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Rechtes Wissen: Konstellationen zwischen Universität und Politik
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Lukas Rathjen

Im Windschatten der Innovation

Was kommt heraus, wenn Professoren an deutschen Universitäten das völkische Denken lehren, Umstrukturierungen im Universitätsbetrieb Freiräume für Forschungen eröffnen und Geistes- und Sozialwissenschaftler anfangen, sich für Entwicklungshilfe zu interessieren?

1973 veröffentlichte der junge Historiker, Sportwissenschaftler und Vordenker der ›Neuen Rechten‹ Henning Eichberg seinen wegweisenden Aufsatz »Ethnopluralismus. Eine Kritik des naiven Ethnozentrismus und der Entwicklungshilfe« in der von Lothar Penz gegründeten nationalrevolutionären Zeitschrift Junges Forum. Eichberg publizierte, anfangs unter dem Pseudonym Hartwig Singer, seit 1967 regelmässig in diesem Blatt, das als Sprachrohr eines Arbeitskreises fungierte, der durch antikapitalistische und völkisch-nationale Theoriearbeit rechtes Denken erneuern wollte. Doch keiner seiner Aufsätze entfaltete einen solch weitreichenden und anhaltenden Einfluss wie dieser: Noch heute gilt er als Ausgangspunkt der Neuformulierung rassistischen Denkens in der »Neuen Rechten«.1

Überzeugten Szientist*innen erscheinen solche Texte als tragisch: wieder ein Wissenschaftler, der sein Denken nicht vor politischen Ideologien geschützt habe. Aber letztlich seien solche Fälle nicht der Rede wert, weil Eichberg hier nur als Privatperson seine ›Meinung‹ verkündet habe und nicht als Wissenschaftler agiere. Doch diese Sichtweise greift zu kurz, wie sich an seinem Fall besonders deutlich zeigt. Denn der junge Akademiker hatte seine Überlegungen zum Ethnopluralismus einige Wochen vor seinem Text im Jungen Forum zunächst in einer ausführlicheren Fassung in der renommierten Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte veröffentlicht.2 Dieses sich scheinbar widersprechende Nebeneinander einer zeitgleichen Veröffentlichung in einer wissenschaftlichen und einer politischen Zeitschrift lässt sich nicht aus der Welt schaffen, wenn Autor und Text die Wissenschaftlichkeit abgesprochen werden. Nicht nur wurde das in diesem Aufsatz Gesagte für und in einer Wissenschaft entwickelt. Auch die nationalrevolutionäre Zeitschrift Junges Forum beanspruchte ihrer Selbstbeschreibung nach einen Platz innerhalb der wissenschaftlichen Diskurslandschaft. Eine Aussage, die man ernst nehmen, statt relativieren sollte. Entsprechend setzt sich diese Arbeit zum Ziel jene Institutionen und Diskurse in der Bundesrepublik Deutschland herauszuarbeiten, in deren Umfeld in den 1970er Jahren die Theorie des Ethnopluralismus entstand. Gezeigt werden soll, dass es sich bei dieser innerhalb der ›Neuen Rechten‹ einflussreichen Theorie nicht um das reaktionäre Produkt eines akademischen Eigenbrötlers handelt, sondern dieselbe aus staatlich geförderten Entwicklungsprogrammen sowie sozial- und geisteswissenschaftlicher Spitzenforschung hervorging. Der Ethnopluralismus stellt das Produkt einer ›innovativen‹ Phase in der Wissensgeschichte der Bundesrepublik Deutschland dar, von der man bis dato ›rechte Theorie‹ ausgeschlossen hat.

Wie notwendig ein solches Vorgehen ist, lässt bereits jene Frage erkennen, die sich das Junge Forum in seinem Editorial in jeder Ausgabe stellte:

»Welche Weltanschauung ist den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen (Verhaltensforschung, Soziologie, Strukturgeschichte, Sozialpsychologie u.a.) adäquat?«3

Bemerkenswerter als die Tatsache, dass als Massstab bei der Ausarbeitung einer Weltanschauung in einer neurechten Zeitschrift die Übereinstimmung mit einem wissenschaftlichen Erkenntnisfeld dient, ist dabei die in der Klammer zum Vorschein kommende Erläuterung dieses »modernen wissenschaftlichen« Wissens. Die hier aufgelisteten Disziplinen und Fachrichtungen verweisen auf ein spezifisch historisches Wissensfeld in der Bundesrepublik um 1970, dessen Dunstkreis sich in diesem Rahmen nur angenähert werden kann.4

Abb. 1: Alles ist relativ, weiß auch die Neue Rechte. Für Eichberg lasse sich die historische und kontingente Entstehung eines universell und absolut geglaubten Rationalismus am neuzeitlichen Festungsbau ebenso gut veranschaulichen wie an dem »Paradigmenwechsel« der eigenen Disziplin. Als Technikhistoriker beobachtete und durchlief er den epistemologischen Wandel der Technikgeschichte in den 1960er- und 1970er-Jahren, als sie sich von einer fortschrittsgläubigen in eine kritische Wissenschaft transformierte und in diesem Zuge technische Vernunft neu bestimmte.

Ob im Taschenbuch aus dem Ausland importiert (Claude Lévi-Strauss, Noam Chomsky, Herbert Mead) oder aus dem Inneren des bundesrepublikanischen ›Treibhauses‹ (Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Konrad Lorenz) – Wissen, ca. 1970 liesse sich mit Adjektiven wie ›struktural‹, ›empirisch‹, ›anthropologisch‹ oder ›interdisziplinär‹ beschreiben. Ohne die Aufzählung von Junges Forum als repräsentativ gelten lassen zu wollen, entspricht sie damit doch der allgemeineren wissenschaftsgeschichtlichen Annahme einer Dominanz der Human- und Sozialwissenschaften nach 1968, deren Aufstreben sich auch am Werdegang Eichbergs ablesen lässt.5

Eichbergs Aufsätze zum Ethnopluralismus lesen sich als Antwort auf die im Jungen Forum gestellte Frage nach der den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen adäquaten Weltanschauung. Der Ethnopluralismus avancierte insofern zum Sinnhorizont der ›Neuen Rechten‹, als er versprach, den »Nationalismus in einer Welt der technologischen Imperialismen«6 zu denken und dem Neokolonialismus der ›Supermächte‹ die Authentizität ›unterdrückter‹ Volkskulturen gegenüberzustellen. Eichberg kritisierte hier das Bemühen westlicher Industrieländer sozioökonomische Unterschiede abzubauen als eine Fortsetzung des »schon immer humanitär selbstverstandenen, nicht selten aber zerstörerischen kolonialen Zivilisations- und Verhaltensexports«7 Europas. Ausgehend von dieser Kritik entwickelte der zu dieser Zeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Sozialforschung der Universität Stuttgart arbeitende Eichberg die Theorie des Ethnopluralismus, die Rechtsextremen seit den 1970er Jahren ermöglicht, so etwas wie einen »Rassismus ohne Rassen«8 zu propagieren: Ethnopluralisten sprechen nicht mehr von biologischer, sondern von kultureller Identität eines ›Volkes‹, die nur in der ›eigenen‹ Region zur Entfaltung kommen könne. Auch der Ethnopluralismus ist damit eine ausgrenzende und Fremdenfeindlichkeit befördernde Doktrin, insofern er Gemeinschaft auf einem homogenen Korpus von Verhaltensweisen begründet und an ein Territorium bindet.

Als Vorreiter einer solchen auf Ausarbeitung von kulturellen Ungleichheiten und Eigenheiten fokussierten Forschung gilt in der sich mit neurechtem Denken befassenden Ideengeschichte der französische Rechtsintellektuelle Alain de Benoist, in dessen Theoriezirkel GRECE man das Konzept des ethno-différencialisme bereits in den 1960er Jahren diskutierte.9 Wenn auch Eichberg seit 1966 Kontakte nach Frankreich pflegte und er die Begegnung mit Benoist und der Zeitschrift Europe Action (aus der später die Nouvelle Droite hervorging) als für seine politische Entwicklung zentral beschrieb, griffe es zu kurz im Ethnopluralismus ein lediglich französisches Importprodukt zu vermuten, das nur zu ›übersetzt‹ werden brauchte.10 Dies scheint die Geschichte zu sein, die Eichberg selbst erzählt, wenn er behauptet, den Unterschied zwischen der ›Alten‹ und ›Neuen Rechten‹ erfahren zu haben, als er 1966 den französischen Nationalisten der Fédération des Étudiants Nationalistes begegnete.11 Vorausgesetzt der ›Ethnopluralismus‹ sei die Weltanschauung jener ›Neuen Rechten‹, von der Eichberg hier spricht, dann erscheinen die Jahre zwischen 1966 und 1973 unselbständig als das blosse Nachwehen dieses Ereignisses – als Phase der Explikation eines neuen Verhältnisses zu Kapitalismus, Industrialisierung und (West-)Europa.12

Wie auch immer man den Besuch in Frankreich gewichten mag, es gilt diese Autobiographie nicht nachzuerzählen, sondern den ›Ethnopluralismus‹ aus einer wissenschaftspolitischen Praxis heraus zu rekonstruieren. Diese Theorie hat sich in Wissensfeldern und institutionellen Räumen entwickelt, die gleichermassen zur Speerspitze des Fortschritts zählten, wie sie dem Konservatismus und der Reaktion nahe standen. Sie bildeten ein institutionelles und personelles Feld im bundesrepublikanischen Wissenschaftsbetrieb der 1960er und 1970er Jahre, innerhalb dessen der deutsche Ethnopluralismus sich im Windschatten der Innovation und am ›Problem‹ der Entwicklungshilfe entfalten konnte. Im Folgenden wird dieser akademische »Entstehungsherd« näher betrachtet und das Umfeld Eichbergs – die Personen, ihre Forschungen und ihre Projekte – an den Universitäten Hamburg, Bochum und Stuttgart untersucht.

Studium in Hamburg

Der Ethnopluralismus stellt das Produkt einer ›innovativen‹ Phase in der Wissensgeschichte der Bundesrepublik Deutschland dar, von der man bis dato ›rechte Theorie‹ ausgeschlossen hat.

Eichbergs akademische Laufbahn steht seiner publizistischen Tätigkeit in nichts nach. In seiner Verweigerung, sich einem Fachgebiet zuzuordnen, wiederholt sich auf disziplinärer Ebene das Bild eines politischen Grenzgängers jenseits des Links-rechts-Schemas.13 Nach seinem Studium der Geschichte und Literatur in Hamburg (1964–68) promovierte er 1970 bei Albrecht Timm an der Ruhr-Universität Bochum mit einer Arbeit zur frühneuzeitlichen Militärgeschichte.14 1976 folgte die Habilitation mit einer soziologischen Arbeit bei Albrecht Kruse-Rodenacker und August Nitschke an der Universität Stuttgart, in deren Folge er seine Karriere als Sportwissenschaftler antrat.

Sein geisteswissenschaftliches Studium begann Eichberg 1962 unter günstigen Bedingungen. Es ist anzunehmen, dass er als Sohn des Pädagogen Ekkehard Eichberg, der zur selben Zeit seine Tätigkeit als Volksschullehrer aufgab, um eine Stelle als Assistent von Georg Geissler am Hamburger Seminar für Erziehungswissenschaften anzutreten, bereits früh den Universitätsbetrieb kennen lernte und nicht zuletzt die Stimme seines Vaters nutzte, um hier Verbindungen zu knüpfen. Ein erster solcher Kontakt war sicherlich Albrecht Timm – sein späterer Doktorvater, der sich ebenso wenig wie Eichberg im Feld der konventionellen Disziplinen einordnen liess.

Timm war ursprünglich Mediävist und bis 1955 ausserordentlicher Professor in Ost-Berlin, bis er Mitte der 1950er Jahre durch die Fürsprache Otto Brunners einen Lehrauftrag am Historischen Seminar der Universität Hamburg erhielt. Brunner, Mediävist und Verfasser des innerhalb der Mediävistik einflussreichen Buches Land und Herrschaft (1939), für das er 1941 den von der NSDAP verliehenen Verdunpreis erhielt, wurde zwar im Zuge der Entnazifizierung des Amtes enthoben, von der Universität Hamburg aber 1954 als Nachfolger des Ostforschers Hermann Aubin auf eine Professur berufen.15 Den neu gewonnenen wissenschaftspolitischen Einfluss nutzte Brunner, um Vertreter seines Faches – Gleichgesinnte wissenschaftlicher wie auch politischer Art – ans Hamburger Seminar zu binden. Timm passte als Mediävist mit volkshistorischem Schwerpunkt ideal in dieses Umfeld. Zwar musste er sich aus karrieristischen Gründen – einem Rat Brunners folgend – auf die Frühe Neuzeit umhabilitieren, doch zahlte sich diese Strategie 1958 aus: Timm wurde zum ausserplanmässigen Professor für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Hamburg ernannt. Als solcher hielt er zahlreiche Übungen und Kolloquien ab, die wegen ihres kleinen Kreises eine »persönlichere Bindung zum Dozenten« erlaubten.16

Abb. 2: Ein jüdischer Remigrant reicht dem Bundespräsidenten die Hand, und ein NS-belasteter Universitätsrektor schaut zu. Theodor Heuss, Otto Brunner und Siegfried Landshut (v. l. n. r.) bei der Verleihung des Hansischen Goethe-Preises 1959 in Hamburg.

Unter den Veranstaltungen stach in den 1960er Jahren das »Collegium Politicum« hervor, das sich als selbstorganisierte, studentische Gruppe unter der Leitung Timms mit ›gesamtdeutschen‹ Fragen beschäftigte und schon im Gebrauch des Begriffs ›Mitteldeutschland‹ die Oder-Neisse-Grenze in Frage stellte. Von einem regen politischen Interesse zeugt auch Timms Teilnahme an einer Tagung der rechts-konservativen Abendländischen Akademie über das »Epochenjahr 1945« und den Umgang mit der NS-Vergangenheit im Herbst 1960.17

Brunners Lehrstuhl ist als Umfeld von Eichberg sowohl aus wissenschaftspolitischer wie auch forschungsgeschichtlicher Perspektive von Interesse. Zusammen mit dem ehemaligen NS-Ostforscher Werner Conze, gründete Brunner 1957 den Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte – ein überregionales Netzwerk von Sozial- und Strukturhistorikern (neben Conze nahm unter anderem auch Theodor Schieder teil, der mit seinen Forschungen im Nationalsozialismus das wissenschaftliche Fundament für den Generalplan Ost gelegt hatte). Erst seit den 2000er Jahren hat man begonnen, die NS-Vergangenheit dieser Innovatoren im Bereich der deutschen Geschichtswissenschaft herauszuarbeiten.18 Brunner bemühte sich darüber hinaus in seiner Funktion als Dekan und Rektor um die Förderung regional- und volksgeschichtlicher Arbeiten. Seine wissenschaftlichen Ansichten und Methoden hatten sich dabei seit Land und Herrschaft nicht sonderlich verändert: Immer noch betonte er die Wichtigkeit einer quellennahen Sprache; immer noch gewannen Abstrakta wie ›Land‹ für ihn nur vollzugshistorisch ihre Existenz.19 Zweifelsohne hat dieses theoretische Gerüst Brunners den Historiker Eichberg und seine eigene »Praxeologie des Volkes« (wie er sie beispielhaft am Sport skizzierte) beeinflusst. Noch in seinen letzten Texten meint man Brunner herauslesen zu können, wenn Eichberg in der Zeitschrift Volkslust, die Verfassung (Herrschaft) nicht ohne die Volkspraxis (Land) zu denken vermag.20

Promotion in Bochum

Timm verliess Hamburg 1966 für einen Ruf auf den ersten Lehrstuhl für Wirtschafts- und Technikgeschichte der Bundesrepublik an der gerade neu gegründeten Ruhr-Universität Bochum. Er avancierte damit zum Vertreter einer in der westdeutschen Forschungslandschaft noch unbekannten Disziplin.21 Eichberg folgte ihm wenig später als Promovend mit einer militär- und technikhistorischen Arbeit über Schwedenfestungen im 17. Jahrhundert in den Herzogtümern Bremen und Verden.

Im Gründungsausschuss der Universität Bochum (und damit mit erheblichem Einfluss auf Timms Berufung) sass der bereits erwähnte Conze. Gesucht wurde ein Historiker für »ein Fach, in dem es noch kein Lehr- oder Handbuch, im Grunde genommen keine Nomenklatur oder Methodologie und kaum Ansätze für eine systematische Quellenanalyse«22 gebe, so Timm in einer Selbstverortung 1967. Dass er anpassungsfähig war, hatte der aus der DDR emigrierte Mediävist nicht nur mit dem Wechsel seines Forschungsschwerpunktes in die frühe Neuzeit bewiesen, sondern implizit auch durch seine Dienste in drei unterschiedlichen politischen Systemen. Wenn Letzteres hier als ›Kompetenz‹ erscheint, dann weil Timm den notwendigen Systemwechsel, mit dem sich eine ganze Generation konfrontiert sah, mit beispielloser Reibungslosigkeit meisterte. Darüber hinaus war er für Conze ein weiterer Vertreter der eigenen historischen Schule: einer Sozial- und Strukturgeschichte, wie sie dieser zusammen mit Brunner seit den 1950er Jahren betrieben und programmatisch verbreitet hatte.23

Während seiner Zeit in Bochum übernahm Timm verschiedene wissenschaftspolitische Ämter. So war er zeitweise Präsident der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte sowie Mitglied der Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik. Timms Bemühen um disziplinenübergreifende Zusammenarbeit spiegelt sich in diesen Projekten ebenso wie in eigenen Forschungen wider. Neben engen Kontakten zu Ingenieuren, Naturwissenschaftlern und Medizinern berief er sich bei seinen Arbeiten vor allem auf die Soziologie – darunter auch auf marxistische Studien, deren Einfluss allerdings erst 1973 im Zuge einer Plagiatsaffäre sichtbar wurde.24 An der Seite seines Doktorvaters kam Eichberg nicht nur intensiv mit der Geschichte von westlicher Industrialisierung und Modernisierung in Kontakt, sondern auch mit ihrer Problematisierung: Timm beklagte in öffentlichen Reden die »Traditionslosigkeit im freien Deutschland«25 und zog sich 1973 auf die Holz- und Feldwege des Schwarzwalds zurück.

Abb. 3: Wer wie Albrecht Timm mit dem Rennrad unterwegs ist, weiss: im Windschatten fährt es sich besser. Gekonnt inszeniert sich der renommierte Technikhistoriker in dieser Fotogafie als ›Praktiker‹.

Bereits 1966 hatte Timm zusammen mit dem einstigen Vertreter der »Konservativen Revolution« Hans Freyer den Strukturwandel des industriellen Systems im 20. Jahrhundert kritisch untersucht und 1968 mit Verlust der Muße eine Verfallsgeschichte entworfen, die ihn nun auch diskursgeschichtlich dem rechts-konservativen Milieu der BRD zuordnete.26 Eine rechts-konservative bis nationale Gesinnung legten bereits seine 1961 am Beispiel des Kyffhäuser27 erfolgten Arbeiten zum »deutschen Selbstbewußtsein« nahe, zumal Timm im selben Jahr in den Vorstand des Mitteldeutschen Kulturrats gewählt wurde.28 Rückblickend beschrieb Timm seine Beschäftigung mit dem Kyffhäuser wie folgt:

»Hier ging und geht es mir darum, Fragen des Nationalgefühls und des Nationalbewußtseins der Vergangenheit aufzuwerfen und sie mit aktuellen Fragen unserer Tage zu konfrontieren.«29

In einem 1974 in Schönau (Schwarzwald) gehaltenen öffentlichen Vortrag über den Nationalrevolutionär und ›Märtyrer‹ Albert Leo Schlageter spitzte Timm diese politische Position nochmals zu. Der nationalrevolutionäre Widerstand Schlageters im Ruhrgebiet 1923 müsse ins Geschichtsbewusstsein der Deutschen übergehen; sein Denkmal dürfe nicht in jenem ruinösen Zustand belassen werden, in dem es sich 1974 präsentierte. Und ganz nebenbei bemerkte Timm, dass es »politische Geschichte«30 wie diese ist – Fragen der nationalen Identität –, die ihn seit seiner Schulzeit interessierte. Ob er damit auch seine Forschungen für den Nationalsozialismus im Auftrag der NSDAP meinte? Zumindest waren die Arbeiten Timms nicht nur Beschäftigung mit »geronnene[r] Politik«,31 wie er behauptete, sondern selbst von Grund auf politisch. Seit April 1941 war er Mitglied der nationalsozialistischen Partei gewesen und arbeitete zum deutschen Bauerntum sowie zu Themen der ›Westforschung‹.32 Seine Arbeiten zu Raum und Identität nach 1945 führten dieses Projekt einer Sondierung des ›deutschen Raumes‹ fort – keineswegs nur in einer universitär gestützten »Sicherheit des Schweigens«33 (Dirk van Laak), die erst verlassen wurde, als die viel beschworene »junge Generation«34 schon als Nachfolge bestimmt war, sondern auch auf zahlreichen Vorträgen im kleinen und oftmals ländlichen Raum.35

Für Eichberg jedoch war Timm mehr als dieser Mentor eines sich historisch begründenden Nationalismus. Er war die erste Station einer den Ethnopluralismus tragenden Rationalitätskritik, die Rationalitäten regional und historisch unterscheidet, respektive sie auf sich historisch verändernde Regionalitäten zurückführt. So versuchte Eichberg bereits in seiner Dissertation zu beweisen, dass sich der barocke Festungsbau nicht mit militärhistorischen Nutzenüberlegungen erklären lasse, weil sich in ihm ein kultureller und epochaler Stil niederschlage: »Aus der technischen Rationalität wird damit ein kultur- und epochenspezifischer Plural«,36 so Eichberg in einem späteren Aufsatz zum Festungsbau. Dieser Plural aber werde heute übersehen, weil an seine Stelle eine universelle Logik technischer Rationalität gerückt sei – eine sich seit 1800 einheitlich über Europa ausbreitende Verhaltensweise (Liberalismus, Industrialisierung, Kapitalismus etc.), die kein anderes kulturspezifisches Verhalten dulde.

Der Blick auf jene »Kräfte, die im 17./18. Jahrhundert Veränderungen hervorriefen, die zur industriellen Leistungsgesellschaft führten« sollten diesen historischen Verdrängungsprozess nicht nur erklären,37 sondern auch das unkontrollierte Wirken der gegenwärtigen »Gleichmacher« sichtbar machen. Eichbergs Befund: Eine administrative, militärische und technische Elite habe dem Festungsbau des 18. Jahrhundert eine neue Rationalität zu Grunde gelegt, und sie erstrecke sich im Typus des Ingenieurs bis in seine eigene Gegenwart.

Abb. 4: Schon bevor sie fertiggestellt war, besass die Ruhr-Universität Bochum den Ruf der »Massenuniversität«. Sie sei ein Gleichmacher und Nivellierungsapparat, der Konservative fürchten ließ, man würde in diesem Betrieb das ›Eigene‹ verlieren. Während Henning Eichberg zu Festungen der Neuzeit forschte, sass er selbst in dieser vielleicht modernsten ›Festung‹ der Bundesrepublik.

Habilitation in Stuttgart

Eichberg verliess Bochum 1971 für eine Assistenzstelle bei August Nitschke an der Universität Stuttgart. Bis 1967 war die Stuttgarter Universität eine technische Hochschule gewesen, die allein der Ingenieursausbildung diente. Nur 7 der 119 Lehrstühle, waren von Geisteswissenschaftlern besetzt. Unter ihnen befand sich auf dem Lehrstuhl für Mittlere Geschichte seit 1960 auch Nitschke: Er trat in den 1960er Jahren gemeinsam mit dem Germanisten Fritz Martini, der über die Grenze von 1945 hinaus bis zu seiner Emeritierung 1974 ebenfalls eine Professur in Stuttgart hielt, durch sein Bemühen hervor, die Geisteswissenschaften an der technischen Hochschule auszubauen.38

Den Ausbauplan der Geisteswissenschaften hatten mehrheitlich Ingenieure zu entscheiden, weshalb die Schaffung weiterer Aufbaustudiengänge für Studierende der technischen Wissenschaften im Vordergrund stand. Nitschke und andere versuchten beiderseitige Interessen zu berücksichtigen und vermarkteten die Erweiterung um geisteswissenschaftliche Fächer als Massnahme zur Verbesserung der Ingenieursausbildung durch Vorbereitung auf Arbeiten in Entwicklungsländern. Die Idee war, dass Nitschke seine Geisteswissenschaftler bekam und die Ingenieure das historische, soziologische und psychologische Wissen, um in Ländern der ›Dritten Welt‹ zu helfen und effizient zu wirtschaften. Der Ausbau wurde Ende 1963 bewilligt und es entstanden weitere Lehrstühle, wie 1968 der für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik.

Nitschke beschreibt die Einrichtung im Rückblick wie folgt:

»So kam vieles zusammen, was zur Einrichtung eines Lehrstuhls für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik am Historischen Institut der Universität Stuttgart führte: Die Bereitschaft, diejenigen Disziplinen, die der Ausbildung von Lehrern dienten, auszubauen, – der Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit zwischen Ingenieurwissenschaften und Sozialwissenschaften – […] das Interesse an Studien, die, an der Dritten Welt orientiert, Voraussetzung für eine Tätigkeit in diesen Ländern boten, – die Hoffnung, auch mit Hilfe der Geschichte der Physik einen besseren Zugang zu früheren und zu außereuropäischen Gesellschaften zu finden.«39

Abb. 5: Auf dem Stuttgarter Campus hatte sich die »moderne Leistungsgesellschaft« ihre Monumente gebaut – eine Architektur, die in vielerlei Hinsicht für das steht, was Eichberg kritisierte, aber eben auch »Außenseitern« wie ihm einen Platz bot.

Spätestens Ende der 1960er Jahre war an der Universität Stuttgart eine Gruppe entstanden, die ein reges Interesse an der ›Dritten Welt‹ einte. »Sie liebten die Farbigkeit, Vielfalt und Intensität jener Lebensformen, die sie in der Bundesrepublik nicht mehr antrafen«,40 so Nitschke in einem Rückblick 1993. Die Ingenieure für die »Differenziertheit dieser fremden Kulturen« zu sensibilisieren, sowie zu »kritischem Durchdenken aktueller Probleme«41 zu erziehen, das war das ernannte Ziel dieser aus Geisteswissenschaftler*innen bestehenden Gruppe. Was ›Differenz‹ hier meint, darüber kann nur spekuliert werden. Dass aber der Differenz-Begriff auch ›Nationalrevolutionären‹ einen Spielraum bot, hatte zur selben Zeit Alain de Benoist in Frankreich gezeigt. Vive la difference!, so das von ihm verkündete Motto, dem sich die französische Neue Rechte (Nouvelle Droite) schon früh verpflichtete.

In Stuttgart hatte man derweil zwei weitere Lehrstühle eingerichtet, die auf das Feld der Entwicklungshilfe spezialisiert waren. 1968 wurde Eberhard Jäckel, der lange Zeit in Indien tätig gewesen war, auf den Lehrstuhl für neuere Geschichte berufen. Der Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre wurde 1966 mit Albrecht Kruse-Rodenacker besetzt, der 1968 im Auftrag der Bundesregierung Grundsätze für eine westdeutsche Kapitalhilfe an Entwicklungsländer formulierte.42 Zusammen mit dem Lehrstuhl Nitschkes und seiner am wirtschaftswissenschaftlichen Institut angesiedelten Abteilung »Historische Verhaltensforschung«43 bildeten diese Lehrstühle das geistes- und sozialwissenschaftliche Umfeld einer entwicklungspolitischen Ingenieursausbildung, die auch in den 1970er Jahren noch im Zentrum der ehemals technischen Hochschule stand.44 Sie erforschten, »was denn die Charakteristika dieser außereuropäischen Lebensformen waren«, denen zu helfen, »wirtschaftlich und geistig ihre eigenen Wege [zu] gehen«, das Ziel jener Stuttgarter Gruppe war, in der sich seit 1970 auch Henning Eichberg betätigte.45

Sowohl für Nitschke als auch für Kruse-Rodenacker, sie beide betreuten Eichbergs Habilitationsprojekt – Sozialverhalten und Regionalentwicklungsplanung. Modernisierung in der indonesischen Relationsgesellschaft (West Sumatra) –, war das Interesse an der ›Dritten Welt‹ mit einer zunehmend kritischen Haltung gegenüber der europäischen Leistungsgesellschaft verbunden. Sie unterhielten gemeinsam Forschungsprojekte in Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas. Ihre Beschäftigung mit aussereuropäischen Kulturen und Wirtschaften war geleitet von der Vorstellung, dass dieser ›ethnologische‹ Blick den historischen in das Europa der Frühindustrialisierung ergänzen könnte. (Und andersherum erhofften die in Entwicklungsländern tätigen Ingenieure – wie etwa Fritz Leonhard –, dass ein Blick auf die Anfänge der Industrialisierung helfen würde, »Zugang zu dem Arbeitsverhalten ihrer heutigen nichteuropäischen Mitarbeiter« zu erhalten.)46

Als würde sich am Horizont eine historisch vertane Chance, eine Reihe von Möglichkeiten auftun, die anzueignen die Aufgabe der Stunde wäre. »Hilfe zur Selbsthilfe«47 – für jene »Stuttgarter Schule«48 müsste man die Ende der 1960er Jahre im bundesrepublikanischen Umfeld der Entwicklungshilfe populär gewordene Formel erweitern: Hilfe zur Selbsthilfe zur Selbsthilfe. Gerade für Eichberg mag diese Formel ihre Gültigkeit gehabt haben, sah er doch in Deutschland ein kolonisiertes Gebiet und im Nebeneinander von BRD und DDR eine der vietnamesischen Teilung ähnliche Situation.49 Der nun (d.h. in der Phase der Dekolonisierung) in der ›Dritten Welt‹ zu beobachtende Prozess der »Abkoppelung« und Autonomisierung könne auch den europäischen ›Völkern‹ als Modell dienen, um ihren eigenen Weg jenseits der zwei Blöcke zu gehen.

In Stuttgart war man auf der Suche nach »Alternativen innerhalb der Leistungsgesellschaft« (Nitschke) oder aber nach einem »wirkliche[n] Ausweg« (Kruse-Rodenacker), und beides hoffte man, würde der Blick in die Ferne ermöglichen. Während Nitschke Verhaltensformen suchte, die in der »Aufnahme von Relationen«50 eine kompensatorische Funktion übernehmen können – Relationen wie sie traditionell in China und Japan bestünden –, stand für Kruse-Rodenacker ein wirklicher Ausweg nur denen offen, »die sich außerhalb der Zwänge des wirtschaftlichen Wachstums stellen«.51

»Man wird sie daran erkennen können, daß sie ihr politisches Wollen über die ökonomischen Verkettungen setzen, daß sie aus dem bloßen Re-agieren heraustreten und die politischen Initiativen ergreifen, daß sie die Spielregeln einer niedergehenden Gesellschaft verwerfen und neue Maßstäbe setzen. Woher sie kommen werden, aus welcher Partei oder Gruppierung, das ist eine ebenso absurde wie überflüssige Frage. […] Ob sie ›links‹ oder ›rechts‹ stehen, auch diese Frage trifft nicht mehr den Kern.«52

Nahezu zeitgleich – 1972 – erschienen die Bücher, in denen die beiden Stuttgarter Hochschulprofessoren ihre kompensationstheoretische (Nitschke) sowie subversive (Kruse-Rodenacker) Antwort auf ein globales, imperialistisches und deregulierendes Wirtschaftssystem formulierten. Henning Eichberg sass unterdessen am Anfang seiner Habilitation, in der er sich dem Leistungssport einerseits und der Ethnographie der indonesischen Metawaia andererseits widmete. Mitte der 1970er Jahre qualifizierte er sich auf diesem Wege in historischer Verhaltensforschung. Die Stuttgarter Kritik an der Leistungsgesellschaft setzte er von da an als eine Kritik am Leistungssport fort.

Abb. 6: In der Rolle der Aussenseiter sahen sich in den 1970er-Jahren nicht nur Hippies, K-Gruppen und Spontis, sondern auch gutverdienende Hochschulprofessoren, die ihre ganz eigenen Probleme mit dem Staat, Europa und den ›Supermächten‹ hatten.

Textumwelten

1972 wurde auch die Aktion Neue Rechte gegründet, für die Eichberg die Grundsatzerklärung schrieb. Ein Jahr später erschien der Aufsatz über europäische Entwicklungshilfe als Modell für ›Verhaltensumformung‹, mit dem dieser Beitrag eingeleitet wurde. Hamburg, Bochum und Stuttgart; Strukturgeschichte, Technikgeschichte und Verhaltensforschung – der hier skizzierte personelle sowie institutionelle Zusammenhang ist nicht nur Teil einer akademischen Biographie, er ist auch Umwelt eines Textes, durch den eine Theorie politisch Karriere gemacht hat: So verweist Eichbergs Hervorhebung der »Sprachstruktur« als deutlichster Ausdruck von Kulturrelativität auf die Struktur- und Begriffsgeschichte Conzes und Brunners. Der rationalitätskritische Ton, wie er in Bochum bei und mit Timm aus der historischen Perspektive der Vormoderne heraus geübt wurde, setzt sich fort in der Konfrontation der Moderne mit der ›Dritten Welt‹. Auf Nitschke verweisen nicht nur Eichbergs Foucault-Referenzen oder der Begriff der »Verhaltensnorm«, sondern auch Beispielhaftes, wie die Relativität der Wahrnehmung am Beispiel der Physik durchzuspielen – wir erinnern uns an Nitschkes Lobgesang auf einen Stuttgarter Lehrstuhl für Geschichte der Physik. Und auch Kruse-Rodenacker ist in diesem Text in der Wahl des Gegenstandes vertreten. Er hatte Eichberg Anfang der 1970er Jahre das Feld der Entwicklungshilfe als ›Labor‹ geöffnet.

Philologische Evidenzen, die es erlauben, den Text mit der Biographie Eichbergs zu verknüpfen, finden sich weitere. Doch statt die blosse Auflistung fortzusetzen, erscheint es sinnvoller, die Rolle der beiden Stuttgarter Professoren eingehender zu besprechen – auch weil sie das unmittelbare Umfeld darstellen, in welchem dieser Text entstanden ist. Zu beschreiben ist dieser ›Stuttgarter‹ Einfluss wie folgt: Nitschke, der zwar eher einem älteren Konservatismus nach Art der Ritter-Schule anhing, vermittelte Eichberg nicht nur ein anthropologisches Wissen über grundlegende Unterschiede des Verhaltens, Wahrnehmens und Denkens zwischen Kulturen, sondern bot ihm auch die Gelegenheit historische und kulturelle Differenzen empirisch zu erforschen. Mit Kruse-Rodenacker, dem Verweigerer der Leistungsgesellschaft, kam nicht nur das Problemfeld der Entwicklungshilfe hinzu, sondern auch eine zum Teil wissenschaftlich fundierte Imperialismuskritik, die die »Wodka-Cola-Kultur« zum Feindbild erhob, die Gegenwart ablehnte (»NEIN zur Gegenwart«53) und auf der Suche war nach einem dritten Weg jenseits von links und rechts. Vor allem aber beförderte wohl Letzterer Eichbergs Projekt einer Historisierung der Leistungsgesellschaft am Beispiel des Leistungssports, an dem nichts auszusetzen gewesen wäre, wenn die Destruktion nicht bei einer vermeintlich ›ursprünglichen‹ und ethnisch oder national differenzierten Körperwelt stehen geblieben wäre, die dort zum Ausdruck komme, wo das ›kolonialisierende‹ Leistungsprinzip nicht wirke.54

Vielleicht hat Kruse-Rodenacker in späteren Jahren, so lässt zumindest ein von ihm verfasstes und mit »Das Nest« betiteltes Requiem vermuten, eine solche vom Leistungsprinzip befreite Existenz in West-Berlin gefunden – einer Stadt, die in den 1970er Jahren noch jenseits ökonomischer und sozialer Zwänge und jenseits von Disziplinarmassnahmen schien. In diesem im Jahr 2000 verfassten Text schreibt er: »Was der Anlaß war, wer das alles bezahlte, wo das herkam, wo das hinführte. Ha, ha, ha. Diese blöden Fragen.«55 Es sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass die Zeitschrift Der Spiegel 1978 Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Kruse-Rodenacker bekannt gab. Er habe in einem längeren Zeitraum öffentliche Gelder im Rahmen von Forschungsaufträgen des Bonner Entwicklungshilfe-Ministeriums veruntreut. Lehrkräfte der Universität wurden unentgeltlich in Projekte eingespannt, während dem Ministerium ihre Arbeit in Rechnung gestellt wurde. Laut Spiegel hatte Kruse-Rodenacker den Staat damit um 900.000 DM betrogen.56 Vor diesem Hintergrund wirkt nicht mehr so sehr die Frage, wer das alles bezahlte, blöd, sondern Kruse-Rodenackers Antwort. Und gleichwohl hier weder der Ort ist, noch die Quellenlage eine adäquate Aufarbeitung zulässt, ist doch anzunehmen, dass auch Eichberg, der in den 1970er Jahren im Rahmen eines von Kruse-Rodenacker geleiteten Projektes nach Indonesien reiste, in diesen Skandal – wenn auch als der Ausgebeutete – verwickelt war.

Abb. 7: Im Nachlass von Albrecht Timm finden sich mehrere Briefe von Henning Eichberg. In ihnen informiert vor allem der Schüler den Lehrer über Karriere und Publikationen, und man bietet sich gegenseitig Hilfe an, wenn es um Fragen der Finanzierung oder Publikation geht. Dieses Mal war es Eichberg, der Timm mit seinem Aufsatz »Schlageter und wir« einen Publikationsort in der neurechten Zeitschrift Junges Forum vermittelte.

Die Universität Stuttgart war mit ihren wissenschaftlichen Schwerpunkten und ihrem akademischen Personal ein geeignetes Umfeld, um dem Ethnopluralismus zur Entfaltung zu helfen. Doch die Geschichte seiner Entstehung muss auch die Stationen ›Hamburg‹ und ›Bochum‹ mit in den Blick nehmen. Denn eingeholt wird dieser Text von der Vergangenheit seines Autors vor allem dort, wo die Behauptung gemacht wird, dass der amerikanisch-europäische Imperialismus und Kapitalismus nicht nur ausser-, sondern auch innereuropäische ›Völker‹ bedrohe. Was er aus eigener Erfahrung bei Iren, Ukrainern oder Esten Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre meinte beobachten zu können, konnte er mithilfe der deutschen Regional- und Volksgeschichte, wie er sie vor allem bei Timm kennenlernte, auch auf Deutschland übertragen: eine ethnische, mit einem spezifischen Raum verbundene Identität noch unterhalb der nationalen Ebene, die im Zuge von Technisierung und Industrialisierung zunehmend verdeckt wird. Ideengeschichtlich liesse sich so mindestens ein Dreieck spannen zwischen der Volksgeschichte, der historischen Anthropologie und der Entwicklungsforschung. Gezeigt werden sollte aber auch, dass diese ›Idee‹ nicht nur in einem Umfeld von Geistes- und Sozialwissenschaftlern entstand, die sich der Innovation versprachen, sondern auch von einer Bildungspolitik gefördert wurde, die sich mit der Neugründung von technik- und wissenschaftsgeschichtlichen Disziplinen sowie der Anbindung der Geistes- und Sozialwissenschaften an die Ingenieursausbildung einen Standort- und Wettbewerbsvorteil BRD erhoffte.

Fazit

In einem Rückblick zum 25-jährigen Jubiläum des Lehrstuhls für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik an der Universität Stuttgart schrieb August Nitschke:

»Manche Zeiten lähmen, andere verleihen den Menschen einen eigentümlichen Mut. In den Jahren zwischen 1960 und 1970 muß dieser an den deutschen Universitäten verbreitet gewesen sein; denn auf den Universitäten gewannen überraschend viele Professoren, Assistenten und Studenten Freude daran, neue Institutionen zu schaffen.«57

In der Tat wird man dieser Dekade, die man noch ein Stück in die 1970er Jahre hineinnehmen darf, nachsagen dürfen, dass sie sich durch einen eigentümlichen Innovationsdrang auszeichnete. Dieser Beitrag hat zeigen wollen, dass auch Akteure bei dieser Innovation mitmachten, die im rechtskonservativen Diskursfeld der Bundesrepublik verortet waren, und diese dabei dem Ethnopluralismus, einer zentralen Theorie der ›Neuen Rechten‹, Pate gestanden haben. Der Diskurs über Entwicklungshilfe, der in den 1970er Jahren nicht nur ›links‹ und ›rechts‹, sondern auch von optimierungswütigen Technokraten geführt wurde, wurde ebenso von einem Essentialismus begleitet, der von ›Volk‹ und ›Raum‹ wie einem unzertrennlichen Memory-Paar sprach. Ein Essentialismus der nichts Nachträgliches an sich hatte, sondern selbst Teil der Innovation war.

Bedenkt man dies, dann handelt es sich bei der Theorie des ›Ethnopluralismus‹ nicht länger nur um die weltanschauliche Antwort eines Einzelnen, sondern um eine ›Idee‹, die durch die hier in den Blick genommene wissenschaftliche und entwicklungspolitische Praxis zu denken möglich wurde.

Im ›Windschatten‹, um hier die titelgebende Metapher zu bemühen – wenn auch nicht länger klar ist, wer sich hier in wessen Schatten bewegte –, von Lehrstuhlgründungen und Weiterbildungsmassnahmen für Studierende der technischen Wissenschaften, entstanden Freiräume, die auch das Verfolgen politischer Projekte an der Universität ermöglichten. Sie gehören zu dieser innovativen Phase, so wie es die Glanzlichter bundesrepublikanischer Wissenschaftsgeschichte (Technikgeschichte, Strukturgeschichte und Verhaltensforschung) tun. ›Harmlose‹ Wissenschaften, die zu kompensieren versprachen, was der ungestüme Fortschritt an Problemen bereitete – auf ihre Anbindung und Förderung liessen sich die universitären Neugründungen gerne ein. Welche Funktion dieses Wissen jenseits seiner ingenieurswissenschaftlichen Anwendung hatte? »Ha, ha, ha. Diese blöden Fragen.«

Lukas Rathjen ist Doktorand an der Professur für Literatur- und Kulturwissenschaften der ETH Zürich. Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der hier verwendeten Bilder sowie für ihre wissenschaftliche und archivarische Expertise dankt der Autor: Prof. Dr. Rainer Nicolaysen von der Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte in Hamburg, dem Universitätsarchiv Bochum und dem Universitätsarchiv Stuttgart.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Henning Eichberg: Die historische Relavität der Sachen, Münster: LIT-Verlag (1984), Cover.

Abb. 2: Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte.

Abb. 3: Volker Schmidtchen (Hg.): Wirtschaft, Technik und Geschichte. Beiträge zur Erforschung der Kulturbeziehungen in Deutschland und Osteuropa. Festschrift für Albrecht Timm zum 65. Geburtstag, Berlin: Camen (1980).

Abb. 4: Universitätsarchiv Bochum, Dep. Staatliches Bauamt Bochum 02, 73.0311 © Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, 02.07.1973.

Abb. 5: Otto Borst: Schule des Schwabenlands. Geschichte der Universität Stuttgart, Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt (1979), zwischen S. 384/385.

Abb. 6: Albrecht Kruse-Rodenacker: Die Stunde der Außenseiter. Die Supermächte haben versagt. Die Gesetze des Verfalls. Planung als falsche Hoffnung, Düsseldorf: Econ-Verlag (1972), Cover.

Abb. 7: Henning Eichberg an Albrecht Timm, 3. Juni 1975. in: UnivA Bochum, Nachlass Timm, Nr. 24.

Literatur
  1. 1

    Vgl. Hans-Gerd Jaschke, Klaus Schönekäs (Hrsg.): Neue Rechte und Rechtsextremismus in Europa: Bundesrepublik, Frankreich, Grossbritanien, Wiesbaden: Springer (1990).

  2. 2

    Henning Eichberg: »›Entwicklungshilfe‹: Verhaltensumformung nach europäischem Modell?«, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 93 (1973), S. 641–670. Wiederabgedruckt in: Ders.: Nationale Identität: Entfremdung und nationale Frage in der Industriegesellschaft, München: Langen-Müller (1978), S. 39–86. Im Folgenden wird die Ausgabe von 1978 zitiert. Die gekürzte in Junges Forum erschienene Fassung: Henning Eichberg: »Ethnopluralismus. Eine Kritik des naiven Ethnozentrismus und der Entwicklungshilfe«, in: Junges Forum, Heft 5 (1973), S. 3–12.

  3. 3

    »Was will JUNGES FORUM?« (o.V.), in: Junges Forum, Heft 5 (Oktober 1972), o. Seitenzahl.

  4. 4

    Nils Güttler, Margarete Pratschke, Max Stadler (Hg.): Wissen, ca. 1980, Zürich/Berlin: Diaphanes (2016) (=Nach Feierabend. Zürcher Jahrbuch für Wissensgeschichte 11).

  5. 5

    Vgl. Christoph Weischer: Das Unternehmen ›Empirische Sozialforschung‹: Strukturen, Praktiken und Leitbilder der Sozialforschung in der Bundesrepublik Deutschland, München: Oldenbourg (2004) (=Ordnungssysteme 14), S. 235–366; Jürgen Kocka: Sozialgeschichte: Begriff, Entwicklung, Probleme, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (1986), S. 132–175; Thomas Etzemüller: Sozialgeschichte als politische Geschichte: Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, München: Oldebourg (2001) (=Ordnungssysteme 9). Die Geschichte der Verhaltensforschung in der Bundesrepublik ist noch immer eine Leerstelle. Für den amerikanischen Kontext siehe Erika Milam: Creatures of Cain: The Hunt for Human Nature in Cold War America, Princeton: Princeton University Press (2019). Zur Rolle der Anthropologie in der politischen Theorie im Frankreich der 1970er Jahre siehe Jacob Collins: The Anthropological Turn: French Political Thought After 1968, Philadelphia: University of Pennsylvania Press (2020).

  6. 6

    Das Zitat hier ebenfalls aus dem Impressum von Junges Forum: »Was will JUNGES FORUM?« (o.V.), in: Junges Forum, Heft 5 (Oktober 1972), o. Seitenzahl.

  7. 7

    Henning Eichberg: »›Entwicklungshilfe‹: Verhaltensumformung nach europäischem Modell?«, in: Ders.: Nationale Identität: Entfremdung und nationale Frage in der Industriegesellschaft, München: Langen-Müller (1978), S. 39–86, hier S. 75.

  8. 8

    Etienne Balibar, Immanuel Wallerstein: Rasse, Klasse, Nation: Ambivalente Identitäten, Hamburg: Argument Verlag (1990), S. 31.

  9. 9

    Vgl. Armin Pfahl-Traughber: Konservative Revolution und Neue Rechte. Rechtsextremistische Intellektuelle gegen den demokratischen Verfassungsstaat, Opladen: Leske + Budrich (1998), S. 138ff.

  10. 10

    Eichberg beschreibt in einem Interview diese Begegnung wie folgt: »Im Jahr 1966 begegnete ich in einem Zeltlager den französischen Nationalisten der Fédération des Étudiants Nationalistes und eben auch Alain de Benoist. Hier war man nicht konservativ, sondern ›revolutionär‹ und bezog sich auf sozialistisch-syndikalistische Traditionen. Hier verstand ich erstmals, was den Unterschied zwischen den ›Alten‹ und der ›Neuen Rechten‹ ausmachte.« (<https://www.endstation-rechts.de/news/ueber-habitus-ideologie-und-praxis-im-gespraech-mit-henning-eichberg-teil-1.html>, abgerufen: 08.12.2019).

  11. 11

    <https://www.endstation-rechts.de/news/ueber-habitus-ideologie-und-praxis-im-gespraech-mit-henning-eichberg-teil-1.html>, abgerufen: 08.12.2019.

  12. 12

    Henning Eichberg: »›Gefährlich denken‹: Über Rationalität und Angst in der Sportwissenschaft«, in: Stadion: Internationale Zeitschrift für Geschichte des Sports 16/2 (1990), S. 223–255, hier S. 230f.

  13. 13

    Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Susan Brownell: »As a person and a scholar, Eichberg is a liminal figure: he operates in the gaps between political, disciplinary and national boundaries. His liminality is mirrored in a recurring theme in his political and theoretical positioning: he is forever seeking to find the ›third position‹, the ›trialectic‹ – or, as he puts it, he is always attempting to systematically seat himself between chairs.« Siehe Susan Brownell: »Thinking Dangerously. The person and his ideas«, in: John Bale, Susan Brownell (Hg.): Body Cultures: Essays on Sport, Space and Identity, London: Routledge (1998), S. 22–44, hier S. 22.

  14. 14

    Henning Eichberg: Militär und Technik. Schwedenfestungen des 17. Jahrhunderts in den Herzogtümern Bremen und Verden, Düsseldorf: Schwann (1976) (=Geschichte und Gesellschaft 7).

  15. 15

    Weitere wichtige nationalsozialistisch/völkische Schriften Brunners in den 1930er Jahren: Otto Brunner: »Der ostmärkische Raum in der Geschichte«, in: Die Rasse. Monatsschrift der nordischen Bewegung 2 (1935), S. 397–401; Ders.: »Österreichs Weg zum Großdeutschen Reich«, in: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 2 (1938), S. 519–528. Eine umfassende Darstellung der NS-Laufbahn Brunners bei Robert Jütte: »Zwischen Ständestaat und Austrofaschismus. Der Beitrag Otto Brunners zur Geschichtsschreibung«, in: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte 13 (1984), S. 237–262.

  16. 16

    So Gabriele Wohlauf in einer Festschrift für den Timm-Schüler Ulrich Troitzsch: Gabriele Wohlauf: »Ulrich Troitzsch. Lehrer, Forscher und Mentor«, in: Günter Bayerl/Wolfhard Weber (Hg.): Sozialgeschichte der Technik. Ulrich Troitzsch zum 60. Geburtstag, Münster: Waxmann (1998) (=Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 7), S. IX–XII, hier S. X.

  17. 17

    Vgl. Axel Schildt: Zwischen Abendland und Amerika: Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre, München: Oldenbourg (1999) (=Ordnungssysteme 4), S. 78f.

  18. 18

    Ingo Haar: »Theodor Schieder«, in: Ingo Haar, Michael Fahlbusch, Matthias Berg (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften: Personen, Institutionen, Forschungsprogramme, Stiftungen, München: Saur (2008), S. 625; Götz Aly: »Theodor Schieder, Werner Conze oder Die Vorstufen der physischen Vernichtung«, in: Winfried Schulze, Otto Gerhard Oexle (Hg.): Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag (2000), S. 163–182; Thomas Etzemüller: Sozialgeschichte als politische Geschichte: Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, München: Oldebourg (2001) (=Ordnungssysteme 9).

  19. 19

    Vgl. Thomas Etzemüller: Sozialgeschichte als politische Geschichte: Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, München: Oldebourg (2001) (=Ordnungssysteme 9), S. 70–89.

  20. 20

    Henning Eichberg: »Volk – wer wo was oder warum nicht? Arbeitsthesen zu einer humanwissenschaftlichen Volkstheorie«, in: Volkslust 1 (2004), S. 6–11.

  21. 21

    Siehe hierzu: Wolfhard Weber, Lutz Engelskirchen: Streit um die Technikgeschichte in Deutschland 1945–1975, Münster: Waxmann (2000) (=Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 15), S. 215–225.

  22. 22

    Albrecht Timm: »Aspekte eines neuartigen Lehrstuhls«, in: Die Ruhr Universität 10 (April 1967), S. 33.

  23. 23

    Vgl. Lutz Budrass: »›Ein Lehrstuhl für die Geschichte der Zukunft‹. Zur Gründung der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum«, in: Iris Kwiatkowski, Michael Oberweis (Hg.): Recht, Religion, Gesellschaft und Kultur im Wandel der Geschichte: Ferculum de cibis spiritualibus. Festschrift für Dieter Scheler, Hamburg: Kovač (2008) (=Studien zur Geschichtsforschung des Mittelalters 23), S. 483 - 508. Mit Wolfgang Köllmann wurde bereits 1964 einer von Conzes Schülern auf einen Lehrstuhl berufen. 1968 folgte Hans Mommsen. Siehe auch Thomas Etzemüller: Sozialgeschichte als politische Geschichte: Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, München: Oldebourg (2001) (=Ordnungssysteme 9).

  24. 24

    Vgl. »Eine Art Flickenteppich« (o.V.), in: Der Spiegel 27/9 (26.02. 1973), S. 45f; Susanne König: Leben in außergewöhnlichen Zeiten: Die Mittelalterliche Forschung und ihre Vertreter an der Humboldt-Universität zu Berlin in der DDR, Berlin: LIT (2018), S. 152f. Das plagiierte Werk ist: Wolfgang Jonas, Valentine Linsbauer, Helga Marx: Die Produktivkräfte in der Geschichte, Bd. 1: Von den Anfängen in der Urgemeinschaft bis zum Beginn der Industriellen Revolution, Berlin: Dietz Verlag (1969).

  25. 25

    »Eine Art Flickenteppich« (o.V.), in: Der Spiegel 27/9 (26.02. 1973), S. 45f.

  26. 26

    Albrecht Timm, Hans Freyer: Der Strukturwandel des industriellen Systems im 20. Jahrhundert, Bonn: Mitteldeutscher Kulturrat (1966); Albrecht Timm: Verlust der Muße: Zur Geschichte der Freizeitgesellschaft, Buchholz: Knauel (1968).

  27. 27

    Der Kyffhäuser ist ein Mittelgebirge südöstlich des Harzes. Er ist Zentrum einer Sage, die die Rückkehr des »Friedenskaisers« Friedrich I. (›Barbarossa‹) verspricht und seit dem 19. Jh im Kyffhäuserdenkmal repräsentiert wird. Der Sage nach ruht der Kaiser im Innern des Berges und soll eines Tages erwachen, um das ›Reich‹ zu retten. Der Kyffhäuser wird vor diesem Hintergrund immer wieder zum identitätspolitischen Monument einer deutschen Nation stilisiert.

  28. 28

    Vgl. Albrecht Timm: Zur Wissenschaftsgeschichte: Mein Weg und mein Wollen, Sankt Augustin: Richarz (1975), S. 73f. Zum Kyffhäuser: Albrecht Timm: Der Kyffhäuser im deutschen Geschichtsbild, Göttingen: Musterschmidt (1961). Siehe auch Ders.: »Sind wir Kyffhäuserdeutsche?«, in: Mitteldeutscher Kulturrat e.V. (Hg.): Mitteldeutsche Vorträge 1964, Bonn: Mitteldeutscher Kulturrat (1964), S. 7–16. 1972/1973 legte Timm den Abgeordneten des Bundestags in seiner Funktion als Vorstand des Mitteldeutschen Kulturrats einen Aufsatz vor: Ders.: »Festpunkte der deutschen Geschichte im Spannungsfeld zwischen Ost und West«, in: Mitteldeutscher Kulturrat e.V. (Hg.): Nationalfeiertage. Erinnerung oder Verpflichtung?, Bonn: Mitteldeutscher Kulturrat (1972), S. 16–23.

  29. 29

    Albrecht Timm: Zur Wissenschaftsgeschichte: Mein Weg und mein Wollen, Sankt Augustin: Richarz (1975), S. 70.

  30. 30

    Albrecht Timm: »Schlageter und wir. Ansprache zu seinem 80. Geburtstag, gehalten in Schönau (Schwarzwald) von Albrecht Timm«, in: Junges Forum (1975), S. 3–10.

  31. 31

    Albrecht Timm: Zur Wissenschaftsgeschichte: Mein Weg und mein Wollen, Sankt Augustin: Richarz (1975), S. 74.

  32. 32

    Albrecht Timm: Der deutsche Bauer und das Sprichwort, Goslar: Verlag Blut und Boden (1940); Ders.: »Deutsches Bauerntum in Polen – Schicksal und Leistungen«, in: Montagsblatt 82/3 (1940), S. 9–10; »Niederländische Kolonisation in Mitteldeutschland«, in: Montagsblatt 82/24 (1940), S. 93–94.

  33. 33

    Dirk van Laak: Gespräche in der Sicherheit des Schweigens: Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin: De Gruyter (1993).

  34. 34

    Albrecht Timm: »Schlageter und wir. Ansprache zu seinem 80. Geburtstag, gehalten in Schönau (Schwarzwald) von Albrecht Timm«, in: Junges Forum (1975), S. 3–10, hier S. 3.

  35. 35

    Vgl. Albrecht Timm: Zur Wissenschaftsgeschichte: Mein Weg und mein Wollen, Sankt Augustin: Richarz (1975), S. 72f.

  36. 36

    Henning Eichberg: »Geometrie als barocke Verhaltensnorm: Fortifikation und Exerzitien«, in: Zeitschrift für historische Forschung 4/1 (1977), S. 17–50, hier S. 46.

  37. 37

    Henning Eichberg: »Schwedenfestung und Idealstadt Carlsburg an der Unterweser: zur Frühgeschichte des neuzeitlichen Ingenieurs«, in: Deutsches Schiffahrtsarchiv 1 (1975), S. 25-46. Hier S. 43.

  38. 38

    Marius Penz: »Der Gründungskontext des Stuttgarter GNT-Lehrstuhls. Zur Aufbruchsstimmung der 1960er Jahre«, in: Klaus Hentschel (Hg.): 50 Jahre GNT: Eine Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum der Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik an der Universität Stuttgart, Stuttgart: GNT-Verlag (2018), S. 32–40, hier S. 34.

  39. 39

    Interview mit August Nitschke, geführt von Klaus Hentschel und Marius Penz am 18. November 2016 in Tübingen. Unveröffentlichte Quelle. Zit. nach Marius Penz: »Der Gründungskontext des Stuttgarter GNT-Lehrstuhls. Zur Aufbruchsstimmung der 1960er Jahre«, in: Klaus Hentschel (Hg.): 50 Jahre GNT: Eine Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum der Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik an der Universität Stuttgart, Stuttgart: GNT-Verlag (2018), S. 32–40, hier S. 37.

  40. 40

    August Nitschke: »Ein neuer Lehrstuhl. Geschichte der Naturwissenschaft und Technik. Die Gunst einer glücklichen Konstellation«, in: Helmuth Albrecht (Hg.): Naturwissenschaft und Technik in der Geschichte. 25 Jahre Lehrstuhl für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik am Historischen Institut der Universität Stuttgart, Stuttgart: Verlag für Geschichte der Naturwissenschaft und der Technik (1993), S. 16.

  41. 41

    Fritz Martini: »Geisteswissenschaften: Ein Bericht im Überblick«, in: Baden-Württemberg. Südwestdeutsche Monatsschrift für Kultur, Wirtschaft und Reisen (Dezember 1969) (Themenheft: Die Universität Stuttgart), S. 72–86, hier S. 72.

  42. 42

    Albrecht Kruse-Rodenacker, Horst Dumke: Kapitalhilfe: Untersuchungen zur bilateralen Kapitalhilfe im Rahmen öffentlicher Leistungen, Berlin: Duncker & Humblot 1970.

  43. 43

    An anderer Stelle betont Nitschke, dass er die Abteilung »Historische Verhaltensforschung« auf Bitten Kruse-Rodenackers leiten sollte. Vgl. August Nitschke, Justin Stagl, Dieter R. Bauer: »Der Plan und die Beteiligten: Vorwort und Danksagung«, in: August Nitschke, Justin Stagl, Dieter R. Bauer (Hg.): Überraschendes Lachen, gefordertes Weinen: Gefühle und Prozesse. Kulturen und Epochen im Vergleich, Wien: Böhlau (2009), S. 11–17, hier S. 16.

  44. 44

    Vgl. Fritz Martini: »Geisteswissenschaften: Ein Bericht im Überblick«, in: Baden-Württemberg: Südwestdeutsche Monatsschrift für Kultur, Wirtschaft und Reisen (Dezember 1969) (Themenheft: Die Universität Stuttgart), S. 72–86, hier S. 72: »Es ist nicht beabsichtigt, die Abteilung zu einer vollständigen philosophischen Fakultät im traditionellen Sinne zu erweitern. Ihre Ausgestaltung folgt vielmehr dem genannten Gesichtspunkt struktureller Teilnahme an den besonderen Aufgaben einer ›Technischen‹ Universität«.

  45. 45

    August Nitschke: »Ein neuer Lehrstuhl: Geschichte der Naturwissenschaft und Technik. Die Gunst einer glücklichen Konstellation«, in: Helmuth Albrecht (Hg.): Naturwissenschaft und Technik in der Geschichte. 25 Jahre Lehrstuhl für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik am Historischen Institut der Universität Stuttgart, Stuttgart: Verlag für Geschichte der Naturwissenschaft und der Technik (1993), S. 18.

  46. 46

    August Nitschke, Justin Stagl, Dieter R. Bauer: »Der Plan und die Beteiligten: Vorwort und Danksagung«, in: August Nitschke, Justin Stagl, Dieter R. Bauer (Hg.): Überraschendes Lachen, gefordertes Weinen: Gefühle und Prozesse. Kulturen und Epochen im Vergleich, Wien: Böhlau (2009), S. 11–17, hier S. 16.

  47. 47

    Zum Konzept vgl. Hubertus Büschel: Hilfe zur Selbsthilfe: Deutsche Entwicklungsarbeit in Afrika 1960–1975, Frankfurt am Main: Campus-Verlag (2014).

  48. 48

    Eine Selbstbeschreibung Nitschkes. Siehe August Nitschke: »Plädoyer für eine alternative Anthropologie«, in: Geschichte und Gesellschaft 2/2 (1976), S. 261–263.

  49. 49

    Vgl. Henning Eichberg: Abkoppelung: Nachdenken über die neue deutsche Frage, Koblenz: Bublies (1987), S. 134ff.

  50. 50

    »In dieser weiterentwickelten Industriegesellschaft kann die Aufnahme von Relationen hilfreich sein, denn diese vermitteln zusätzliche Kraft. Fraglich ist freilich, ob es Europäern und Amerikanern gelingen wird, sich in Relationen einzuordnen. Dafür scheinen Japaner wie Chinesen, die aufgrund ihrer Tradition bereits relationsorientiert sind, bessere Voraussetzungen mitzubringen.« August Nitschke: Die Bedrohung. Ansatz einer historischen Verhaltensforschung, Stuttgart: Klett (1972), S. 109.

  51. 51

    Albrecht Kruse-Rodenacker: Die Stunde der Außenseiter: Die Supermächte haben versagt. Die Gesetze des Verfalls. Planung als falsche Hoffnung, Düsseldorf: Econ-Verlag (1972), S. 239.

  52. 52

    Ebd.

  53. 53

    Ebd., S. 7.

  54. 54

    Vgl. Henning Eichberg: Leistung, Spannung, Geschwindigkeit: Sport und Tanz im gesellschaftlichen Wandel des 18./19. Jahrhunderts, Stuttgart: Klett-Cotta (1978) (=Stuttgarter Beiträge zur Geschichte und Politik 12), S. 12–16; S. 299–306.

  55. 55

    Albrecht Kruse-Rodenacker: »Das Nest«, in: Werner Eckelt (Hg.): Requiem auf West-Berlin: Bilder aus einer vergangenen Zeit, Berlin: Henschel (2000), S. 137.

  56. 56

    »Die Summe lohnt« (o.V.), in: Der Spiegel 32/40 (2.10.1978), S. 124–127

  57. 57

    August Nitschke: »Ein neuer Lehrstuhl: Geschichte der Naturwissenschaft und Technik. Die Gunst einer glücklichen Konstellation«, in: Helmuth Albrecht (Hg.): Naturwissenschaft und Technik in der Geschichte: 25 Jahre Lehrstuhl für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik am Historischen Institut der Universität Stuttgart, Stuttgart: Verlag für Geschichte der Naturwissenschaft und der Technik (1993), S. 15.