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Rechtes Wissen: Konstellationen zwischen Universität und Politik
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Prolog: Zebras im Katavi-Nationalpark

Zebra-Herde in Tansania, aus: UNESCO Kurier, Themenheft »Die Rassen und der Rassenhass« (April 1965).

Prolog: Katavi-Nationalpark, Tansania

Im April 1965 veröffentlichte der UNESCO Kurier dieses Foto eines »gefleckten Zebras«, das »friedlich mit [seiner] Herde« im südwestlichen Tansania zusammenlebte. Das Bild sollte illustrieren, was ein internationales Komitee von 22 Wissenschaftler*innen aus Anthropologie, Medizin, Zoologie und Soziologie im gleichen Heft feststellte: dass sich »rassistische Theorien […] in keiner Weise auf eine wissenschaftliche Grundlage berufen [können]« und dass »die Anthropologen zu verhindern suchen [sollten], daß die Ergebnisse ihrer Forschung so entstellt werden, daß sie nichtwissenschaftlichen Zwecken dienen können«. Auch die Natur, so sollte das Bild zeigen, störe sich nicht an anderem Aussehen. Das »gefleckte Zebra«, ergänzte die Bildunterschrift, habe »inzwischen ebenfalls ein geflecktes Fohlen geworfen«.1

Im Dezember 1965 druckte die rechtsextreme Zeitschrift Nation Europa das Foto wieder ab. Dort sollte es allerdings einen gegenteiligen Sachverhalt dokumentieren: wie die »erschreckten Tiere sich – wie es ihrem Instinkt entspricht – eng zusammenrudeln […]. Alle stehen in der Phalanx – aber leider nicht die Außenseiterin, die arme segregierte gefleckte Stute«. »Von Verhaltensforschung scheinen unsere Kollegen vom ›Kurier‹ noch nichts gehört zu haben«, belustigte sich Nation Europa, sonst »hätten sie die Zebra-Panne vermieden«. Auch weitere Wissensgebiete ließen sich zur Rechtfertigung der Rassentheorie vermeintlich heranziehen: Der Bakteriologe und Mediziner Felix von Bormann hielt im gleichen Heft der »verworrenen Argumentation der 22 Rassenexperten« der UNESCO ein Plädoyer gegen die »Mischung« von »Rassen« entgegen.2

Die Auseinandersetzung um die Formen der Herstellung und Verbreitung, der Deutung und Aneignung von Wissen ist bis heute Teil einer Politik ›rechten‹ Wissens. Wie die Beiträge in diesem Heft zeigen, beschränkt(e) sich diese Politik nicht auf die Lebenswissenschaften – andere Wissensfelder wurden dafür ebenfalls mobilisiert, von der Ökologie über die Wirtschaftswissenschaften bis hin zur Kybernetik.

Literatur
  1. 1

    »Die biologischen Aspekte der Rassenfrage. Ein Dokument erster Ordnung« (o. V.), in: UNESCO Kurier 6/4, Themenheft »Die Rassen und der Rassenhass« (April 1965), S. 6–9; Bild und Bildunterschrift auf S. 16–17.

  2. 2

    Felix von Bormann: »Ein Pamphlet der UNESCO«, in: Biopolitik 1, Beiheft zu Nation Europa (Dezember 1965), S. 17–29. Die Zebra-Abbildung findet sich auf S. 25.