehend ähnlich: Die Erkenntnis der göttlichen Schöpfung dient dem Nachvollzug der Grösse Gottes. Hinzugefügt sei an dieser Stelle einzig, dass die Kürze wundert, in der der Pastor Rebmann diese theologische Rechtfertigung darbringt. Sie und die in die Hunderte gehende Zahl von Exzerpten antiker Literatur zeigen, wie legitim bereits das blosse Vergnügen am Wissen war und mit wie wenig Theologie sich eine Naturgeschichte um 1600 behaupten konnte. Es war nicht nur nützlich zu wissen, sondern auch »lieblich«, wie Rebmann schreibt.36

Abb. 5: Wem gehörten die Berge, wem gehörte ihr Wissen? Nicht nur hier in der Grossen Alpenlandschaft Bruegels d. Ä. krönen fürstliche Burgen die Bergspitzen.

Dass diese enzyklopädische Wissensdarstellung sich dafür eines Gleichnisses von zwei sprechenden Bergen bedient, ist aber dennoch erklärungsbedürftig. Eine Erklärung, die der Autor zur Legitimierung seines Unterfangens den Bergen in den Mund legt, ist deren Ursprünglichkeit: »Uns hat Gott g’machet anfangs bald/Als er Himmel und Erden g’stalt.«37 Und weiter: »Doch warn wir vor dem Sündfluß lang/Do d’Welt nam Ihren anefang«.38

Natürlich werden heutige Geologen widersprechen, haben auch Berge ein Entstehungs- und Verfallsdatum, das nicht mit dem der Erdkugel zusammenfällt. Für die Naturphilosophie des 16. Jahrhundert aber waren die Berge die offensichtlichsten Zeichen der göttlichen Schöpfung, weil sie seit dem ersten Tage nahezu unverändert das Weltgeschehen begleiten. Auf der Erde sind sie die idealen Beobachter der Erdgeschichte, was Humboldt übrigens zweihundert Jahre später im Öffnen dieser ›Wissensspeicher‹ bewies. Und auch heute noch dient ja das morphologische Gedächtnis der Alpen der Rekonstruktion vorgeschichtlicher Erdgestalten. Ohne dies hier weiter ausführen zu können, erhalten die Berge und ihre Gipfel bei Rebmann damit eine doppelte Gestalt: Einerseits bleiben sie, wie schon bei Gessner, Orte, von denen aus ein »Bescheidwissen im Reich des Gedruckten, ein Navigieren im Meer der Textbelege« möglich ist, andererseits aber wechselt die Perspektive und der Alpenraum beginnt selbst eine Art gewaltige Enzyklopädie, ein Archiv der Erdgeschichte zu werden.39

In den Alpen versammelte sich nicht nur die Welt, sondern auch ihre Geschichte. Rebmann stand damit am Anfang einer Tradition, die die Alpen als welthistorisches Gedächtnis begriff. Während der deutsche Pfarrer Johann Arndt (1555–1621) in Vier Bücher vom Wahren Christentum die Berge als »Gottes Schatzkammern« bezeichnete, versammelten sich für den bereits erwähnten Scheuchzer in den Alpen die »Gedenkzeichen« göttlicher Taten – dem einen Thesaurus, dem anderen Museum.40 Es kann hier nur kurz darauf hingewiesen werden, dass die Vorstellung vom Vielwissen der Berge sich mit dem ökonomischen Reichtum ihres Innern überlagert. Während Fossilien und Steine es erlauben, die Geschichte zu erkennen, erlauben das Gold und Silber, die Welt zu besitzen.

Während Fossilien und Steine es erlauben, die Geschichte zu erkennen, erlauben das Gold und Silber, die Welt zu besitzen.

Nach Rebmann liegt damit den Bergen die Natur in ihrer Geschichtlichkeit wie ein offenes Buch zu Füssen – ein Buch voller Wunder, das uns Staunen bescheren soll. Rebmann spricht von einem »Wunderbuch« und meint damit mitnichten nur sein eigenes. Nicht die Welt wird erklärt, sondern ihr Zwiegespräch beobachtet – zwei Berge sprechen über Gebirge; Die Welt wird aufgeklärt von ihrem äussersten Punkt. Ohne diese Gewissheit einer in der Natur liegenden Lesbarkeit hätte das Gastmal nicht geschrieben werden können.

»Und wie ein gschriben Buch fürwar/Also die gantze Welt ist klar/Ein wol ang’stellte Liberey/Da man allzeit kan lesen frey/Himmlisch und Göttlich ding und sachen/Die Gottes Werck uns kundbar machen.«41

Die quasi-ausserordentliche Position der Berge – dem Himmel nahe, aber doch noch auf Erden –, die zu lesen erlaubt, weiss Rebmann gekonnt mittels einer sich durch das ganze Stück hindurchziehenden Analogie hervorzuheben: Der Berg als König – wie es der Historiker Jon Mathieu treffend formuliert. Und mehr als zweihundert Jahre zuvor sagte bereits ein anderer Herr Mathieu, ein Abgeordneter des französischen Parlaments: »Ein Berg, ist das nicht eine ewige Auflehnung gegen die Gleichheit?«42 Diese Gegenüberstellung von topographischer Höhe und soziopolitischer ›Höhe‹ muss hier kaum diskutiert werden. Sie findet sich bei Niccolò Machiavelli, Giambattista Vico oder Diego de Saavedra Fajardo.43 Dem Himmel näher ist nicht nur der Berg, sondern auch der Fürst, und sein Reichtum wiederum ähnelt dem des Berges – ein vortreffliches Beispiel für jene zirkuläre Technik der Analogie, die wir bereits bei Gessner kennenlernten.

Die politische Bedeutung des Berggipfels in der Frühen Neuzeit wird durch die auffällige Besetzung desselben mit feudalen Festungsbauten in Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts untermauert. Sei es in den berühmten Fresken Andrea Mantegnas in der Camera degli Sposi (um 1460) oder in Pieter Bruegels d. Ä. Die grosse Alpenlandschaft (1555/56). Und wie real diese ›Politik der Höhe‹ in der »Alten Eidgenossenschaft« war, zeigen eindrücklich die Stiche Matthäus Merians in der Topographia Helvetiae. Als müsste man den Gipfel durch ein Zeichen mit der politischen Ordnung in Beziehung bringen, krönt nun in der Ferne eine Burganlage das Haupt des Berges, das die Maler des Trecento noch kahl beliessen. Auch Rebmanns Berge tragen dieses feudale Gewand. Der »herrschaftliche Verfügungsblick« des Fürsten von der Burg erklärt den Blick vom Berg und vice versa.44 War der Blick von oben auf die Welt einst den Göttern vorbehalten, markieren ihn nun die Zeichen von Kaisern, Königen und Fürsten.45 Er wird menschenmöglich aber sozial codiert. Die Gipfel sind »der Fürsten [e]insame Häupter«46, wie es noch 1803 in Friedrich Schillers Die Braut von Messina heisst.

Sofern man also von einer ›Säkularisierung‹ des Berges im 15. und 16. Jahrhundert sprechen möchte, wird man auch von einer Politisierung desselben reden müssen. Diese soziale Distanz einerseits und die wissenschaftliche Formalisierung, Spezifizierung und Ausdifferenzierung andererseits enthoben den Gipfel seiner allgemeinen, vermittelnden Funktion und leiteten zu einer neuen ›Flächigkeit‹ des 17. Jahrhunderts über, die sich so eindrücklich in dem die Gipfel meidenden Scheuchzer ausdrückt. Damit blieb der Traum, die Welt vom Gipfel lesen zu können, zwar einer des 16. Jahrhunderts, aber als ›Anker‹ des eifrigen Gelehrten diente der Berg auch weiterhin. Ihn verband eine gerade Linie mit dem Studierzimmer – ob als Erweiterung der Kunstkammer oder als umfassendes Archiv der Geschichte.

Abb. 6: Kupferstich von Matthäus Merian der Stadt Sitten mit dem Schloss Tourbillon (links) und der Basilika von Valeria (rechts).

Legitimierung eines Ortes

Petrarca – Gessner – Rebmann: Diese drei Namen lassen sich in einer Geschichte verbinden, die eine enge Beziehung zwischen den Montanwelten des 16. Jahrhunderts und der Buchkultur der Renaissance vermuten lässt; die ferner zeigt, wie überaus literarisch die Erschliessung der Alpen begann, wenn sich Gelehrte das Unbekannte im Zeichen der Buchmetaphorik bekannt machten. Petrarca hoffte auf dem Berg zu finden, was er über Berge las; Gessner träumte davon, das Projekt einer Bibliotheca universalis vom Gipfel aus zu vollenden; und Rebmann wünschte sich wohl nichts mehr, als in den Bergen legitime Zeugen seiner enzyklopädischen Weltgeschichte ausmachen zu können. Konnte der Berg selbst diese Enzyklopädie sein und war sein Studium mit dem der Heiligen Schrift vergleichbar? Darüber schieden sich gewiss die Geister, doch dass der Berg über ein Wissen verfüge, dass dem der Bibel oder der Enzyklopädie ähnlich sei – dies waren Metaphorisierungen, die nicht minder der Legitimierung eines neuen Wissensbereiches dienten. Man verkennt das 16. Jahrhundert, wenn man behauptet, es habe sich von der Autorität der Bücher befreit. Denn für Gessner wie für Rebmann mussten die Alpen erst den Bibliotheken und Museen ähneln, ehe sie zum Gegenstand empirischer Forschung werden konnten.

Lukas Rathjen hat 2017 den Master »Interdisziplinäre Anthropologie« an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg abgeschlossen und studiert im Master »Geschichte und Philosophie des Wissens« an der ETH Zürich.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Conrad Gessner, De Omni Rerum Fossilium, Gemmis, Lapidibus, Metallis, et Huiusmodi, Tiguri: Conrad Gessner (1565), n. p., ETH-Bibliothek Zürich, Signatur: Rar 5776.

Abb. 2: Conrad Gessner, Historia Animalium liber I. De quadrupedibus viviparis, Tiguri: Christ. Froschoverum (1551), Zentralbibliothek Zürich, Signatur: NNN 41.

Abb. 3: Conrad Gessner, De Omni Rerum Fossilium, Gemmis, Lapidibus, Metallis, et Huiusmodi, Tiguri: Conrad Gessner (1565), Kap. 4, S. 100v–101r., ETH-Bibliothek Zürich, Signatur: Rar 5776.

Abb. 4: Thomas Schoepf: Inclytae Bernaticum urbis, cum omni Ditionis suae Agro et Provinciis Delineatioo Chorographica scundum cujusque Loci justiorem Longitudinem et Latitudinem Coeli [1577/78], Dietikon: Stocker (1970–72), Universitätsbibliothek Bern, MUE Kart 402 c.

Abb. 5: Pieter Bruegel d. Ä.: Die grosse Alpenlandschaft, 1555/56, gestochen von Johannes und Lucas van Doetecum, Privatbesitz, fotografiert von Reto Pedrini, Zürich.

Abb. 6: Matthäus Merian, Topographia Helvetiae, Rhaetiae, et Valesiae: das ist, Beschreibung und eygentliche Abbildung der vornehmsten Stätte und Plätze in der hochlöblichen Eydgnossschafft, Graubündten, Wallis, und etlicher zugewandten Orthen, Frankfurt am Main: Merianische Erben (1654), 5 Seiten nach S. 88, ETH-Bibliothek Zürich, Signatur: 9626.

Literatur
  1. 1

    Ruth Groh, Dieter Groh: Zur Kulturgeschichte der Natur, Bd. 2: Die Aussenwelt der Innenwelt, Frankfurt am Main: Suhrkamp (1996), S. 17.

  2. 2

    Francesco Petrarca: Die Besteigung des Mont Ventoux [um 1353], übers. u. hg. von Kurt Steinmann, Stuttgart: Reclam (2015), S. 16f.

  3. 3

    Francesco Petrarca: Die Besteigung des Mont Ventoux [um 1353], übers. u. hg. von Kurt Steinmann, Stuttgart: Reclam (2015), S. 22–25.

  4. 4

    Eine umfassende Darstellung dieser Diskussion bei Ruth Groh, Dieter Groh: Zur Kulturgeschichte der Natur, Bd. 2: Die Aussenwelt der Innenwelt, Frankfurt am Main: Suhrkamp (1996), S. 17–82.

  5. 5

    Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt [1981], Frankfurt am Main: Suhrkamp (2014), S. 15.

  6. 6

    Hartmut Böhme: »Berg«, in: Ralf Konersmann (Hg.): Wörterbuch der philosophischen Metaphern, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (2011), S. 49–63.

  7. 7

    Ruth Groh, Dieter Groh: Zur Kulturgeschichte der Natur, Bd. 2: Die Aussenwelt der Innenwelt, Frankfurt am Main: Suhrkamp (1996), S. 60.

  8. 8

    Vgl. Philippe Glardon: Gessner Studies: State of the research and new perspectives on 16th-century studies in natural history, in: Gesnerus 73/1 (2016), S. 7–28.

  9. 9

    Conrad Gessner: Libellus de lacte et operibus lactariis, Zürich: Christophorum Froschouerum (1541), S. 2–7. Zit. u. übers. n. Richard Weiss: Die Entdeckung der Alpen: Eine Sammlung schweizerischer und deutscher Alpenliteratur bis zum Jahr 1800, Frauenfeld: Huber (1934), S. 1f.

  10. 10

    Conrad Gessner: Libellus de lacte et operibus lactariis, Zürich: Christophorum Froschouerum (1541), S. 2–7. Zit. u. übers. n. Richard Weiss: Die Entdeckung der Alpen: Eine Sammlung schweizerischer und deutscher Alpenliteratur bis zum Jahr 1800, Frauenfeld: Huber (1934), S. 2.

  11. 11

    Conrad Gessner: Commentariolus de raris et admirandis herbis quae Lunariae nominantur, Zürich: Andreas Gessner & Jakob Gessner (1555), S. 44–54. Zit. u. übers. n. Richard Weiss: Die Entdeckung der Alpen: Eine Sammlung schweizerischer und deutscher Alpenliteratur bis zum Jahr 1800, Frauenfeld: Huber (1934), S. 8.

  12. 12

    Conrad Gessner: Libellus de lacte et operibus lactariis, Zürich: Christophorum Froschouerum (1541), S. 2–7. Zit. u. übers. n. Richard Weiss: Die Entdeckung der Alpen: Eine Sammlung schweizerischer und deutscher Alpenliteratur bis zum Jahr 1800, Frauenfeld: Huber (1934), S. 2.

  13. 13

    Vgl. Lorraine Daston, Katharine Park: Wonders and the order of nature 1150–1750, New York: Zone Books (2001), S. 124f.

  14. 14

    Dieter Groh: »Der Schweizer ›Weg ins Gebirg‹: Eine theologische Direttisima«, ZKG119/3 (2008), S. 387–395, hier S. 390.

  15. 15

    Vgl. Lorraine Daston, Katharine Park: Wonders and the order of nature 1150–1750, New York: Zone Books (2001), S. 67–108.

  16. 16

    Vgl. Dieter Groh: »Der Schweizer ›Weg ins Gebirg‹: Eine theologische Direttisima«, ZKG119/3 (2008), S. 387–395.

  17. 17

    Eine solche Kritik v.a. bei Pietro Pomponazzi: Expositio in primo et secundo De partibus animalium [1521–23], übers. u. hg. v. Stefano Perfetti, Florenz: Olschki (2004), S. 277.

  18. 18

    Conrad Gessner: Historia Animalium liber I: De quadrupedibus viviparis, Tiguri: Christophorum Froschouerum (1551), Bl a 4r. Übers. n. Udo Friedrich: Naturgeschichte zwischen artes liberales und frühneuzeitlicher Wissenschaft: Conrad Gessners ›Historia animalium‹ und ihre volkssprachliche Rezeption, Tübingen: Niemeyer (1995), S. 44, Anm. 59.

  19. 19

    Zum monadologischen Denken bei Scheuchzer vgl. Michael Kempe: »Monads, Mussels and Mountains: Leibnizian natural philosophy interpreted by Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733)«, in: Manuel Sánchez Rodríguez, Miguel Escribano Cabeza (Hg.): Leibniz en diálogo, Sevilla: Thémata (2017), S. 95–110.

  20. 20

    »Gott hat nicht wollen, daß wir alsobald/als wir an dise Welt geboren werden/ganze Texte einander daher lesen/und selbige verkünden/sondern vorerst kennen lehrnen die Buchstaben/hernach lesen die Sylben/und Wörter.« Johann Jakob Scheuchzer: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands, Bd. 3, Zürich: Selbstverlag (1708), S. 173. Zitiert nach Paul Michel: »Das Buch der Natur bei Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733)«, in: Wolfgang Haubrichs, Wolgang Kleiber, Rudolf Voss (Hg.): Vox Sermo Res: Beiträge zur Sprachreflexion, Literatur- und Sprachgeschichte vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Festschrift Uwe Ruberg, Stuttgart: Hirzel (2001), S. 169–193, hier S. 181.

  21. 21

    Derartige Vergleiche finden sich beispielsweise bei Paolo Giovio: Dialogo dell’Imprese militari et amorose, Lyon: Guglielmo Roviglio (1559), S. 20.

  22. 22

    Willian B. Ashworth: »Natural history and the emblematic world view«, in: David D. Lindberg, Robert S. Westman (Hg.): Reappraisals of the Scientific Revolution, Cambridge: Cambridge University Press (1990), S. 303–332.

  23. 23

    Vgl. Benjamin Bühler, Stefan Rieger: Bunte Steine: Ein Lapidarium des Wissens, Frankfurt am Main: Suhrkamp (2014), S. 26f.

  24. 24

    Conrad Gessner: Libellus de lacte et operibus lactariis, Zürich: Christophorum Froschouerum (1541), S. 2–7. Zit. u. übers. n. Richard Weiss: Die Entdeckung der Alpen: Eine Sammlung schweizerischer und deutscher Alpenliteratur bis zum Jahr 1800, Frauenfeld: Huber (1934), S. 3.

  25. 25

    Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge [1966], Frankfurt am Main: Suhrkamp (2012), S. 65.

  26. 26

    Conrad Gessner: Historia Animalium liber I: De quadrupedibus viviparis, Tiguri: Christophorum Froschouerum (1551), Titelblatt. Übers. nach Christa Riedl-Dorn: Wissenschaft und Fabelwesen: Ein kritischer Versuch über Conrad Gessner und Ulisse Aldrovandi, Wien: Böhlau (1989), S. 31.

  27. 27

    Conrad Gessner: Historia Animaliumliber IV: qui est de piscium & aquantilium animantium, Tiguri: Christophorum Froschouerum (1558), ad Lectorem. Übers. nach Christa Riedl-Dorn: Wissenschaft und Fabelwesen: Ein kritischer Versuch über Conrad Gessner und Ulisse Aldrovandi, Wien: Böhlau (1989), S. 31.

  28. 28

    Udo Friedrich: Naturgeschichte zwischen artes liberales und frühneuzeitlicher Wissenschaft: Conrad Gessners ›Historia animalium‹ und ihre volkssprachliche Rezeption, Tübingen: Niemeyer (1995), S. 43.

  29. 29

    Conrad Gessner: Libellus de lacte et operibus lactariis, Zürich (1541), S. 2–7. Zit. u. übers. n. Richard Weiss: Die Entdeckung der Alpen: Eine Sammlung schweizerischer und deutscher Alpenliteratur bis zum Jahr 1800, Frauenfeld: Huber (1934), S. 3f.

  30. 30

    Benedictus Aretius: »Stockhorni et nessi montium in ditione Bernensium Helvetiorum et nascentium in eis stirpium brevis Descriptio, per Benedictum Aretium Bernensem«, in: Max A. Bratschi (Hg.): Niesen und Stockhorn: Berg-Besteigungen im 16. Jahrhundert: Zwei Lateintexte von Berner Humanisten, Thun: Ott (1992), S. 36–69, hier S. 57 (in abgewandelter, eigener Übersetzung).

  31. 31

    Benedictus Aretius: »Stockhorni et nessi montium in ditione Bernensium Helvetiorum et nascentium in eis stirpium brevis Descriptio, per Benedictum Aretium Bernensem«, in: Max A. Bratschi (Hg.): Niesen und Stockhorn: Berg-Besteigungen im 16. Jahrhundert: Zwei Lateintexte von Berner Humanisten, Thun: Ott (1992), S. 36–69, hier S. 43.

  32. 32

    Für Hans Blumenberg steht daher die Verwendung der Metapher der Lesbarkeit im Mittelalter »im Dienst der Verweisung auf den Autor, seine Größe und Unerreichlichkeit, und auf den Sachverhalt, daß er selbst [...] mit eigener Hand dieses Buch geschrieben habe.« Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt [1981], Frankfurt am Main: Suhrkamp (2014), S. 60.

  33. 33

    Im Folgenden wird zitiert aus: Johann Rudolf Rebmann: Einn Lustig unnd Ernsthafft Poetisch Gastmal/und Gespräch zweyer Bergen/in der Lobichen Eydgenoßschafft und im Berner Gebiet gelegen: Nemlich deß Niesens/unnd Stockkorns/als zweyer alter Nachbawren, hg. von Valentin Rebmann, Bern: Abraham Werli (1620).

  34. 34

    Johann Rudolf Rebmann: Einn Lustig unnd Ernsthafft Poetisch Gastmal/und Gespräch zweyer Bergen/in der Lobichen Eydgenoßschafft und im Berner Gebiet gelegen: Nemlich deß Niesens/unnd Stockkorns/als zweyer alter Nachbawren, hg. von Valentin Rebmann, Bern: Abraham Werli (1620), Titelblatt.

  35. 35

    Jon Mathieu weist daraufhin, dass sich an einer Stelle die Antwort des Stockhorns auf über 192 Seiten erstreckt. Jon Mathieu: »Der Berg als König. Aspekte der Naturwahrnehmung um 1600«, BEZG1 (2017), S. 3–35, hier S. 9.

  36. 36

    Johann Rudolf Rebmann: Einn Lustig unnd Ernsthafft Poetisch Gastmal/und Gespräch zweyer Bergen/in der Lobichen Eydgenoßschafft und im Berner Gebiet gelegen: Nemlich deß Niesens/unnd Stockkorns/als zweyer alter Nachbawren, hg. von Valentin Rebmann, Bern: Abraham Werli (1620), Vorrede des Herausgebers, ohne Seitenzahlen.

  37. 37

    Johann Rudolf Rebmann: Einn Lustig unnd Ernsthafft Poetisch Gastmal/und Gespräch zweyer Bergen/in der Lobichen Eydgenoßschafft und im Berner Gebiet gelegen: Nemlich deß Niesens/unnd Stockkorns/als zweyer alter Nachbawren, hg. von Valentin Rebmann, Bern: Abraham Werli (1620), S. 129.

  38. 38

    Johann Rudolf Rebmann: Einn Lustig unnd Ernsthafft Poetisch Gastmal/und Gespräch zweyer Bergen/in der Lobichen Eydgenoßschafft und im Berner Gebiet gelegen: Nemlich deß Niesens/unnd Stockkorns/als zweyer alter Nachbawren, hg. von Valentin Rebmann, Bern: Abraham Werli (1620), S. 131.

  39. 39

    Ulrich Johannes Schneider: Die Erfindung des allgemeinen Wissens: Enzyklopädisches Schreiben im Zeitalter der Aufklärung, Berlin: Akademie (2012), S. 47.

  40. 40

    Johann Arndt: Vier Bücher vom wahren Christentum, Bd. 4: Liber Naturae: Wie das grosse Weltbuch der Natur nach Christlicher Außlegung von Gott zeuget und zu Gott führet wie auch alle Menschen Gott zu lieben durch die Creaturen gereitzet und durch ihr eigen Hertz uberzeuget werden, Magdeburg: Johan Francken (1615), S. 48; Johann Jakob Scheuchzer: Beschreibung der Natur-Geschichten des Schweizerlands, Bd. 1, Zürich: Selbstverlag (1706), S. 89.

  41. 41

    Johann Rudolf Rebmann: Einn Lustig unnd Ernsthafft Poetisch Gastmal/und Gespräch zweyer Bergen/in der Lobichen Eydgenoßschafft und im Berner Gebiet gelegen: Nemlich deß Niesens/unnd Stockkorns/als zweyer alter Nachbawren, hg. von Valentin Rebmann, Bern: Abraham Werli (1620), S. 27.

  42. 42

    James Guilaume (Hg.): Procès-verbaux du Comité d’instruction publique de la Conventionnationale, Bd. 5, Paris: Imprimerie nationale (1904), S. 508f. Zit. n. Patrick Stoffel: Die Alpen: Wo die Natur zur Vernunft kam, Göttingen: Wallstein 2018, S. 195.

  43. 43

    Patrick Stoffel: Die Alpen: Wo die Natur zur Vernunft kam, Göttingen: Wallstein 2018, S. 87f.

  44. 44

    Martin Warnke: Politische Landschaft: Zur Kunstgeschichte der Natur, München: Hanser (1992), S. 47.

  45. 45

    Vgl. Hans Blumenberg: Die Legitimität der Neuzeit [1966], Frankfurt am Main: Suhrkamp (1988), S. 397f., Anm. 223.

  46. 46

    Friedrich Schiller: »Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder«, in: ders: Schillers sämtliche Werke, Bd. 1, Stuttgart: Cotta (1862), S. 609.

Für Gessner wie für Rebmann mussten die Alpen erst den Bibliotheken und Museen ähneln, ehe sie zum Gegenstand empirischer Forschung werden konnten.