Archiv in Bewegung – eine Einleitung
Queere Bewegungen haben in Österreich erfolgreich für gleiche Rechte gekämpft, aber ihre Errungenschaften werden heute wieder in Frage gestellt. Aether #8 verfolgt elf Spuren durch ein Wiener Bewegungsarchiv und zeigt, wie queere Menschen in der Vergangenheit ihre Erfahrungen mobilisiert haben – als Ressourcen gegen heteronormative Denksysteme.
Zwei Stangen
Welche Aufgabe hat ein queeres Archiv? Und wer darf mit der Sammlung neue Narrative schreiben? Können verbogene Alu-Stangen auf Geschichtsaktivismus verweisen – oder gar von einer doppelten Gewalterfahrung zeugen?
Rosa-Winkel-Bäckerei
Das Kennzeichen homosexueller KZ-Häftlinge taucht Anfang der 1980er Jahre als Lebkuchen auf einem Weihnachtsbasar auf. Archiviertes Backwerk wirft ein Schlaglicht auf die Aneignung eines Unterdrückungssymbols und zeugt von der »erfundenen Tradition« einer Wiener Protestbäckerei.
Polizeiverhör als Selbstzeugnis?
Im Wien der NS-Zeit wurden Homosexuelle strafrechtlich verfolgt. Eine im queeren Archiv QWIEN angelegte Datenbank mit digitalisierten Strafakten der Zeit liefert Erkenntnisse, wie Behörden und Denunzianten damals Homosexuelle sahen. Kann sie auch über Selbstbilder der Verfolgten Auskunft geben?
Fürsprecher der Homophilen
Ende der 1950er setzte sich der Direktor der Grazer Universitätsbibliothek für Homosexuellenrechte ein – und betonte, er sei selbst heterosexuell. Wie unterscheidet sich sein Fürsprechen vom Aktivismus eines Wiener Schriftstellers, der sich öffentlich zu seiner »Homophilie« bekannte?
Homosexualität und die »Macht des Normalen«
1957 trifft sich eine Gruppe von einflussreichen Männern im österreichischen Parlament. Nationalratsmitglieder, Rechtswissenschaftler und Sexualwissenschaftler beraten über eine Reform des Strafrechts und die Frage der Kriminalisierung von Homosexualität. Sie tauschen kontroverse Meinungen aus, dann stimmen sie ab.
»Keine Organisationen, die Unterdrückung auseinanderteilen«
Mit der Gruppe »Coming Out« begann 1975 die neue Schwulenbewegung in Wien. Was bewegte die »CO-Schwestern« und wie setzten sie sich mit linken und feministischen Bewegungen auseinander? Ein Blick in ihre Vereinszeitschrift gibt Aufschluss.
Rosa Lila Beratung: Sichtbarkeit und Anonymität
Die Rosa Lila Villa eröffnete 1982 als erstes Lesben- und Schwulenhaus Wiens seine Türen und machte auf lesbisch-schwule Lebensweisen aufmerksam. Ihre Beratungsstelle praktizierte überlebenswichtige Selbsthilfe zu Coming-out und AIDS.
Aids-Expertise und Gegen-Informationen
Mit der AIDS Information wurde in Österreich im Mai 1983 die europaweit erste Informationsbroschüre zu Aids veröffentlicht. Dahinter stand eine ungewöhnliche Allianz aus Mediziner*innen, Politiker*innen und Aktivist*innen, die unterschiedliche Wissenssphären vereinte. Hegemoniales Wissen traf dabei auf communitybasiertes Gegenwissen.
AIDS, Trauer und Erinnerung
Der Schock durch AIDS und die hohen Zahlen an Erkrankten und Verstorbenen führte in der schwulen Community zur Entwicklung neuer Trauerrituale. Als AIDS durch die Kombinationstherapie zu einer behandelbaren Krankheit wurde, entstanden Erinnerungsprojekte.
Zwei Smokings mit Message
Kleidung und Inszenierung spielten auf dem Life Ball eine zentrale Rolle. Zwei Anzüge aus Papier zeigen, wie diese Wiener AIDS-Benefizveranstaltung in der österreichischen Gesellschaft einen Repräsentationsraum für homosexuelle Lebensweisen öffnete.
Tunten, die a/synchron bügeln
Jährlich findet in Wien eine alternative Sportveranstaltung statt – der Tuntathlon. Selbsternannte Tunten versuchen hetero- und homosexuelle Normen durch Handtaschenwurf, Synchronbügeln und Stöckelschuhstaffettenlauf ins K.O. zu zwingen und werden so auf parodistische Weise politisch aktiv.