Seit den 1960er Jahren arbeitet eine »neue« Rechte an einer eigenen Wissenspolitik. Doch was ist »rechtes Wissen« überhaupt? Und welchen Ort hat es in der jüngeren Geschichte der Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften?
Steht der Geist »rechts«, wandert er nach »rechts«?1 Die Frage steht seit einigen Jahren zumindest (und wieder einmal) im Raum: Vermehrt war in letzter Zeit von Vordenkern und Intellektuellen einer neuen Rechten die Rede, hinter denen undurchsichtige Verlagsstrukturen, institutionelle Netzwerke und Geschäftsmodelle stehen, die auf Buchmessen für Unruhe sorgen, die in Seminare ein- und wieder ausgeladen werden. Oder: von neuen »Rationalisten« und »Skeptikern«, gar Vertretern eines Dark Enlightenment, die die Tatsachen auszusprechen wagen, die der (wie auch immer apostrophierte) Mainstream nicht zu denken wage – IQ-Unterschiede zwischen Menschengruppen etwa, biologische Determiniertheit von »Rasse«, Kultur und Geschlecht, das angebliche Scheitern des »Multikulturalismus«, die inneren, notwendigen Widersprüche des Auslaufmodells »Demokratie«; von Versuchen, den weitverbreiteten Sorgen um Klimakrise und -wandel einen Drall in Richtung Heimat und Nation zu verpassen; von sinistren Think-Tanks, die im Namen »objektiver« Wissenschaft an diesem und jenem Zweifel sähen; von mächtigen Tech-Unternehmer*innen, die alldem keineswegs abgeneigt sind, jedenfalls gerne ihre Plattformen zur Verfügung stellen.
Die Konjunktur von Labels wie »alt right«, »Identitäre« oder »Neue Rechte« verlief dabei zwar in etwa parallel mit den Karrieren von Fake News, alternative facts, Verschwörungstheorien à la The Great Reset und dergleichen, aber die entsprechenden ideologischen Projekte und Milieus sind nicht identisch – die sich betont sachlich gebende Theoretisierung der neurechten Begriffsschöpfung »Ethnopluralismus« etwa erinnert daran. Im Dunstkreis der »Neuen Rechten« und, allgemeiner, (neo)konservativen Strömungen finden sich positivere, affirmativere, mal mehr, mal weniger strategische Umarmungen von »Wissen«, die sich schlecht auf blosse Pseudo-Wissenschaftlichkeit und Anti-Intellektualität reduzieren lassen. Und, darauf haben nicht zuletzt die Analysen der letzten Jahre hingewiesen, die die Geschichte der »Neuen Rechten« neu aufgerollt haben: Die damit angesprochenen Verwicklungen zwischen Wissen und Politik sind auch nicht so neu. Gilt jenen Untersuchungen »1968« üblicherweise als Ursprungsszene, an der sich das neuartige dieser »Neuen Rechten« ablesen lässt – deren »subversive« Protestformen, Zeitschriftenkulturen, intellektuelle Netzwerke und »Vordenker« –,2 so zog jedoch weniger systematische Aufmerksamkeit auf sich, was im vorliegenden Heft im Mittelpunkt des Interesses steht: das Verhältnis der (neuen) Rechten zum »Wissen«.
Um eine nähere Bestimmung dieses Verhältnisses kreiste ein zweisemestriges Forschungsseminar zum Zusammenhang von »Wissenschaft und Neuer Rechter«, das die Autor*innen dieser Einleitung gemeinsam mit ihren Kollegen Nils Güttler und Fabian Grütter 2019 an der Professur für Wissenschaftsforschung der ETH Zürich veranstaltet haben. Ausgehend von der skizzierten aktuellen Gemengelage ging es uns dabei um einen längerfristigen Blick hinein in die noch weitgehend unerforschte Wissensgeschichte des rechten bzw. neurechten Denkens nach 1945. Das Projektseminar, aus dem die hier versammelten Texte hervorgingen, galt dem Versuch, (neu)rechte Diskurse und Wissenspolitiken im Kontext allgemeinerer wissenschafts- und zeithistorischer Dynamiken zu verorten. Wie lässt sich – so könnte man das zugrunde gelegte Erkenntnisinteresse formulieren – über dieses Verhältnis produktiv nachdenken, ohne es schlicht zu normalisieren oder zu pathologisieren? Welche methodischen, historiographischen oder wissenschaftstheoretischen Ansätze helfen dabei? Welche gilt es eher zu problematisieren? Und wie kommen Zuschreibungen wie »rechte« (oder »linke«, oder »politisierte«) Wissensproduktion überhaupt zustande?
Wissenspolitiken nach »1968«
Um die Zusammenhänge zwischen Wissen, rechtem Denken und rechter Politik zu verstehen, erwies sich auch in unseren Seminardiskussionen »1968« als guter Ausgangspunkt. Viele Faktoren trugen in jenen Jahren dazu bei, dass sich nicht nur die Politik verwissenschaftlichte – Stichwort: »Technokratiedebatte« –, sondern auch Wissen politisierte, d.h. von ganz unterschiedlichen Seiten produziert und in politischen Debatten in Stellung gebracht wurde. Dazu gehörten zweifellos »subversive« Protestformen, die nicht nur von »links« bemüht wurden.3 Dazu gehörte aber auch, dass die damals in Entstehung begriffene »Neue Rechte« spezifische, transnationale Formen von »Wissenspolitik« entwickelte, mittels der rechtes Denken in Auseinandersetzung mit und im Anschluss an wissenschaftliche Diskurse scheinbar jenseits ideologischer Positionierungen in öffentliche Debatten eingeführt werden sollte. »Wissen« besass dabei für die »Neue Rechte« eine doppelte Funktion: Im Modus der Mobilisierung von Wissen formulierte sie ihren Politikansatz und grenzte sich zugleich von der »Alten Rechten« ab. Diese hatte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versucht, mit letztendlich ähnlichen Strategien und Mitteln politischen Einfluss zurückzugewinnen, mit denen die faschistischen Bewegungen in den europäischen Demokratien der Zwischenkriegszeit erfolgreich gewesen waren: Auch in den 1950er Jahren gründeten sich rechte Parteien, die Anhänger*innen organisieren und bei Wahlen mobilisieren sollten.
Doch in den 1960er Jahren wurde dann an den Abstimmungsergebnissen in unterschiedlichen westeuropäischen Ländern offensichtlich, dass dieser Weg nicht zu politischem Einfluss führen würde. Die »Neue Rechte«, wie sie zunächst in Frankreich um den jungen Aktivisten Alain de Benoist und den rechtsextremen Think-Tank »Groupement de Recherche et des Études pour la Civilisation Européenne« (G.R.E.C.E.) und schnell auch in anderen europäischen Ländern entstand, wollte hingegen – statt über Wahlen – politischen Einfluss durch »kulturelle Hegemonie« in gesellschaftlichen und politischen Diskursen erlangen, um durch eine langfristig Prägung gesellschaftlicher Debatten neue Mehrheiten für rechtsextreme Politik zu stiften. Gewonnen werden sollte dieser »Kampf der Ideen« durch die Produktion eines eigenen, nämlich »rechten« Wissens und dessen Verbreitung in gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Diskursen. Neu gegründete Zeitschriften wie Nouvelle École und éléments in Frankreich oder Criticón und Wir selbst in Deutschland, an denen sich das Interesse für die »Neue Rechte« immer wieder kristallisiert hat, waren ein Mittel dazu.4 In ihnen wurden Wissensfelder von Soziobiologie über Forschung zu Intelligenz und »Rasse« bis hin zu Kybernetik und Ökologie darauf abgeklopft, inwieweit sich mit deren Theorien, Methoden und Erkenntnissen »rechte Politik« begründen oder verbinden liess.
So berief sich etwa de Benoist in seinen Bemühungen zur Neubegründung rechten Denkens explizit auf die Aktualitäten (natur)wissenschaftlicher Forschung, auf »Ergebnisse der Ethologie, der Genetik, der Geschichtsschreibung, der Soziologie, der Mikrophysik«.5 Gemeint waren damit unter anderem die Biologen Konrad Lorenz, Richard Dawkins und E.O. Wilson, auf die er à propos »naturgegebene Ungleichheit« gerne verwies, so auch in einem 1979 veröffentlichten Interview mit dem Spiegel.6 Ähnliche Töne fanden sich in der »neurechten« Zeitschrift Junges Forum, für die sich u.a. der junge »Nationalrevolutionär« (und Kultur- bzw. Technikhistoriker) Henning Eichberg engagierte – auch er eine zentrale Figur in Erzählungen der »Neuen Rechten«. Im Jungen Forum fragte man sich 1972 unter anderem, »welche Weltanschauung [...] den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen [...] adäquat« sei. Angesprochen waren hier erneut Verhaltensforschung, Soziologie, Strukturgeschichte, Soziopsychologie – alles Trendwissenschaften, die in jenen Jahren die ideologischen Auseinandersetzungen um die »Natur« des Menschen bestimmten. Ebenso angesprochen war die Bedeutung des »Nationalismus in einer Welt der technologischen Imperialismen«, in der »nur eine Nation Europa Überlebenschancen hätte«.7 Letzteres, nämlich die Sorge um den wissenschaftlich-technologischen Rückstand, der drohte, Europa in eine »Industriekolonie« und »Lizenznehmerprovinz« der USA zu verwandeln, war dabei nicht weniger zeittypisch.8 Einige der wesentlichen Themen, um die sich die »Neue Rechte« formierte, sind damit bereits benannt: die biologisierende Begründung von (sozialer) Ungleichheit und Hierarchie, die ambivalenten, teilweise gegensätzlichen Positionierungen zum technologischen Fortschritt und dem »abendländischen« Europa, die Mobilisierung von Geistes- und Sozialwissenschaften – Linguistik, Philologie, Ethnologie, vorchristliche Geschichte – zur Untermauerung ethnopluralistischer Standpunkte.
Die sich hier abzeichnende Form der Wissenspolitik, von Benoist selbst als »Metapolitik« propagiert, eröffnete der »Neuen Rechten« damit Chancen, im Anschluss an wissenschaftliche Diskurse eigene Ideen und Wertvorstellungen in gesellschaftliche Debatten einzuspeisen, aber auch dazu, Überlegungen anderer für die Begründung und Realisierung eigener politischer Vorstellungen zu nutzen. Im Gegensatz zu den Kleinparteien der »alten« Rechten mit ihren »Programmen« und »Grundsatzerklärungen« sollte die hier entworfene »neue« Rechte bewusst nicht als Vertreterin einer »Ideologie« auftreten. Sie hoffte gerade auf die Zirkulation des »rechten Wissens« in verschiedenen Kontexten und Öffentlichkeiten. Durch Aneignungen und Aktualisierungen Dritter – nicht zuletzt durch Wissenschaftler*innen – sollte dieses Wissen wirken, die Themen und Positionen der »Neuen Rechten« somit als Teil eines breiten Diskurses erscheinen. Dafür propagierten ihre (vorwiegend männlichen) Aktivisten die eigenen Ideologeme gezielt in unterschiedlichen Foren. Henning Eichberg etwa präsentierte seine Überlegungen zum »Ethnopluralismus«, sprich: der neurechten Reformulierung des biologischen Rassismus unter dem Leitbegriff der »Kultur«, zuerst in der renommierten Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften; später verbreitete er das Konzept auch in Wir selbst und anderen neurechten Zeitschriften.
Zugleich versuchte die »Neue Rechte« etablierte Wissenschaftler*innen für ihre Wissenspolitik einzuspannen. In Frankreich verfügte die Zeitschrift Nouvelle École über einen disziplinär weitläufigen wissenschaftlichen Beirat – comité de patronage –, der unter anderen die Biologen Konrad Lorenz und Ernst Mayr, den Pflanzengenetiker Cyril Darlington, die Psychologen Hans Juergen Eysenck und Arthur Jensen sowie den Religionswissenschaftler Georges Dumézil und den Wissenschaftstheoretiker Louis Rougier einschloss.
Solche Interaktionsräume zwischen »Neuer Rechter« und Wissenschaft umfassten dabei nicht nur Zeitschriften und andere Publikationsformate, sondern auch diverse »Denkfabriken«: in Deutschland etwa die 1964–1985 von Armin Mohler, dem einflussreichen Vordenker der »Neuen Rechten«, geführte Carl Friedrich von Siemens Stiftung oder das 1979 vom ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger gegründete Studienzentrum Weikersheim.9 In ihnen versammelte sich ein breites Spektrum konservativer, wirtschaftsliberaler und neurechter Akteure, das in den 1970er und 1980er Jahren mit Nachdruck auf eine »geistig-moralische Wende« drängte, um den gesellschaftlichen Reformen seit »1968« ein Ende zu setzen. Statt »mehr Demokratie [zu] wagen«, lautete die neue Losung: mehr Markt, mehr Leistung und individuelle Verantwortung, mehr Einfluss politischer und wirtschaftlicher »Eliten«.10 Wissenschaftler*innen, die in diesen Kontexten auftauchten und/oder mitmischten, darunter der Chemiker Ilya Prigogine, der Kybernetiker Heinz von Förster oder die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann, verfolgten Forschungs- und Themenspektren bzw. Interessen, die mit denen der »Neuen Rechten« oder anderer (neo)konservativer Akteure nicht unbedingt identisch waren, die aber auch in die Formierung von »rechtem Wissen« hineinspielten und ihr Aufmerksamkeit verliehen. So wurden die im Dunstkreis der Siemens-Stiftung kultivierten Wissensfelder – von Soziobiologie über Molekularbiologie bis Chaostheorie und Ökonomie – mobilisiert, um gesellschaftskonservative Themen wie etwa die Grenzen wohlfahrtsstaatlicher Politik auszuloten oder die (intellektuelle) Erschöpfung des Marxismus zu verkünden;11 in Weikersheim machte man sich unter Einbeziehung wissenschaftlicher Expert*innen ebenso wie Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft unter anderem Gedanken über die Privatisierung der Medien, Elitenförderung oder die »Freiheit der Forschung« angesichts zeitgenössischer Kritik an Gentechnologie und Tierversuchen.12
Konstellationen zwischen Wissenschaft und Politik
Aus dem bisher gesagten geht bereits hervor, dass die Entstehung und Veränderung »rechten« Wissens sich nicht allein mit einem engen Blick auf die Protagonisten der »Neuen Rechten« begreifen lässt, wie er in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bislang dominiert. Entsprechend wenig weiss man bislang über die Kontexte dieses Prozesses, also etwa über den strukturellen Ort der neurechten Wissensproduktion in der Wissenschafts- und Technikgeschichte. Dennoch ist offensichtlich, dass an diesem »rechten« Wissen mehr Faktoren Anteil hatten, als die Aktivisten der selbsterklärten »Neuen Rechten«: diejenigen Wissenschaftler*innen, die deren ideologischen Projekten zugearbeitet haben, ohne vielleicht selbst als »rechts« zu gelten oder sich so zu verstehen; die jeweiligen wissenschaftlichen Felder und gesellschaftspolitischen Debatten, in die sich diese Projekte einschrieben; das weitläufige Spektrum rechtsradikaler, rechter, konservativer und neokonservativer Politiken, die kaum jemals mit nur einer Stimme sprachen.
Indem die kritische Forschung zur »Neuen Rechten« eben diese Kontexte weitgehend ausblendet, schreibt sie latent noch immer das Selbstbild ihres Untersuchungsgegenstandes fort, wonach der »Erfolg« neurechter Strategien vor allem dem geschickten Agieren ihrer Protagonisten zu verdanken sei, allen voran Alain de Benoist. Im Seminar haben wir uns stattdessen um eine Perspektive bemüht, die jene grösseren Kontexte und Bedingungen einbezieht, in denen sich das Projekt der »Neuen Rechten« entwickeln und rechtes Wissen zirkulieren konnte. Nicht der Nachweis, dass sich die »Rechte« auf wissenschaftliches Wissen bezog, gilt es so gesehen zu führen. Freizulegen sind vielmehr deren Beziehungsgeflechte im Kontext konkreter Wissensfelder: Dazu gehören Publikations- und Interaktionsformate ebenso wie die strukturellen, sozialen und ökonomischen Entwicklungen, die das Spannungsverhältnis wissenschaftlicher und politischer Projekte ermöglichten, gestalteten, störten oder beförderten. Es greift zu kurz, »rechtes« Wissen als (lediglich) pathologisches Aussen einer vermeintlich neutralen und inhärent liberal-progressiven Wissenschaft zu betrachten.
Beispielhaft zeigt dies bereits ein Blick auf die (auch heute wieder virulente) Forderung nach »Autonomie« von Forschung und Lehre, die nicht zufällig zu Beginn der 1970er Jahre in modifizierter Form Aufschwung erhielt. Hatten (neoliberale) Autoren wie Michael Polanyi in den 1950er Jahren die »Freiheit« der Wissenschaft noch unter dem Eindruck von Faschismus und Stalinismus gegen staatliche Planung in Stellung gebracht,13 wurde im Nachgang von »1968« die »Politisierung« von Forschung in neuer Weise diskutiert: von progressiver Seite als Kritik an Wissenschafts- und Standortpolitik, deren »imperialistische« Interessen es aufzudecken galt; von konservativer Seite als links-utopische Überformung: Schreckgespenst einer »ideologisch verplanten Forschung«, die dem »post-industriellen« Wettkampf der Nationen kaum förderlich sein würde.14
Im »Leitbild des unpolitischen Wissenschaftlers«, machten linke Kritiker*innen dann Mitte der 1980er Jahre gar den Kern einer »gegenwärtige[n] konservative[n] Ideologiepolitik« aus, die mittels Wissenschafts- und Universitätspolitik Grundlagenforschung auf die Entwicklung von Schlüsseltechnologien verenge.15 Tatsächlich waren es nicht zuletzt neokonservative Wissenschaftstheoretiker, die – nunmehr unter Schlagworten wie »Markt der Ideen« – besonders vehement Werte wie »Objektivität«, »Pluralismus« und »Autonomie« einforderten; und auch die offizielle Wissenschaftspolitik distanzierte sich (durchaus im Sinne der »geistig-moralischen« Aufbruchsstimmung) vom »übertriebenen Erwartungsdruck« in punkto gesellschaftspolitischer Zielsetzungen à la 1970er Jahre. Sie betonte demgegenüber »Eigenverantwortung« universitärer Forschung sowie die »außerordentlich erwünschte Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft«.16 Normativ aufgeladene Begrifflichkeiten wie »Autonomie« oder »Wissenschaftsfreiheit« veränderten die Bedingungen, unter denen Wissen politische Relevanz gewann.
Damit einhergehend verschoben sich nun auch die wissenspolitischen Fronten: Die Kritik an Wissenschaft, Technik und Fortschritt wanderte vom traditionell technikkritischen konservativen Lager tendenziell nach »links«, die Fortschrittseuphorie – zumal in der zeitgenössischen Wahrnehmung – nach »rechts«. »Konservativ heißt, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren«, so ein 1968 in Umlauf gebrachtes Bonmot von Franz Josef Strauß – eine Einladung auch an all jene Wissenschaftler*innen, die offen dafür waren, ihre Forschung im Rahmen einer weltmarkt-orientierten Wirtschafts- und Standortpolitik fruchtbar zu machen.17 Die damals in Entstehung begriffenen links-alternativen sozialen Bewegungen trugen ihrerseits bald dazu bei, dass (sympathisierende) Wissenschaftler*innen ihren Forschungsgebieten neue politische Bedeutungen verliehen, sich jenseits des »Elfenbeinturms« engagierten oder jedenfalls mit dem eigenen Fachgebiet ins Gericht gingen – postwendend verfingen sich Etikettierungen wie »Maschinenstürmerei«, »neue Irrationalität«, gar »Wissensverzicht«.18
Für rechtes Wissen eröffnete diese Konstellation neue Resonanzräume. Übte sich die »Neue Linke« zusehends in der Kritik an Produktivismus und Imperialismus, an Hierarchien und »Experten«, begann ein »neuer« Konservatismus quasi im Gegenzug den Fortschritt für sich zu reklamieren. Nicht zufällig etwa strich der Publizist Gerd-Klaus Kaltenbrunner in Die Herausforderung der Konservativen (1974) die Bedeutung von »Konrad Lorenz, Irenäus Eibl-Eibesfeldt und andere[n] Ethologen in der Bundesrepublik« wie weiterer, neu etablierter Wissensfelder für eine Erneuerung des Konservatismus im Sinne einer »neuen Rechten« heraus – entgegen der »unter deutschen Meinungsmachern verbreiteten Abneigung gegen die ganze Verhaltensforschung«. »Wie der aus Frankreich kommende Strukturalismus und die zunehmend aktueller werdende Ökologie […] ist dies eine Botschaft, die ohne Zweifel konservative Implikationen hat«, so Kaltenbrunner, der sich damals anschickte, solchen Botschaften eine intellektuelle Plattform zu bereiten.19
Ähnliche Töne – »[d]er Widerwille gegen Naturwissenschaft und Technik verbindet APO und Establishment«20 – konnte man damals auch vermehrt von Vertretern der »technischen Intelligenz« vernehmen, die, aufgeschreckt durch revoltierende Studierende, »innovationsfeindliche« Zustände (»Großindustrie«, »Bürokratie«, usw.) und einen sich verschärfenden »Konkurrenzkampf der Industrienationen«, ihrerseits auf Konfrontationskurs steuerten.
»1968« brachte also nicht nur die Frage nach Autonomie bzw. Politisierung von Wissenschaft kontrovers auf die Agenda; in der Folge zeichneten sich Front- und Weichenstellungen ab, die in Interaktion mit zeitgenössischen Wissenschaftstrends (auch) zur Neuaufstellung rechtskonservativer Themen- und Aktionsfelder beitrugen: Diese erstreckten sich von der Mobilisierung verhaltens- und soziobiologischer Wissensproduktion im Dienst neokonservativer Staatskritik über kulturwissenschaftlich-identitäre Theoriebildung hin zur (diskursiven) Verpflichtung der Universität auf »Spitzenleistungen«, »Eliten« und »Schlüsselindustrien«.
Zugänge zu »rechtem Wissen«
Die hier erwähnten Konstellationen von Wissenschaft und Politik seit »1968« waren Teil des historischen Panoramas, das wir im Rahmen des Forschungsseminars rekonstruiert haben. Ersichtlich werden sollte dabei, dass Wissen und Wissenschaften als Teil rechter und konservativer Diskurse nichts Aussergewöhnliches sind, oder besser: eine Geschichte haben, der sich nachzuspüren lohnt. Statt auf Vordenker zu fokussieren, dienten die sich historisch wandelnden Beziehungsgeflechte zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik als Leitlinien in der Auseinandersetzung mit dem historischen Material. Das Seminar, an dem Studierende aus unterschiedlichen Disziplinen (aus der Geschichte, aber auch den Umweltwissenschaften, der Informatik, Physik und den Gesundheitswissenschaften) teilgenommen haben, zielte in diesem Sinn weniger darauf, Akteur*innen, Netzwerke und Medienkanäle des rechten Spektrums zu identifizieren und nachzuzeichnen. Vielmehr ging es darum, die Entwicklungen und Konstellationen »rechten Wissens« innerhalb der strukturellen Verschiebungen des Wissenschaftsbetriebs seit den 1960er Jahren zu verorten. Es handelt sich um methodische Perspektiven, die sich auch in den hier versammelten Beiträgen niedergeschlagen haben.
Überblickt man gegenwärtige Debatten um Wissenschaft von »rechts« fällt dagegen auf, dass diese in der Regel drei Annahmen teilen: Erstens gehen nahezu alle Stimmen ganz selbstverständlich davon aus, dass Universitäten vermeintlich »linke« oder zumindest »liberale« Orte seien, an denen die Präsenz von »Rechten« anomal und insofern erklärungsbedürftig sei.21 Dabei weiss die Wissenschaftsgeschichte eigentlich nur zu gut, dass Nationalismus und Kriegseuphorie im Ersten Weltkrieg, Rassenpolitik und »NS-Weltanschauung« in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht zuletzt von akademischen Milieus und universitärer Forschung getragen worden waren; dass die Universität auch in der Folgezeit keine Bastion ausschliesslich linker Weltverbesserei war – ob nun qua »Militärisch-industrieller Komplex« oder (zunehmend) »unternehmerische« Forschungsanstalt –, ist ebenfalls kein Geheimnis.22 Statt also Universitäten als »linke« Orte zu stilisieren, an denen »rechte« Positionen als Fremdkörper auftreten, gilt es, diesen Topos zu historisieren: Die Klage über die »linke Universität« weist bekanntlich selbst eine lange Geschichte auf – vom 1970 gegründeten konservativen »Bund Freiheit der Wissenschaft« über die Bemühungen um eine »geistig-moralische Wende« parteinaher Think-Tanks der CDU/CSU hin zu den Debatten um Political Correctness oder »Postmoderne« in den 1990er Jahren.23
Zweitens, und damit zusammenhängend, fällt auf, dass viele bestehende Analysen der »Neuen Rechten« im Modus der Ideologiekritik funktionieren und in erster Linie um Personen, deren Netzwerke und politische Zuordnung kreisen. Im Fokus stehen die Texte ihrer Protagonist*innen, deren politischer Gehalt hinter der »wissenschaftlichen Fassade« aufgedeckt werden soll, die diese errichtet hätten. Systematische Zusammenhänge und disziplinäre Kontextualisierungen dagegen bleiben zumeist aussen vor; also etwa die Frage, wie Wissenschaft »gemacht« wird, wie sie – etwa in Form von Beratung, Auftragsforschung und Expertisen – politisch-institutionell »verarbeitet« wird und in welchen Formaten und Interaktionen sie in öffentlich-mediale Debatten einfliesst. Übersehen wird mit diesem Fokus ferner, wie das System der Wissensproduktion – nicht selten unter der Devise »Freiheit der Forschung« – zunehmend selbst in den Sog von Partikularinteressen kam, während Demokratisierungsbestrebungen ins Hintertreffen gerieten: Seit den 1970er Jahren ist diese Entwicklung geprägt durch die Ausweitung von an Universitäten angedockten, teils privat-finanzierten »An-Instituten«, GmbHs, Ausgründungen, Transferstellen, Stiftungen, Drittmittelprojekten usw. Dazu gesellte sich eine sich pluralisierende und zunehmend gewichtigere Medienlandschaft, die die Kopplung von Wissensproduktion an politisch-wirtschaftliche Interessen und ihre Ausrichtung auf öffentlichkeitswirksame Debatten weiter vorangetrieben hat.
Drittens wird die Auseinandersetzung um »konservative« Wissenschaft tendenziell auf dem Feld und anhand der »weichen«, theoretisch-hermeneutischen Geistes- und Sozialwissenschaften geführt: Der Verdacht ihrer Ideologieanfälligkeit liegt vermeintlich auf der Hand, wobei übersehen wird, dass nicht zuletzt auch die »harten« Natur- und Technikwissenschaften in rechte Wissenspools einflossen bzw. Element konservativer Politiken waren und sind. Dabei wies Claus Leggewie schon Mitte der 1980er Jahren darauf hin, wie wichtig es wäre, den Blick auf das erweiterte Spektrum der »Igitt-Disziplinen« zu lenken: Diese stünden zwar in der Zeit- und Intellektuellengeschichte stets »im Schatten der eloquenten Geistes- und Sozialwissenschaftler«, würden aber, so Leggewie damals, entscheidend an der Formierung »rechten Wissens« Anteil nehmen: Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Technik- und Naturwissenschaften, Medizin- und Biowissenschaften.24 Auch die erwähnte Sorge um den Wissenschaftsstandort Deutschland im internationalen »Konkurrenzkampf« gehört hierzu. Werden diese disziplinären Kontexte übersehen, werden damit nicht nur unter der Hand Teilbereiche von Wissenschaft für das Ganze generalisiert; aus dem Blick geraten so nicht zuletzt die vielfältigen Schauplätze, auf denen »rechte« Politik und Wissenschaften ineinandergriffen.
Die Formel vom »rechten Wissen«, so wie hier verwendet, soll eine andere Perspektive öffnen: nicht auf einen bestimmten Wissenskanon, wie ihn die »Neue Rechte« in verschiedenen Lexikonprojekten selbst immer wieder festzulegen gesucht hat.25 Sie soll als heuristische Wendung vielmehr Fragen nach dem Verhältnis von Wissen und Rechten aufwerfen und zur Reflexion der sich wandelnden Konstellationen zwischen Politik und Universität im weiten Feld von Konservatismus, Rechtspopulismus und »Neuer Rechter« einladen. In den Blick rücken soll also das Handeln ganz unterschiedlicher Akteure ebenso wie die sich wandelnden Wissensstrukturen – universitäre Drittmittelforschung, Think-Tanks, elitäre Zirkel, Zeitschriftenprojekte –, in denen »rechtes Wissen« geschaffen, verändert und verbreitet wurde und auch in wissenschaftspolitischer Hinsicht an Boden gewinnen konnte. Dabei muss sich das Forschungsinteresse nicht nur auf jene Personen und Kontexte beschränken, denen etwa an den Universitäten gewöhnlich politische Bedeutung zugeschrieben werden. Wichtig ist es, den Blick auch auf jene disziplinären Felder und Bereiche des Wissenschaftssystem zu richten, die unter dem Radar der politischen Debatte geblieben sind. Zur Debatte steht damit auch die historisch spezifische Sicht- und Unsichtbarkeit von »rechtem Wissen«, die sich von Fall zu Fall sehr unterschiedlich gestalten konnte: Nur selten wurde es so offensiv als ein »rechtes« ausgegeben, wie in den oben erwähnten Selbstkanonisierungen, meist jedoch in Begrifflichkeiten von »Neutralität«, »Objektivität« und »Pluralismus« gehüllt.
Sichtbar gemacht wurde die Einordnung als »rechtes Wissen« zumeist von anderen – sei es im Rahmen medialer Skandalisierung, wie sie etwa Konrad Lorenz in den 1970er Jahren angesichts seiner wissenschaftlichen Aktivitäten zur Zeit des Nationalsozialismus ereilten;26 sei es im Rahmen eines antifaschistischen Sammlungs- und Dokumentationsaktivismus, wie er seit den 1980er Jahren entstand;27 sei es im Rahmen fach-interner und/oder öffentlicher Auseinandersetzungen um die Grenzen von Wissenschaft und Politik (etwa in der sogenannten »Finalisierungsdebatte« der 1970er Jahre oder im Historikerstreit in den 1980ern). In ähnlicher Weise wurde »rechtes Wissen« regelmässig als Beobachtungsgegenstand von Sozial- und Politikwissenschaftler*innen sichtbar, die sich um systematische Bestandsaufnahmen »rechter« Wissenspolitiken bemüh(t)en.28 In all diesen Fällen blieb sein Status als »rechtes« Wissen umstritten, konkurrierten unterschiedliche Einschätzungen zu seiner politischen Bedeutung. Auch für die Vergangenheit ist die Charakterisierung als »rechtes Wissen« als eine politische Formel zu denken, die ihrerseits auf dahinterstehende Vorstellungen und Motive und ihre jeweiligen Wissens- und Forschungsfelder befragbar ist.
In diesem Sinn – Fokus auf Kontexte und Strukturen statt auf »Vordenker«; Erweiterung des disziplinären Spektrums und der untersuchten Wissensakteur*innen; Reflexion der eigenen Forschungsperspektive – behandeln die hier versammelten Essays Entwicklungen und Konstellationen »rechten Wissens« und versuchen, diese innerhalb der strukturellen Verschiebungen des Wissenschaftsbetriebs seit den 1960er Jahren zu verorten. Die Bandbreite erstreckt sich dabei von den Anfängen der französischen »Neuen Rechten« am Beispiel von Alain de Benoists Wissensarbeit zwischen Schreibtisch und Fernsehen (Patrick Gut und Ricardo Stalder) über die akademische Sozialisation des »Nationalrevolutionärs« Henning Eichberg (Lukas Rathjen) hin zu den sozialwissenschaftlichen Diskursen um Helmut Kohls »geistig-moralische Wende« im Westdeutschland der 1980er Jahre (André Semadeni). Die weiteren Beiträge widmen sich Entwicklungen in und seit den 1990er Jahren: der Rolle von wirtschaftswissenschaftlichem Wissen und neoliberalen Diskursen in der Anti-EWR-Kampagne der Schweizer SVP (Sascha Deboni); der Mischung aus Cyber-Utopien und Antiakademismus an der »Cybernetic Culture Research Unit« der Universität Warwick als Urszene des »Dark Enlightenment« (Simon Kräuchi); dem Antifeminismus der französischen Rechten (Emmanuelle Maciel) sowie den politikwissenschaftlichen und neurechten Debatten um »Postdemokratie« (Anna Morawietz).
Damit sind einige, aber natürlich bei weitem nicht alle Themen benannt, in denen wissenschaftliche Forschung und rechte Positionen interagierten und zum Teil weiterhin interagieren. Die Beiträge greifen die hier skizzierte heuristische Perspektive »rechtes Wissen« in unterschiedlicher Weise auf und erproben sie für die jeweils gewählten Themenbereiche. Ihr Blick legt dabei verschiedene Konstellationen rechter Politik und wissenschaftlicher Forschung frei, die auch dazu auffordern, nicht nur die aktuellen Debatten um neue Themen- und Aktionsfelder der »Neuen Rechten« historisch zu perspektivieren, sondern auch das Verhältnis von Wissen und Politik heuristisch zu schärfen.
Max Stadler ist Wissenschafts- und Technikhistoriker, z.Z. Vertretungsprofessor an der Bauhaus-Universität Weimar. Janosch Steuwer ist Historiker und lehrt am Arbeitsbereich Historische Erziehungswissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg. Monika Wulz ist Wissenschaftshistorikerin und Philosophin und lehrt im Bereich Wissenschaftsforschung an der Universität Luzern.
Abb. 1: »Participez vous aussi ...«, Beilage zu: éléments: pour la civilisation européenne 33 (Februar/März 1980).
Abb. 2: Jean-Jacques Servan-Schreiber: Die amerikanische Herausforderung, Hamburg: Hoffmann und Campe (1968), Cover.
Abb. 3: Armin Mohler (Hg.): 25 Jahre Carl Friedrich von Siemens Stiftung. Eine Dokumentation, München: Carl Friedrich von Siemens Stiftung (1985), Cover.
Abb. 4: »Wir freuen uns ...«, Beilage zu: Studienzentrum Weikersheim e.V. (Hg.): Die Stellung der Wissenschaft in der modernen Kultur, Mainz: v. Hase und Koehler (1984).
Abb. 5: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hg.): Plädoyer für die Vernunft: Signale einer Tendenzwende, München: Herder (1974) (= Herderbücherei INITIATIVE 1), Cover.
Abb. 6: Iring Fetscher (Hg.): Neokonservative und ›Neue Rechte‹. Der Angriff gegen Sozialstaat und liberale Demokratie in der Bundesrepublik, Westeuropa und den Vereinigten Staaten, München: C.H. Beck (1983), Cover.
- 1
»Der Geist steht rechts« konstatierte Claus Leggewie 1986 mit seinem einschlägigen Buch zu den »Denkfabriken« der geistig-moralischen Wende der BRD-Kanzlerschaft Helmut Kohls. Vgl. Claus Leggewie: Der Geist steht rechts: Ausflüge in die Denkfabriken der Wende, Berlin: Rotbuch Verlag (1987).
- 2
Siehe etwa Thomas Wagner: Die Angstmacher: 1968 und die Neuen Rechten, Berlin: Aufbau Verlag (2017); Volker Weiß: Die autoritäre Revolte: Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart: Klett-Cotta (2017); Christian Fuchs, Paul Middelhoff: Das Netzwerk der Neuen Rechten: Wer sie lenkt, wer sie finanziert und wie sie die Gesellschaft verändern, Reinbek: Rowohlt (2019).
- 3
Wie historische Analysen zeigen, veränderte sich in diesem Moment das Verhältnis von Politik und Wissen strukturell (vgl. z.B. Peter Weingart: »Verwissenschaftlichung der Gesellschaft – Politisierung der Wissenschaft«, in: Zeitschrift für Soziologie 12/3 (1983), S. 225–241). Gemeint ist damit nicht nur die Student*innen-Bewegung, im Zuge derer Universität stark politisiert wurde, und zwar eben nicht nur von links, sondern auch etwa durch die »Reaktion« konservativer Student*innen wie Professoren (vgl. Anna von der Goltz: The Other ‘68ers: Student Protest and Christian Democracy in West Germany, Oxford: Oxford University Press (2021)). Die Verflechtung von Wissen und politischen Diskursen manifestierte sich zudem im Nachklang der Rezession 1966/67 in zunehmenden ökonomischen Ansprüchen, die an Forschung gestellt wurden (Stichwort: »amerikanische Herausforderung«). Ähnliche Ansprüche kamen von Seiten staatlicher Politik und Verwaltung in Bezug auf Bildung, Gesundheit oder Umwelt.
- 4
Vgl. Moritz Neuffert, Morten Paul: »Rechte Hefte: Zeitschriften der alten und neuen Rechten nach 1945«, in: eurozine (November 2018), https://www.eurozine.com/rechte-hefte/.
- 5
Alain de Benoist: Kulturrevolution von rechts: Gramsci und die Nouvelle Droite, Krefeld: Sinus (1985), S. 17.
- 6
»Den alten Volksgeist erwecken: Alain de Benoist über die ›Verwurzelungs‹-Ideologie der französischen Neuen Rechten. Spiegel-Gespräch mit Alain de Benoist«, in: Der Spiegel 34 (1979), S. 159.
- 7
»Was will JUNGES FORUM?« (o.V.), in: Junges Forum 5 (Oktober 1972), Impressumseite. Zur Hegemonie der Soziologie und Ethologie in dieser Zeit siehe auch Erika Milam: Creatures of Cain: The Hunt for Human Nature in Cold War America, Princeton: Princeton University Press (2018).
- 8
Franz J. Strauß (Vorwort), in: Jean-Jacques Servan-Schreiber: Die amerikanische Herausforderung, Hamburg: Hoffmann und Campe (1968), S. 9; S. 13.
- 9
Siehe etwa Wolfram Wette (Hg.): Hans Filbinger – eine deutsche Karriere, Springe: zu Klampen (2018); Meinrad Heck: »Studienzentrum Weikersheim: Der Club der rechten Denker«, in: Stephan Braun, Daniel Hörsch (Hg.): Rechte Netzwerke – eine Gefahr. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (2004), S. 95–101; zum Programm der Siemens Stiftung vgl. Armin Mohler (Hg.): 25 Jahre Carl Friedrich von Siemens Stiftung: Eine Dokumentation, München: Carl Friedrich von Siemens Stiftung (1985).
- 10
Zur zeitgenössischen Diskussion siehe etwa Helmut Dubiel: Was ist Neokonservatismus?, Frankfurt am Main: Suhrkamp (1985).
- 11
Vgl. u.a. (aus der Reihe »Schriften der Carl Friedrich von Siemens Stiftung«): Schicksal? Grenzen der Machbarkeit. Ein Symposion (o.V.), München: dtv (1977); Hubert Markl (Hg.): Natur und Geschichte, München: Oldenbourg (1983); Heinz Gumin, Armin Mohler (Hg.): Einführung in den Konstruktivismus, München: Oldenbourg (1985).
- 12
Siehe etwa Studienzentrum Weikersheim e.V. (Hg.): Die Stellung der Wissenschaft in der modernen Kultur, Mainz: v. Hase und Koehler (1984); Studienzentrum Weikersheim e.V. (Hg.): Die Medien – das letzte Tabu der offenen Gesellschaft, Mainz: v. Hase und Koehler (1986).
- 13
Vgl. Martin Beddeleem: »Freiheit (Michael Polanyi: Science, Faith and Society, 1951)«, in: Monika Wulz, Max Stadler, Nils Güttler, Fabian Grütter (Hg.): Deregulation und Restauration: Eine politische Wissensgeschichte, Berlin: Matthes & Seitz (2021), S. 56–73.
- 14
Symptomatisch siehe etwa: Kurt Hübner, Nikolaus Lobkowicz, Hermann Lübbe, Gerard Radnitzky (Hg.): Die politische Herausforderung der Wissenschaft: Gegen eine ideologisch verplante Forschung, Hamburg: Hoffmann und Campe (1976); und weiterführend: Ariane Leendertz: »›Finalisierung der Wissenschaft‹. Wissenschaftstheorie in den politischen Deutungskämpfen der Bonner Republik«, in: Mittelweg 36 4/22 (2013), S. 93–121.
- 15
Holger Wendel, zitiert in: Rainer Rilling: »Ist der ›unpolitische Wissenschaftler‹ noch die Leitfigur konservativer Wissenschaftspolitik?«, in: Intelligenz, Intellektuelle und Arbeiterbewegung in Westeuropa (o.V.), Frankfurt am Main: IMSF, S. 260–264, hier S. 260; zu den streckenweise analogen (aber besser erforschten) wissenschaftspolitischen Entwicklungen in den USA und Grossbritannien in diesen Jahren siehe David Dickson: The New Politics of Science, Chicago: University of Chicago Press (1984); Jon Agar: Science Policy Under Thatcher, London: UCL Press (2019).
- 16
Der Bundesminister für Forschung und Technologie (Hg): Bundesbericht Forschung 1984, Bonn: BMFT (1984), S. 3; S. 20; zu den Wissenschaftsvorstellungen von neokonservativer und neoliberaler Seite vgl. auch Max Stadler, Monika Wulz: »Neben Feyerabend: Wissenschaftsforschung neokonservativ«, in: Nach Feierabend. Zürcher Jahrbuch für Wissensgeschichte 15 (2020), S. 49–61.
- 17
Zitiert nach Christian Merten: »›Kulturrevolution‹ – ein Anachronismus? Basis/Überbau-Verhältnis und Kulturrevolution im Neokonservatismus«, in: kultuRRevolution. zeitschrift für angewandte diskurstheorie 5 (Februar 1984), S. 39–43, hier S. 40; neben Strauß tat sich v.a. der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) als fortschrittsgesinnter »High-Technokrat« hervor. Vgl. z.B. Claus Leggewie: »Cleverle und die Postkonservativen: Bericht aus der Zukunft eines Musterlandes«, in: Badische Zeitung (22.8.1987), S. 5.
- 18
Siehe etwa Gerard Radnitzky: »›Alternative Wissenschaft‹ entspringt purer Ideologie«, in: Hochschulpolitische Informationen 14/11 (1980), S. 3–5; Heinrich Meier, »Die Herausforderung der Evolutionsbiologie«, in: ders. (Hg.): Die Herausforderung der Evolutionsbiologie, München: Piper (1988), S. 7–18, hier S. 17.
- 19
Gerd-Klaus Kaltenbrunner: »Vorwort des Herausgebers«, in: ders. (Hg.), Die Herausforderung der Konservativen: Absage an Illusionen, München: Herder (1974) (= Herder Initiative 3), S. 9f. Die im Herder-Verlag verlegte Taschenbuch-Reihe Kaltenbrunners wurde damals auch im Feuilleton intensiv verfolgt; vgl. z.B. Hermann Rudolph: »Initiative gegen den Zeitgeist. Neue Taschenbuchreihe, herausgegeben von Gert [sic]-Klaus Kaltenbrunner«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (12.11.1974), S. 11.
- 20
Karl Steinbuch: »Die technische Intelligenz als politische Kraft: Versuch einer Abgrenzung gegenüber den Konservativen – 2. Teil«, in: VDI nachrichten 7 (Februar 1971), S. 11, hier S. 11.
- 21
Die Annahme, dass »die Wissenschaft« (eigentlich) ein inhärent liberales Unterfangen ist, oder jedenfalls nur unter demokratischen Bedingungen florieren kann, ist allerdings auch darüber hinaus weit verbreitet bzw. in westlich-kapitalistischen Gesellschaften historisch tief verankert: Man denke hier etwa an Robert Mertons »Normen« (1942), Sir Karl Poppers Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (1945), überhaupt die anti-kommunistische Ideologie des Kalten Kriegs, die nicht zuletzt auf der Engführung von wissenschaftlicher und wirtschaftlicher »Freiheit« beruhte. Siehe dazu etwa Audra Wolfe: Freedom’s Laboratory: The Cold War Struggle for the Soul of Science, Baltimore: John Hopkins University Press (2018).
- 22
Aus einer Fülle an Literatur vgl. zum deutlich besser erforschten Fall der USA: Elizabeth Popp Berman: Creating the Market University: How Academic Science Became an Economic Engine, Princeton: Princeton University Press (2012); Sarah Bridger: Scientists at War: The Ethics of Cold War Weapons Research, Cambridge/MA: Harvard University Press (2015). Zur entsprechenden zeitgenössischen Diskussion in der BRD siehe etwa Rainer Rilling: »Zur Analyse des ›militärisch-industriellen Komplexes‹ der BRD«, in: Internationaler Dialog 4 (1971), S. 360–369; »Hochschule: Prinzessin oder Hure?« (o.V.), in: Der Spiegel 44 (Oktober 1988), S. 86–99.
- 23
Siehe dazu insbesondere: Claus Leggewie: Der Geist steht rechts: Ausflüge in die Denkfabriken der Wende, Berlin: Rotbuch Verlag (1987); Nikolai Wehrs: Protest der Professoren: Der »Bund Freiheit der Wissenschaft« in den 1970er Jahren, Göttingen: Wallstein (2014).
- 24
Claus Leggewie: Der Geist steht rechts: Ausflüge in die Denkfabriken der Wende, Berlin: Rotbuch Verlag (1987), hier S. 22.
- 25
Vgl. z.B. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch [1949]. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (1989); Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hg.): Rekonstruktion des Konservatismus, Freiburg: Rombach (1972); Erik Lehnert, Karlheinz Weißmann (Hg.): Staatspolitisches Handbuch, Bd. 5, Schnellroda: Edition Antaios (2009-2017).
- 26
Klaus Taschwer, Benedikt Föger: Konrad Lorenz. Biographie, Wien: Paul Zsolnay (2003), S. 231ff.
- 27
Ein Beispiel hierfür wäre der Bestand »Rechte Ökologen« im Archiv Soziale Bewegungen, Freiburg.
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Zu erwähnen sind hier im deutschsprachigen Raum insbesondere: Claus Leggewie: Der Geist steht rechts: Ausflüge in die Denkfabriken der Wende, Berlin: Rotbuch Verlag (1987) sowie die damaligen Analysen zu Neokonservativismus, »Neuer Rechter«, Intelligenz- und Verhaltensforschung, darunter z.B. Iring Fetscher (Hg.): Neokonservative und »Neue Rechte«: Der Angriff gegen Sozialstaat und liberale Demokratie in der Bundesrepublik, Westeuropa und den Vereinigten Staaten, München: C.H. Beck (1983). In den 1990er Jahren: Astrid Lange: Was die Rechten lesen: Fünfzig rechtsextreme Zeitschriften. Ziele, Inhalte, Taktik, München: C.H. Beck (1993); Armin Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus: Eine kritische Bestandsaufnahme nach der Wiedervereinigung, Bonn: Bouvier Verlag (1993); Jens Mecklenburg (Hg.): Handbuch deutscher Rechtsextremismus (Antifa Edition), Berlin: Elefanten Press (1996).