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Was ist Universität? Zwölf Antworten aus Basel
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Naemi Meier

Der Basler »Diapositiven-Konflikt« (1934)

Zwei verfeindete Professoren streiten, bis der Dekan einschreitet. Der Zankapfel: Die (Un-)Zugänglichkeit der kunsthistorischen Diapositivsammlung der Universität Basel. Eine im Staatsarchiv Basel-Stadt fein säuberlich archivierte Geschichte, bei der es sich lohnt etwas genauer hinzuschauen.

Universität Basel 1934: Heinrich Alfred Schmid (1863–1951) sieht seine Projektionsbildersammlung und damit seine Forschung in Gefahr [Abb. 1]. Akut geht die Bedrohung in seinen Augen von Paul Ganz (1872–1954) [Abb. 2] aus. In einem neunseitigen Schreiben schildert der Kunsthistoriker Schmid sein Anliegen dem Althistoriker Felix Stähelin (1873–1952), Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät: Er will seinem Kollegen Ganz den Schlüssel zur kunsthistorischen Projektionsbildersammlung nicht aushändigen, da erstens seine persönlichen Lichtbilder dort aufbewahrt sind und er es zweitens als sein Verdienst erachtet, dass die universitäre Sammlung substanziell erweitert, geordnet und nach aktuellem Stand der Forschung beschriftet wurde.1 Dass Ganz, der sich nicht als Schmids Kollege sondern als dessen Konkurrent versteht, nun von der Seminarbildersammlung profitieren soll, empfindet Schmid als »ganz besondere Ungerechtigkeit«2 und erklärt kurzum die Sammlung mitsamt ihrer Beschriftung zu seinem geistigen Eigentum. Als ordentliche Professoren haben beide eine ähnliche Stellung am Kunsthistorischen Seminar: Schmid ist Vorsteher des Lehrstuhls für Allgemeine Kunstgeschichte, während Ganz ein persönliches Ordinariat in Geschichte der Kunst in der Schweiz und in ihren Nachbargebieten innehat.3 In seinem neunseitigen Schreiben an den Dekan äussert Schmid sein Unverständnis gegenüber Ganz’ Forderung nach dem Schlüssel:

»Mir selber wäre es sehr unsympathisch den Schlüssel zu dem Institut [gemeint ist der Lehrstuhl, NM], dem Prof. G. vorsteht, verlangen zu müssen und es ist doch ganz natürlich, dass mir dieser Schlüssel so gut zusteht wie ihm der zu dem Institut, dem ich vorstehe. Es dürfte bekannt sein, muss aber hier betont werden, dass sich Herr Kollege G. durchaus nicht als mein Mitarbeiter fühlt, sondern als Konkurrenten [sic], dem gegenüber so gut wie alles erlaubt ist. Er sieht ja auch in meiner Kritik nur die feindlichen Gefühle des Konkurrenten.«4

Schmid verweigert Ganz also den Zutritt, weil er umgekehrt auch keinen Zugang zu Ganz’ universitären Räumlichkeiten verlange. Nur beachtet Schmid dabei nicht, dass die kunsthistorische Diasammlung sich nun einmal in den gemeinsamen Räumen befindet.

Der Dekan und unfreiwillige Vermittlungspartner Stähelin erhält auch Schreiben von Ganz: In den Vorbereitungen seiner Vorlesungen behindert, könne er die bisherige »Ausschliessung der persönlichen Benützung der Projektionsbildersammlung des kunsthistorischen Seminars«5 schlichtweg nicht weiter akzeptieren. Er besteht auf seinem Zugangsrecht – mit einer im Vergleich zum furiosen Schmid gemässigteren Diktion, aber mindestens ebenso beharrlich. Auch er habe sich um einen Aufbau einer Diapositivsammlung bemüht. Der auf Schweizerische Kunstgeschichte spezialisierte Kunsthistoriker, der die noch heute viel rezipierten Schweizerischen Kunst Führer6 ins Leben rief, legte den Fokus in seiner Bildersammlung auf ebendieses Teilgebiet der Kunstgeschichte. Doch ist seine Sammlung, im Unterschied zu der von Schmid verwalteten, vorerst nicht mit universitären Geldern gefördert, sondern sein Privateigentum. Dazu später mehr.

Abb. 1: Prof. Dr. Heinrich Alfred Schmid, ca. 1938.

Nachdem Stähelin sich die Mühe gemacht hat, »die Akten aus der frühen Phase des Diapositiven-Konflikts (aus dem Dekanat Lüdeke) zu studieren«,7 spricht er schliesslich ein Machtwort und möchte die beiden Professoren mit einer Verfügung zur Vernunft zwingen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem alle Beteiligten mit ihrer Signatur der Vereinbarung zustimmten, sollten sich allerdings noch einige grössere und kleinere Dramen abspielen. Dramen, die eine Geschichte vom universitären Sammeln und Bewahren erzählen und die von Rivalitäten, Geheimnistuerei, Konkurrenzkämpfen, Ausschlussmechanismen und Zufällen geprägt sind.

Prof. Dr. Schmid bemerkt in seinem neunseitigen Schreiben an Dekan Stähelin:

»Er [Prof. Dr. Paul Ganz, NM] hat im Uebrigen Einsicht in mein Material auch noch durch meine Kataloge und durch den Universalkatalog aller Basler Lichtbilder, der im Lesesaal der Universitätsbibliothek steht. Vollständig sind diese Kataloge alle nicht und können es nie sein.«8

Was Schmid in seinem Klagebrief nur in einem Nebensatz erwähnt, stellt für den Umgang mit Sammlungen, Bibliotheken und Archiven eine grundlegende Problematik dar: Solche Wissenskonglomerate sind nicht komplett und werden es nie sein. Schmid hat seine Diabildersammlung mit »Liebe und Sorgfalt«9 zusammengetragen. Doch auch wenn oder gerade weil Archive ihre Entstehung oft subjektiven, emotionalen Empfindungen verdanken und nicht als nüchterne Sachverhalte vorliegen, müssen sie mitsamt allen ihren Archivalien kritisch betrachtet und daraufhin befragt werden, an welchem Gedächtnis sie festhalten; welche Perspektiven subversiv reproduziert werden; und nicht zuletzt: für wen diese Wissensspeicher überhaupt zugänglich sind.

Der Streit zwischen Schmid und Ganz über Diapositive stellt also nicht nur eine Fehde unter rivalisierenden Kollegen dar, sondern er gibt vor allem Aufschluss über (historische) Wissenspraktiken der Kunstgeschichte. In drei Unterkapiteln werden verschiedene Faktoren betrachtet, die den Streit strukturell begleiten und ihm teilweise auch vorangehen. Erstens kommt Diapositivbildern bis zum Aufkommen digitaler Medien eine entscheidende Rolle im Universitätsunterricht zu, womit überhaupt die Relevanz der Diapositivbilder offenkundig wird.

Abb. 2: Prof. Dr. Paul Ganz, ca. 1922–1932.

Zweitens stecken in solchen Sammlungen persönliche gedankliche wie auch finanzielle Investitionen, wodurch die Trennlinie zwischen privatem und öffentlichem, universitärem Eigentum nicht mehr scharf zu ziehen ist. Und drittens unterliegen universitäre Sammlungen neben Archiven und Bibliotheken sowohl geschriebenen als auch ungeschriebenen gesetzlichen Bestimmungen. Die Forschung zu Diapositiven als gängiger Topos in der Kunstgeschichte wird hier folglich von einer ganz anderen Seite her aufgerollt, indem Fragen rund um universitäre Praktiken und Eigentumsverhältnisse elementar werden.

Die Bekanntmachung der zwei Rivalen

Basel 1901: Die Wege der zwei Kunsthistoriker Schmid und Ganz kreuzen sich zum ersten Mal an der Universität Basel. Der noch nicht einmal 30-jährige Ganz hatte gerade seine Habilitationsschrift bei Heinrich Wölfflin (1864–1945) an der Universität Basel eingereicht, als seine Bewerbung als Konservator der öffentlichen Kunstsammlung, dem heutigen Kunstmuseum Basel, angenommen wurde.10 Parallel zu seiner Neuanstellung begann er ab dem Wintersemester 1901/02 als Privatdozent am Kunsthistorischen Seminar zu unterrichten. Mit dem Weggang Wölfflins nach Berlin wurde Heinrich Alfred Schmid im selben Jahr zum ausserordentlichen Professor berufen, wodurch die zwei Kunsthistoriker Schmid und Ganz drei Jahre lang zeitgleich am Seminar unterrichteten, bis der zehn Jahre ältere Schmid dem Ruf als Ordinarius nach Prag folgte. Ganz, der aus Zürich stammte und in seiner Heimatstadt studiert und dissertiert hatte, wurde an der Universität Basel 1905 zum ausserordentlichen Professor berufen und blieb die darauffolgenden Jahre in Basel. Die Doppelrolle als Konservator und Universitätsdozent empfand er zunehmend als belastend.11 Mit dem Entscheid, sich künftig auf seine akademische Karriere zu fokussieren, reichte er 1919 die Kündigung bei der öffentlichen Kunstsammlung ein. Sein neues Ziel: die Berufung zum ordentlichen Professor, eine noch verhältnismässig junge Stelle an der Universität Basel. Jacob Burckhardt (1818–1897), Professor für Allgemeine Geschichte, begann ab 1844 vereinzelt Vorlesungen über Kunstgeschichte abzuhalten und legte ab 1858 den Fokus in seiner Lehre immer mehr auf Kunstgeschichte, bis er ab 1886 ausschliesslich Kunstgeschichte unterrichtete.12 Ob er schon einen Lehrstuhl für Kunstgeschichte im eigentlichen Sinne innehatte, lässt sich schwer nachweisen, zumal im Staatsarchiv Basel-Stadt die Akten des Kunsthistorischen Seminars erst ab 1893 beginnen:13 das Jahr, in dem Heinrich Wölfflin auf Burckhardts Empfehlung zum Professor für Kunstgeschichte berufen wurde. An der Universität Zürich dagegen wurde der Lehrstuhl für Kunstgeschichte im Jahr 1870 eingerichtet, in Bern 1878.

Als Ganz seine Tätigkeit in der öffentlichen Kunstsammlung beendete, kehrte Schmid, zwischenzeitlich nicht mehr in Prag, sondern in Göttingen, in seine Heimatstadt zurück und übernahm, wie könnte es anders sein, die vakant gewordene Konservatorenstelle. Grund seiner Rückkehr war die Berufung zum ordentlichen Professor in Basel. Als Prof. Dr. phil. Schmid und Dr. phil. Ganz wieder vereint am selben Institut waren, schien Schmid es sich zu seinem persönlichem Ziel gemacht zu haben, seinem Seminargenossen ohne Professorentitel so viele Steine wie nur möglich in den Weg zu legen: etwa ein schlechtes Beurteilungsschreiben, das die Eignung Ganz’ zum ordentlichen Professor in Zweifel zog; Anschuldigungen, dass Ganz als Konservator Fehlkäufe gemacht habe; der öffentlich ausgetragene »Holbein-Streit«,14 in dem sich die beiden Akademiker uneins waren, ob ein Bildnis von Heinrich VIII. Holbein d.J. zugeschrieben werden könne oder nicht; und schliesslich die Zugangsverweigerung zur Diapositivsammlung.

Handlungspraktiken in Sammlungen

Rückt man das letzte Beispiel unter die methodologische Lupe der science studies, in denen insbesondere die Praktiken der Forschung betrachtet werden, so ergibt sich ein Konglomerat aus verschiedenen Faktoren, die den Disput begleiteten und ihm teilweise vorangingen. Ihre Analyse kann gewinnbringende Aufschlüsse zu komplexen Verkettungen des wissenschaftlichen Forschens geben und verborgene Ein- und Ausschlussmechanismen von Wissen und Informationen aufdecken.15 Das Unsichtbare offenzulegen und Wissen zu ordnen ist eine methodologische Vorgehensweisen sowohl der science als auch der laboratory studies.16 Diese interdisziplinären Wissensgeschichten nehmen den Raum des Labors (und nicht seine Ergebnisse) als Ort von Wissensproduktion in den Fokus.17 Während diese Forschungsrichtung ihren ursprünglichen Untersuchungsgegenstand vor allem in den Naturwissenschaften fand, wurde ein solcher methodischer Zugang inzwischen auch für Praktiken der Geisteswissenschaften produktiv gemacht. So deckte der Germanist Carlos Spoerhase das Defizit der geisteswissenschaftlichen Disziplinen hinsichtlich ihrer praxeologischen Methodologie auf und leistete mit seinem Aufsatz einen ersten Beitrag zur Schliessung dieser Lücke.18 Er erklärt das bisherige Desinteresse damit, dass in historisch-philologischen Wissenspraktiken auf den ersten Blick nur wenige evidente Handlungen erkannt würden: »an Schreibtischen sitzen, Bücher lesen, Aufsätze kopieren, Textpassagen exzerpieren usw.«19 Auf einen zweiten Blick würden sich im Feld der Geisteswissenschaften Spoerhase zufolge allerdings weitaus mehr Praxisformen eröffnen, die in ihrer Benennung neue Diskurse erschlössen. Spoerhase untersucht beispielsweise den epistemologischen Raum des seminarium philologicum und charakterisiert dieses als Ort, an dem Wissen durch unentwegtes Üben anhand kopräsenter Quellentexte und Forschungsliteratur aufgefunden und angewendet wird; wo Wissensübertragung zwischen »Meister und Schüler« stattfindet; und der zur Herausbildung und Festigung eines philologischen Habitus beiträgt.

Eine Analogie zwischen natur- und geisteswissenschaftlichen Instrumenten zieht auch Schmid in seinem entrüsteten Schreiben von 1934, indem er die von ihm verwaltete Diapositivsammlung des Kunsthistorischen Seminars als Basisinstrument für sein wissenschaftliches Schaffen bezeichnet, zu dem sein »Konkurrent« Schmid keinen uneingeschränkten Zugang erhalten dürfe – weshalb er den Schlüssel nicht mit Schmid teilen will:

»Ein Gelehrter kann die Schlüssel zu seinem Laboratorium einem Kollegen dieser Art ebensowenig [sic] wie ein Kaufmann oder Industrieller seinem Konkurrenten überlassen. Das Zimmer des kunsthistorischen Seminares ist aber für mich so viel wie dem Chemiker sein Laboratorium. Ich bin gezwungen dasselbe als Arbeitsstätte zu benützen. Es ist dafür da und dafür geeignet. Meine Lehrtätigkeit würde durch das Aufgeben desselben wenn auch nicht ganz verhindert, so doch in völlig zweckloser Weise und in unleidlichem Ausmass erschwert werden.«20

Abb. 3: Glasdiapositiv aus Schmids Bildersammlung.

Diese Analogie des Kunsthistorischen Seminars zu einem Laboratorium greift Schmid drei Seiten später nochmals auf und schlussfolgert zu den Diapositivbildern: »Es ist klar, dass ich diese Bilder, die etwa dem entsprechen, was der Naturwissenschaftler seine Praeparate nennt, so lange ich lebe nicht einem Gegner wie G. überlassen kann.«21 Schmids Horror-Szenario: Ein Chaos in seinem Laboratorium (dem Kunsthistorischen Seminar) mit verschollenen Präparaten (Diapositiven). Die scheinbar unsichtbaren Instrumente der philosophisch-historischen Praxis werden durch einen Vergleich mit naturwissenschaftlichen Präparaten offengelegt und als Argument stark gemacht. Ein Blick auf philosophisch-historische Praktiken, wie Schmids Lehrtätigkeit in dessen »Arbeitsstätte«, scheint deshalb für das Entlarven struktureller, vermeintlich unsichtbarer Mechanismen umso wichtiger, die in der Rekonstruktion des Schmid-Ganz-Disputs zwingend berücksichtigt werden müssen.

Relevanz der Diapositivbilder

Zurück zur Basler Diasammlung 1926: Schmid hat soeben eine ausserordentliche Kreditgutsprache vom Erziehungsdepartement Basel-Stadt zur Anschaffung von Diapositiven im Wert von 600 Schweizer Franken erhalten.22 Damit wurde der Bestand »an Werken von Lionardo [sic], Rubens, Claude Lorrain, Böcklin und seines Kreises, sowie […] an Lichtbildern nach Barockbauten ergänzt«,23 wie aus dem Jahresbericht des Kunsthistorischen Seminars hervorgeht. Neben den Anschaffungsgegenständen ist im Bericht festgehalten, dass das Leihwesen der seminareigenen Diapositivbilder deutlich zugenommen habe. Die Gesuche hätten sich derart gemehrt, »dass ein erheblicher Teil der Zeit des Seminardirektors durch die Ausleihgeschäfte in Anspruch genommen werde.«24 Damit die wissenschaftliche Arbeit durch diesen Mehraufwand nicht beeinträchtig wird, sollten studentische Hilfskräfte eingestellt werden. Die Bewilligung dieses Vorhabens lässt nicht lange auf sich warten: Im Dezember 1926 werden vom Erziehungsdepartement die Honorare für zwei Hilfskräften mit je 50 Schweizer Franken pro Monat genehmigt und zudem eine Ausleihgebühr von 10 Rappen pro Lichtbild und Woche bewilligt, die zukünftig erhoben werden sollen, wenn Diapositivbilder ausgeliehen werden – allerdings nur unter der Bedingung, dass »die Abgabe von Lichtbildern für Unterrichtszwecke (öffentliche Schule, Volkshochschulkurse), gebührenfrei«25 erfolgt. Mit dieser finanziellen Gutsprache wurden »die Herren stud. phil Gustav Schäfer und stud. phil. Erich Hassinger eingestellt«,26 die 1927 auf Anweisung Heinrich Alfred Schmids damit begannen, die Lichtbilder zu inventarisieren, katalogisieren und einheitlich zu beschriften. Dies sollte in der Argumentation rund um die Zugänglichkeit der Diasammlung noch wichtig werden.

Die Relevanz der Diasammlung innerhalb des Kunsthistorischen Seminars spiegelt sich also in diversen Dokumenten des Universitätsarchivs der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wider: in Jahresberichten, in Finanzierungsgesuchen und -gutsprachen. Die Akten geben damit nicht nur Auskunft über den Stellenwert der Lichtbilder innerhalb des Kunsthistorischen Seminars und der Bildungslandschaft Basel-Stadt, sondern machen den vehement geführten Streit von Schmid und Ganz in seiner damaligen Brisanz besser nachvollziehbar. Die Bedeutsamkeit von Diapositivsammlung am Kunsthistorischen Seminar ist natürlich nicht nur ein kunsthistorisch- oder baselspezifisches Phänomen. Die parallele Unterrichtsform von Wort und Bild begann sich Ende des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Disziplinen allmählich zu etablieren.27 Doch scheint es gerade in der Kunstgeschichte naheliegend, vor Ort nicht vorhandene Werke mittels mechanischer Hilfsapparaturen sichtbar und damit diskutierbar zu machen.

Wie der Begriff des Diapositivs nahelegt, ist der Bildträger (licht)durchlässig (dia) und im Gegensatz zum Fotonegativ ›positiv‹.28 Ein Glasdiapositiv besteht aus zwei mit Papierbändern zusammengeklebten Glasplatten, wobei eine mit (meist monochromer) fotografischer Beschichtung den eigentlichen Bildträger darstellt, während die zweite zum Schutz der Beschichtung darübergelegt ist [Abb. 3, 4]. Die Platten haben in der Regel ein Standardmass von 8.5 x 10 Zentimetern. Über eine Halterung werden sie in den Bildwerfer eines Projektors geschoben und durch eine starke Lichtquelle und Optik in einem abgedunkelten Raum auf eine (Lein-)Wand projiziert und damit vergrössert.

Abb. 4: Inventarbuch von Schmids Bildersammlung.

Mit dem Einsatz von Doppelprojektionen können Abbildungen auch verglichen werden, wofür die Kunstgeschichtsschreibung von Heinrich Wölfflin (1864–1945) geradezu emblematisch steht. Der ehemalige Seminarkollege Schmids und Ganz’ gründete seine viel rezipierte Formanalyse auf dem methodischen Einsatz der vergleichenden Betrachtung, in der Bilder zweier (Bau-)Werke, beispielsweise verschiedener Epochen, nebeneinandergestellt und verglichen werden. Zur Praxis der Vorlesungsvorbereitung gehörte neben der Bildauswahl folglich auch die Gliederung und Struktur der Projektionsbilder, die schliesslich zur »diskursiven Formatierung der Kunstgeschichte«29 beitrugen. Diese Praxis wiederum war abhängig von Abbildungen, die, damit sie auffindbar waren, einem gewissen Ordnungssystem folgen mussten. Schmid hielt in seinem argumentativen Schreiben hierzu fest, durch die mühselig erarbeitete Ordnungsstrategie einen Leitfaden für Vorlesungen skizziert zu haben:

»Zum grossen Teil sind die Lichtbilder aber von mir auch noch nach dem Stand der Forschung und nach Massgabe eigener Studien neu beschrieben und datiert. […] Für die meisten Benützer werden die so hergerichteten Diapositive ein Leitfaden für ihre Vorlesungen sein, ein Leitfaden, der ihnen die Hälfte der Vorbereitung erspart, für den Rest doch eine keineswegs niedrig einzuschätzende Vorarbeit.«30

Diapositivbilder wurden also erst angeschafft, sodann in ein bestimmtes Ordnungssystem gebracht und schliesslich im Rahmen einer Vorlesung zusammen mit weiteren Bildern kontextualisiert, wobei das Ordnungssystem einer Sammlung, nach Schmid, prägend für den Vorlesungsaufbau war. Sammlungen und deren Zugänglichkeit sind den Argumentationen Schmids zufolge also federführend für wissenschaftlichen Output. Anders ausgedrückt: Je besser die Sammlung aufbereitet ist, desto leichter zugänglich sind die Quellen.

Das diffuse Feld von Privatem und Öffentlichem

Dieser Zusammenhang zwischen Ordnung, Zugänglichkeit und wissenschaftlichem Output geht mit der Beobachtung Susanne Neubauers einher, die bemerkt, dass insbesondere nach 1900 zunehmend das Bedürfnis aufgekommen sei, »das anwachsende Arbeitsmaterial der Reproduktionen zu klassifizieren und zugänglich zu machen.«31 Während Schmid als Professor für Allgemeine Kunstgeschichte zwar den Sammlungsbesuch seiner Studierenden begrüsste, war er gleichzeitig alles andere als erfreut, dass auch sein Institutskollege Ganz von der Ordnung der Sammlung profitieren sollte:

»Dass meine Schüler diesen Leitfaden [der Sammlung] benützen, ist mir natürlich eine Freude; aber als eine ganz besondere Ungerechtigkeit habe ich es immer empfunden, dass die Regierung gerade Herrn G. die Gelegenheit bot, diese meine Arbeit voll und ganz für seine Zwecke auszunützen.«32

Dies begründete er in seinem längeren Schreiben an den Dekan mit einer Handvoll Argumenten: Erstens stamme ein beachtlicher Teil der Sammlung aus seinem Privatbesitz, zweitens sei zum Teil von ihm persönlich oder seinen studentischen Hilfskräften Bildmaterial angefertigt worden und drittens habe die Sammlung erst durch das Ordnen ihre Nützlichkeit und ihren Wert erhalten. Insbesondere der letzte Punkt veranlasste Schmid dazu, die Sammlung kurzerhand als sein geistiges Eigentum zu deklarieren:

»Und auch diese Sammlung ist – wenigstens in geistiger Hinsicht – durchaus mein Eigentum. Zunächst ist durch meine und meines Assistenten Arbeit der Bestand, den ich übernommen habe, soweit geordnet worden, dass er für Jedermann nunmehr ein wirklich brauchbares Instrument des kunstgeschichtlichen Unterrichts geworden ist. Das war vorhin nicht der Fall. [D]iese meine Arbeit am Institut kommt jetzt am meisten gerade ihm [Paul Ganz, NM] zu Gute, ohne dass er eine andere Mühe damit hätte, als die Platten durch seine Assistentin abholen zu lassen.«33

Mit der Berufung auf geistiges Eigentum konstatierte Schmid indirekt, dass zwischen materiellem und geistigem Eigentum unterschieden werden kann. Die von ihm geleistete Arbeit wäre ohne die mit öffentlichen Geldern finanzierten Diapositive wert- und sinnlos. Umgekehrt ist ein Inventarisierungssystem für die Zugänglichkeit zu Diapositiven elementar.

Die diffuse Trennlinie zwischen privatem und öffentlich-universitärem Eigentum ist kein singuläres Phänomen, das nur Schmid betroffen hat. Ganz stellte in seinem 1948 verfassten Jahresbericht des Archivs für Schweizerische Kunstgeschichte einen Rückblick auf die Jahre 1928–1948 an und rekapitulierte den in seinen Anfangszeiten als Privatdozent rudimentär gestalteten Unterricht.34

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheint eine Bildersammlung am Kunsthistorischen Seminar der Universität Basel noch inexistent gewesen zu sein, weshalb er Planaufnahmen der Eidgenössischen Kommission für historische Kunstdenkmäler ausgeliehen hat und selbst Skizzen an der Wandtafel anfertigte, um das Gesagte zu verdeutlichen. Später hat er die benötigten Reproduktionen auf privater Basis beschafft und begründete damit seinerseits eine Abbildungssammlung. Im Unterschied zu der von Schmid verwalteten Sammlung konzentrierte sich seine auf die Schweizerische Kunstgeschichte. Es liegt daher nahe, dass Ganz trotz seiner eigenen Bestände nach wie vor auf die Sammlung der Allgemeinen Kunstgeschichte angewiesen war. Den systematischen Ausbau seiner eigenen Bildersammlung betrachtete Ganz als eine Hauptaufgabe seines Seminars: Berger zufolge setzte Ganz sich ab 1927 das Ziel, seine private Sammlung in eine universitäre Institution umzuwandeln. Nach den ersten Ablehnungen der Behörden kam der Gegenvorschlag des Erziehungsdepartements Basel-Stadt, die Sammlung von Ganz in Schmids Institutssammlung einzugliedern. Diesen Vorschlag wies Ganz in einem Schreiben von 1928 allerdings bestimmt zurück: Die Reproduktionen könnten nicht »in das von Prof. Schmid geleitete kunsthistorische Seminar eingereiht werden, da sie mein persönliches Eigentum sind.«35 Auch Ganz schreibt in Bezug auf seine Bildersammlung also von persönlichem Eigentum. Nur, im Unterschied zu Schmid trifft dies bei ihm sowohl in geistiger als auch materieller Hinsicht zu. Aus diesem Grund wird der Entscheid von Ganz vom Erziehungsdepartement Basel-Stadt für plausibel erklärt und in einem Brief an Schmid übermittelt.36 Der Entschluss ist hinsichtlich des »Diapositiven-Konflikts« also ein Tropfen mehr in das ohnehin schon überlaufende Fass. Zudem wurde, sehr wahrscheinlich zum Ärger Schmids, Ganz’ Vorschlag, ein öffentliches »Archiv für Schweizerische Kunstgeschichte« zu gründen, 1932 schliesslich genehmigt.37 Trotz der universitären Übernahme seines Archivs hatte nach wie vor Ganz die Fäden in der Hand: Nach einigen Bauarbeiten an seinem Wohnhaus an der Hebelstrasse 7 wurde das Archiv, das zu Beginn 15’000 Lichtbilder zählte, mitsamt einem Arbeitssaal in seinen privaten Räumlichkeiten eingerichtet.

Die komplexe Verschachtelung von Privatem und Öffentlichem kann auch auf einer anderen Ebene betrachtet werden: Einerseits stehen von einer Universität angestellte Wissenschaftler*innen in einem Arbeitsverhältnis, andererseits ist der Inhalt der Forschung ihr geistiges Eigentum. Diese Sachlage kann zu Interessenskonflikten führen, wie im Rahmen der Nachforschungen zu diesem Artikel deutlich wurde. Auf eine Anfrage meinerseits informierte die Fachperson einer Sammlung darüber, dass die gewünschten Inventarregister alle auf persönliche Initiative hin zusammengetragen worden seien und daher keine Auskunft gegeben werden könne. In einem netten, zuvorkommenden Tonfall wurden alternative Essaythemen vorgeschlagen. Verbunden mit dem Hinweis, für die Recherchearbeit ein anderes Archiv aufzusuchen. Diese Anekdote muss im Kontext einer grösseren Fragestellung betrachtet werden: Ist Wissen, das in einem Arbeitsverhältnis mit öffentlichen Geldern und aus öffentlichen Sammlungen zusammengetragen wurde, persönliches, privatisierbares Wissen? Was kann noch als persönliche Initiative und geistiges Eigentum bewertet werden und was ist eine Grundleistung, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einer öffentlichen Institution erwartet werden kann? Liegt dies im Auge der betrachtenden Person?

Geschriebene und ungeschriebene Gesetze

Das Spannungsfeld zwischen Privatem und Öffentlichem nimmt also wesentlichen Einfluss auf Zugänglichkeit und Unzugänglichkeit von Wissen. In der Hoffnung, etwas Klarheit in das Konglomerat einander überlagernder Faktoren bringen zu können, die die komplexen Verstrickungen des Disputs einerseits, aber auch die Zugänglichkeit von Sammlungen und Wissen andererseits bedingen, lohnt es sich, die zugrunde liegenden Gesetze – sowohl die rechtlich verpflichtenden als auch die ungeschriebenen – eingehender zu betrachten.

Die rechtlichen Bestimmungen der universitären Sammlungen haben sich vor nicht allzu langer Zeit geändert: 2001 trat das Gesetz über das Universitätsgut in Kraft, welches besagt, dass Universitätsgut, das bereits vor 1996 in universitärem Besitz war, Eigentum des Kantons Basel-Stadt ist.38 Grund dieser Zäsur ist, dass die Universität 1995 in die Autonomie entlassen wurde und seither von den beiden Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft gleichberechtigt getragen wird. Das Universitätsgut besteht nach Paragraf 3 des Gesetzes erstens aus allen eingetragenen Liegenschaften, zweitens aus allen Sammlungen der staatlichen Museen39 und schliesslich drittens aus dem Inventar der Öffentlichen Bibliothek und allen Sammlungen der Institute der Universität. Zu Letzteren zählt auch die heute im Kunsthistorischen Seminar aufbewahrte Glasdiapositivsammlung, und damit auch Schmids Glasdiapositiv-Sammlung.

Abb. 5: Schriftliche Vereinbarung zwischen Prof. Dr. Paul Ganz und Prof. Dr. Heinrich Alfred Schmid.

Bereits Schmid scheint sich Gedanken zur rechtlichen Grundlage gemacht zu haben, wenn er zur Forderung der Schlüsselübergabe schrieb: »Es ist das eine Forderung, für die ein formelles Recht vielleicht irgendwie geltend gemacht werden kann, für die aber durchaus keine praktische Notwendigkeit vorliegt […].«40 Er hielt es nicht für notwendig, weil er selbst auch keinen Schlüssel zu den Räumlichkeiten verlange, denen Ganz vorsteht. Schmid beschreibt seine Haltung, als ginge es um eine selbstverständliche Ehrensache, dass nicht im Forschungsfeld der Seminarkolleg*innen gestöbert wird. Auch die ungeschriebenen Gesetze wissenschaftlichen Arbeitens kann ein praxeologischer Blick also erhellen: Die Beschreibung wissenschaftlicher Praktiken macht die Herausbildung und Festigung eines wissenschaftlichen Habitus nachvollziehbar. Die an einem Seminar erlernten Denk- und Handlungsschemata können dabei im Sinne eines wissenschaftlichen Verhaltenskodexes als verpflichtend interpretiert werden. In der Wissenschaftsgeschichte sind bereits zahlreiche solche Kodizes publiziert worden, wobei in einem aktuellen Beispiel der Akademien der Wissenschaften Schweiz die wissenschaftliche Integrität in einem Kodex zur wissenschaftlichen Integrität folgendermassen definiert ist:

»Wissenschaftliche Integrität beruht auf der Einhaltung von grundlegenden Prinzipien und deren vielfältigen, kontextbezogenen Konkretisierungen. Diese leiten WissenschaftlerInnen bei ihrer Arbeit sowie bei ihrer Auseinandersetzung mit den praktischen, ethischen und intellektuellen Herausforderungen, die sich bei ihrer Tätigkeit in Forschung und Lehre ergeben.«41

Weiter sei wissenschaftliches integres Verhalten den Grundprinzipien Verlässlichkeit, Redlichkeit, Respekt und Verantwortung verpflichtet.42 Der Verbund appelliert dabei stark an die Selbstverantwortung der Wissenschaftler*innen, wobei wahrscheinlich gerade in der Möglichkeit der individuellen Interpretation Konfliktpotenzial liegt. Was beispielsweise unter Respekt oder Fairness verstanden wird, liegt sehr im Auge des Betrachters oder der Betrachterin, wie bereits das Verhalten Schmids und Ganz’ vor knapp einem Jahrhundert eindrücklich illustriert.

Das Ende der Zankereien und die Glasdias heute

Nach einigen Anläufen, in denen der Dekan Stähelin vergeblich an die Vernunft der zwei Institutskollegen appellierte, sprach er in einem Brief an Schmid vom 3. Dezember 1935 schliesslich ein Machtwort:

»Dies [den Sammlungszugang] ihm [Ganz], und gerade nur ihm alleine, zu verweigeren [sic] hiesse Ihren persönlichen Zwist mit ihm zu einer Staatsinstitution erheben, und da ich dies weder kann noch will, treffe ich hiemit [sic] als Dekan die Verfügung, dass Herr Ganz je am Mittwoch- und Freitagnachmittag das Recht erhält, die Sammlung der Diapositive des Seminars für allgemeine Kunstgeschichte zu betreten […].«43

Um diese Massregelung unmissverständlich geltend zu machen, leistete eine schriftliche Vereinbarung Beihilfe, die im Unterschied zu einem Verhaltenskodex keinen Spielraum für Interpretationen liess [Abb. 5]. Dass dies bei Schmid Unmut hervorrief, verwundert nicht. Aber auch Ganz war mit der von Stähelin aufgesetzten Vereinbarung unzufrieden. So betonte er im Begleitbrief des unterzeichneten Exemplars der Vereinbarung deren provisorischen Charakter:

»Ich behalte mir aber ausdrücklich vor, auf diese provisorische Ragelung [sic] zurückzukommen und mein Recht geltend zu machen, das aus öffentlichen Mitteln der Universität angeschaffte Lehrmaterial ohne jede Beschränkung benützen zu können.«44

Zumindest den im Archiv aufbewahrten Seminar-Dokumenten zufolge scheinen die Zankereien danach zu einem Ende gekommen zu sein. Darüber, ob sich die zwei Seminarkollegen auch in den darauffolgenden Jahren noch aus dem Weg gingen, um »unliebsame Zwischenfälle«45 tunlichst zu vermeiden, kann lediglich spekuliert werden. Genauso über die möglichen Gründe, weshalb diese Schriften, die so peinlich genau Auskunft über die Unstimmigkeiten der zwei Professoren geben, feinsäuberlich aufbewahrt wurden: Waren es rechtliche Gründe? War es zur Belustigung? Dafür, dass die Archivakten die gesamte Zeitspanne von 1910 bis 1943 am Kunsthistorischen Seminar abbilden sollen, nehmen die Dokumente zum Streit um den Sammlungszugang überproportional viel Raum ein. Sicherlich ereigneten sich noch weitere Zwischenfälle am Seminar, die jedoch nicht archiviert sind und damit in Vergessenheit gerieten. Archivierte Objekte dürfen also keineswegs als objektive, umfassende Zeugnisse verstanden werden und weisen in ihrem Dasein eine gewisse Kontingenz auf. Doch ist wiederum genau diese Kontingenz enorm aussagekräftigt, wenn darüber reflektiert wird, was sie über Praktiken und hegenominale Ansprüche aussagt.

Abb. 6: Die heute aufbewahrten Glasdiapositive am Kunsthistorischen Seminar der Universität Basel.

Dies trifft nicht nur auf im Staatsarchiv untergebrachte Objekte zu, sondern genauso auf die Diapositivsammlung des Kunsthistorischen Seminars: War die Sammlung einst der Brennpunkt einer hitzig geführten Diskussion am Seminar, so ist sie heute ein nur noch wenig beachtetes, historisches Relikt und Zeitzeugin der vordigitalen Kunstgeschichtslehre. Die beiden Mitarbeiterinnen des Kunsthistorischen Seminars, Sabine Gisiger (Verantwortliche der seminarinternen Mediathek) und Daniela Steinebrunner (Mitarbeiterin Administration), gaben Auskunft zur analog-digitalen Verlagerung der Bildersammlung, die am Seminar 2004 ihren Anfang genommen hat: Man entschied sich, die Online-Bilddatenbank EasyDB einzuführen, mit der digitale Bilder für den Lehrbetrieb erstellt und verwaltetet werden. Im Laufe dieses Digitalisierungsprozesses rückte die von Schmid verfochtene und um Kleindiapositive gewachsene Diapositivsammlung zunehmend in den Hintergrund, bis sie schliesslich keine Verwendung mehr fand. »Nachdem die Diathek in ein anderes Büro umgezogen ist und der Name in Mediathek geändert wurde, sassen wir auf all den Dias und wussten nicht, was damit zu machen ist.«46

Aus Platzgründen entschied man sich für eine Teilung der Sammlung: Gisiger zufolge sind alle Kleinbilddias auf Initiative des Emeritus Beat Brenk der Mittelalterprofessur der Universität Salerno vermittelt worden, die zuvor keinen eigenen Zugang zu Bildmaterialien hatte.47 In einer aufwändigen Überführungsaktion wurden die Kleinbilddias 2014 in über 100 Umzugskartons in einem Lastwagen nach Italien transportiert. Die Glasdiapositive der Sammlung hingegen und damit auch die von Schmid geordneten Bildbestände mitsamt den Inventarbüchern beschloss man aufzubewahren. Diese dienen allerdings nicht mehr als Material der Forschung und Lehre, sondern sind in ihrer Medialität selbst Forschungsgegenstand. Die Glasdiapositive befinden sich heute in grauen Kartonschachteln verpackt etwas vergessen und unbeachtet in einem Archivraum des Kunsthistorischen Seminars [Abb. 6]. Zwar ist die Sammlung auf Anfrage nun ganz unkompliziert und frei zugänglich zu besichtigen, doch ist sie nicht mehr erfahrbar in ihrem Medium: Schon vor Jahren hat sich das Seminar von all seinen Glasdiapositiv-Projektoren getrennt.

Naemi Meier studiert Kunstgeschichte und Soziologie an der Universität Basel.

Ist Wissen, das in einem Arbeitsverhältnis mit öffentlichen Geldern und aus öffentlichen Sammlungen zusammengetragen wurde, persönliches, privatisierbares Wissen?

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Albert Teichmann, Portrait von Heinrich Alfred Schmid (1938?), Monochromfotografie, 16.5 x 11.6 cm, Blatt 25.1 x 18.3 cm, Basel: Universitätsbibliothek, Kartensammlung UBH.

Abb. 2: August Höflinger, Portrait von Prof. Dr. Paul Ganz (ca. 1922–1932), Silbergelatineabzug, 16.6 x 22.1 cm, Zürich: Zentralbibliothek, Graphische Sammlung und Fotoarchiv, Ganz, Paul Fot. III, 1.

Abb. 3: Franz Stoedtner, Die Geisselung Christi von Albrecht Dürer von 1512 (1860), (Blatt 6 der Kupferstich Passion), Glasdiapositiv, 11.7 x 7.4 cm, Basel: Glasdiasammlung KHS BS, Box A, (D id.m. 16958).

Abb. 4: Sabine Gisiger, Inventarbuch zur Glasdiapositiv-Sammlung (7. Mai 2021), Basel: Universität Basel, Kunsthistorisches Seminar.

Abb. 5: Kunsthistorisches Seminar der Universität Basel, Vereinbarung zwischen Prof. Dr. Paul Ganz und Prof. Dr. Heinrich Alfred Schmid, unterzeichnet von Prof. Dr. Heinrich Alfred Schmid, Prof. Dr. Paul Ganz, Prof. Dr. Henry Lüdeke, [fünfte Unterschrift nicht entzifferbar] (16. Dezember 1935), Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17.

Abb. 6: Sabine Gisiger, In Kartonschachteln aufbewahrte Glasdiapositive an ihrem heutigen Standort im kunsthistorischen Seminar der Universität Basel (7. Mai 2021), Basel: Universität Basel, Kunsthistorisches Seminar.

Literatur
  1. 1

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 1.

  2. 2

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 1.

  3. 3

    Vgl. Joseph Gantner: »Der Unterricht in Kunstgeschichte an der Universität Basel 1844–1938«, in: Hans Christoph von Travel, Peter Vignau-Wilberg (Hg.): Kunstwissenschaft an Schweizer Hochschulen 1: Die Lehrstühle der Universitäten in Basel, Bern, Freiburg und Zürich von den Anfängen bis 1940, Zürich: Schweizerisches Institut für Kunstgeschichte (1976/1977), S. 9–24, hier S. 21–24.

  4. 4

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 1.

  5. 5

    Paul Ganz an Felix Stähelin, 29. November 1935, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 1.

  6. 6

    Die ersten zehn Kunstführer entstanden auf Initiative und unter Leitung von Prof. Dr. Paul Ganz in den Jahren 1936–1951. Mit einem Umfang von acht Seiten und schwarz-weissen Abb. wurden sie zum Preis von 30 Rappen noch unter dem Titel Kleine Führer verkauft. Vgl. Saskia Ott Zaug: »Geschichte der Schweizerische Kunstführer«, in: Gesellschaft für Schweizerische Kunstführer, https://www.gsk.ch/sites/default/files/Geschichte%20der%20SKF_GSK-Webseite_3.pdf.(2016), S. 1f.

  7. 7

    Felix Stähelin an Heinrich Alfred Schmid, 3. Dezember 1935, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17.

  8. 8

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 4.

  9. 9

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 5.

  10. 10

    Vgl. im Folgenden Sandra Berger: Paul Ganz und die Kunst der Schweiz. Eine Biografie, Bielefeld: Transcript (2015).

  11. 11

    Vgl. Sandra Berger: Paul Ganz und die Kunst der Schweiz. Eine Biografie, Bielefeld: Transcript (2015), S. 72.

  12. 12

    Joseph Gantner: »Der Unterricht in Kunstgeschichte an der Universität Basel 1844–1938«, in: Hans Christoph von Travel, Peter Vignau-Wilberg (Hg.): Kunstwissenschaft an Schweizer Hochschulen 1: Die Lehrstühle der Universitäten in Basel, Bern, Freiburg und Zürich von den Anfängen bis 1940, Zürich: Schweizerisches Institut für Kunstgeschichte (1976/1977), S. 9–24, hier S. 9–13.

  13. 13

    Vgl. »Professur (Kunstgeschichte) Jacob Burckhardt, Heinrich Wölfflin, Heinrich Alfred Schmid, Karl Cornelius, Paul Schubring, Ernst Heidrich, Friedrich Rintelen, Josef Gantner«, Akte 1893–1838, Staatsarchiv Basel-Stadt, Erziehung CC 20b.

  14. 14

    Vgl. Lena Bader: »Kopie und Reproduktion im Holbein-Streit. Eine wissenschaftshistorische Retrospektive aus bildkritischer Perspektive«, in: Bałus Wojciech (Hg.): Die Etablierung und Entwicklung des Faches Kunstgeschichte in Deutschland, Polen und Mitteleuropa, Warszawa: Instytut Sztuki Polskiej Akademii Nauk (2010) (Das gemeinsame Kulturerbe 6), S. 155–157.

  15. 15

    Vgl. Knut Ebeling, Stephan Günzel: »Einleitung«, in: dies. (Hg.): Archivologie. Theorien des Archivs in Wissenschaft, Medien und Künsten, Berlin: Kulturverlag Kadmos (2009), S. 7–28, hier S. 8.

  16. 16

    Vgl. Knut Ebeling, Stephan Günzel: »Einleitung«, in: dies. (Hg.): Archivologie. Theorien des Archivs in Wissenschaft, Medien und Künsten, Berlin: Kulturverlag Kadmos (2009), S. 7–28, hier S. 9. Für einen Überblick zu science studies im Allgemeinen vgl. Jan Golinski: Making Natural Knowledge. Constructivism and the History of Science, Chicago: University of Chicago Press (2005 [1998]).

  17. 17

    Vgl. Bruno Latour, Steve Woolgar: Laboratory Life. The Construction of Scientific Facts, Princeton: Princeton University Press (2013 [1986]).

  18. 18

    Vgl. Carlos Spoerhase: »Das ›Laboratorium‹ der Philologie? Das philologische Seminar als Raum der Vermittlung von Praxiswissen (circa 1950–1900)«, in: Andrea Albrecht et al. (Hg.): Theorien, Methoden und Praktiken des Interpretierens, Berlin: De Gruyter (2015), S. 53–80.

  19. 19

    Carlos Spoerhase: »Das ›Laboratorium‹ der Philologie? Das philologische Seminar als Raum der Vermittlung von Praxiswissen (circa 1950–1900)«, in: Andrea Albrecht et al. (Hg.): Theorien, Methoden und Praktiken des Interpretierens, Berlin: De Gruyter (2015), S. 53–80, hier S. 57f.

  20. 20

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 1.

  21. 21

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 4.

  22. 22

    Vgl. Fritz Hauser an Heinrich Alfred Schmid, 27. Dezember 1926, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17. Bezogen auf den Konsumentenpreisindex entspricht dies heute einem Wert von CHF 3’842. Vgl. Christian Pfister und Roman Studer: »Einzelwerte«, in: Swistoval, http://www.swistoval.ch/content/einzelwerte.de.html (2010).

  23. 23

    Heinrich Alfred Schmid, »Berichte des kunstgeschichtlichen Seminars für das Jahr 1926«, Jahresbericht, 1926, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 1.

  24. 24

    Heinrich Alfred Schmid, »Berichte des kunstgeschichtlichen Seminars für das Jahr 1926«, Jahresbericht, 1926, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 2.

  25. 25

    Vgl. Fritz Hauser an Heinrich Alfred Schmid, 27. Dezember 1926, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17.

  26. 26

    Heinrich Alfred Schmid, »Berichte des kunstgeschichtlichen Seminars für das Jahr 1926«, Jahresbericht, 1926, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 2.

  27. 27

    Vgl. Susanne Neubauer: »Sehen im Dunkeln. Diaprojektion und Kunstgeschichte«, in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Basel, Jg. 9–10, (2002–2003), S. 176–189. Online: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=gbj-002:2002:9::363.

  28. 28

    Vgl. im Folgenden Susanne Neubauer: »Sehen im Dunkeln. Diaprojektion und Kunstgeschichte«, in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Basel, Jg. 9–10, (2002–2003), S. 176–189, hier S. 180. Online: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=gbj-002:2002:9::363.

  29. 29

    Susanne Neubauer: »Sehen im Dunkeln. Diaprojektion und Kunstgeschichte«, in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Basel, Jg. 9–10, (2002–2003), S. 176–189, hier S. 179. Online: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=gbj-002:2002:9::363.

  30. 30

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 3.

  31. 31

    Vgl. Susanne Neubauer: »Sehen im Dunkeln. Diaprojektion und Kunstgeschichte«, in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Basel, Jg. 9–10, (2002–2003), S. 176–189, hier S. 182. Online: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=gbj-002:2002:9::363.

  32. 32

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 3.

  33. 33

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 2.

  34. 34

    Vgl. im Folgenden Sandra Berger: Paul Ganz und die Kunst der Schweiz. Eine Biografie, Bielefeld: Transcript (2015), S. 146–157.

  35. 35

    Paul Ganz zit. in: Fritz Hauser an Heinrich Alfred Schmid, 7. Dezember 1928, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17.

  36. 36

    Vgl. Fritz Hauser an Heinrich Alfred Schmid, 7. Dezember 1928, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17.

  37. 37

    Vgl. Sandra Berger: Paul Ganz und die Kunst der Schweiz. Eine Biografie, Bielefeld: Transcript (2015), S. 20.

  38. 38

    Vgl. im Folgenden Gesetzessammlung Kanton Basel-Stadt: SG 440.400. Gesetz über das Universitätsgut (Universitätsgutgesetz), https://www.gesetzessammlung.bs.ch/app/de/texts_of_law/440.400/versions/3407 (26. April 2015).

  39. 39

    Vgl. hierzu Gesetzessammlung Kanton Basel-Stadt: SG 451.100, Gesetz über die Museen des Kantons Basel-Stadt (Museumsgesetz), https://www.gesetzessammlung.bs.ch/app/de/texts_of_law/451.100/versions/5120 (16. Juni 1999).

  40. 40

    Heinrich Alfred Schmid an Henry Lüdeke, 18. April 1934, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17, S. 1.

  41. 41

    Vgl. Akademien der Wissenschaften Schweiz (Hg.): Kodex zur wissenschaftlichen Integrität, Langnau: Vögeli AG (2021), S. 15. Online: https://api.swiss-academies.ch/site/assets/files/25852/kodex_layout_de_web.pdf.

  42. 42

    Vgl. Akademien der Wissenschaften Schweiz (Hg.): Kodex zur wissenschaftlichen Integrität, Langnau: Vögeli AG (2021), S. 15. Online: https://api.swiss-academies.ch/site/assets/files/25852/kodex_layout_de_web.pdf.

  43. 43

    Felix Stähelin an Heinrich Alfred Schmid, 3. Dezember 1935, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17.

  44. 44

    Paul Ganz an Felix Stähelin, 20. Dezember 1935, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17.

  45. 45

    Paul Ganz an Felix Stähelin, 20. Dezember 1935, Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv XI 2.17.

  46. 46

    Mail-Korrespondenz mit Daniela Steinebrunner, geführt von Naemi Meier am 30. November 2020.

  47. 47

    Interview mit Sabine Gisiger, geführt von Naemi Meier am 7. Mai 2021.