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Materialwissen: Experimentelle Geschichte im Pharmaziemuseum
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Byron Cole Dowse

Heilsames Wasser im Baselland?

Heute sind Mineralwässer als Durstlöscher selbstverständlicher Teil unseres Alltags. In der Frühen Neuzeit erforschte und nutzte man diese in erster Linie als Heilmittel. Was hat sich seit damals geändert?

Mineralwässer heute und damals

Im 17. Jahrhundert begannen Schweizer Naturforscher – mit wachsender Begeisterung – Mineralwässer aus dem Kanton Baselland, lokal auch Baselbiet genannt, chemisch zu untersuchen. Das Interesse an Wasserquellen mit heilender Wirkung war zu dieser Zeit jedoch kein neues Phänomen. Bereits seit dem Mittelalter wurden diese besucht und rege gebraucht. Mit dem Auftauchen neuer wissenschaftlicher Methoden änderten sich allerdings die Erklärungen und Begründungen, aber nicht unbedingt die medizinische Nutzung der Mineralwässer. Welchen Einfluss hatte die chemische Analyse auf die medizinische und pharmazeutische Nutzung der Mineralwässer und was genau verstand man in dieser Epoche unter »chemischer Analyse«?

Heutzutage enthalten Mineralwasseretiketten eine Vielzahl von Informationen über mineralische Inhaltsstoffe. Lange Listen von Mineralien in kleinsten Mengen geben den Käufer*innen das Gefühl, verschiedene Wässer präzise vergleichen zu können. Doch was lässt sich aus diesen Angaben über den Gesundheitswert eines Mineralwassers erfahren? Was macht uns glauben, dass dieses oder jenes Wasser besonders gesund ist? In der Regel werden wir auf einzelne Substanzen oder die besondere Zusammensetzung verwiesen. Aber selbst dann, wenn wir die Etiketten verschiedener Mineralwässer genau studieren und den Inhalt der Flaschen probieren, können wir im Vergleich weiterhin nur vermuten, dass ein Wasser gesünder ist, weil es mehr oder weniger hohe Anteile von diesem oder jenem Mineral aufweist. Schliesslich haben einzelne Mineralien eine bekannte und nachgewiesene gesundheitliche Bedeutung. Vor dreihundert Jahren gingen Ärzte noch weiter. Gestützt auf chemische Analysen trauten sie einzelnen Wässern zu, konkrete Krankheiten heilen zu können. Dieser Auffassung folgen wir heute nicht mehr. Nicht nur das Verständnis von Krankheit und Gesundheit hat sich grundlegend gewandelt, auch unser Verhältnis zu Mineralwässern ist kaum noch vergleichbar.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch Stoffwahrnehmungen einem historischen Wandel unterliegen. Was Mediziner der Frühen Neuzeit ausführlich erörterten, steht heute nicht mehr auf den Etiketten, beziehungsweise wird bestenfalls als selbstverständliches Wissen vorausgesetzt: nämlich die Beschreibung des Wassers als einer sinnlich wahrnehmbaren Substanz. Die Qualität der Flüssigkeit, ihre Trübe oder Klarheit, Wärme oder Kälte, Farbe, Geschmack oder Konsistenz erwähnen die Flaschenaufdrucke nicht. Die Qualität eines Wassers ergibt sich einzig und allein aus dem Nachweis der Inhaltsstoffe und deren Zusammensetzung. Die fünf Sinne scheinen bei der Bewertung des Wassers nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen. Dabei ist diese Art der Stoffwahrnehmung über Jahrhunderte hinweg die einzige verfügbare Methode der Wasserbewertung gewesen und erst mit den verschiedenen chemischen Methoden der Analyse sukzessive verdrängt worden. Die Wässer, mit denen die Menschen zuvor ihre Krankheiten behandelten oder ihre Toten wuschen, sind »unvergleichbar dem, was als H2O bezeichnet und industriell hergestellt wird«, schrieb Ivan Illich 1987.1 In chemischer Sicht sind Mineralwässer H2O + Fe (Eisen), Ca (Calcium), Mg (Magnesium) und vieles mehr. Die Heilwässer der Frühen Neuzeit waren etwas völlig anderes. Illich schrieb eine Geschichte des Wassers – eines scheinbar geschichtslosen Stoffes – und verwies auf den Wandel der Wahrnehmung des Wassers und der verschiedensten damit verbundenen Bedeutungen und Praktiken. Mich interessiert hier in erster Linie, wie die chemische Untersuchung der Wässer in Baselbieter Dörfern des 17. und 18. Jahrhunderts Einzug gehalten hat, und welchen Einfluss die aufkommende Chemie auf die zeitgenössischen Vorstellungen von der medizinischen Wirkung dieser Wässer hatte.

Abb. 1: Etikette des Eptinger Mineralwassers ohne Kohlensäure.

Baselbieter Heilwässer in der Gegenwart

Etwa zwei Kilometer ausserhalb des Dorfkerns von Eptingen (BL) befindet sich die Quelle des Eptinger Mineralwassers. Seit der Gründung der Mineralquelle Eptingen AG im Jahr 1899 wird dieses Wasser in Flaschen abgefüllt und verkauft. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erlebte Eptingen als Bade- und Kurort ähnlich wie viele andere Schweizer Bäder seine Blütephase.2 Bis heute hat sich im Dorf ein Gasthof namens »Bad Eptingen« erhalten. Neben dem Namen deuten noch der imposante Bau und seine Funktion als Restaurant und Hotel auf den früheren Glanz des Bade- und Kurorts hin. Gebadet wird dort seit 1924 jedoch nicht mehr.3

Auf der Website des Unternehmens wird das Eptinger Wasser als das Schweizer Mineralwasser mit den meisten Mineralien beworben. Es sei frei von Uran und Nitrat und werde aus besonders tiefer Lage (471 Meter unter der Erdoberfläche) gefördert, was als ein Qualitätsmerkmal ausgewiesen wird. Ausser der Abfüllung in PET- und Glasflaschen und dem Zusatz von Kohlensäure werde keine weitere Bearbeitung vorgenommen. Untersucht werde die Wasserqualität täglich vom hauseigenen Labor und regelmässig von einer Drittpartei.4 Die gewissenhafte Prüfung steht als Garant einer gleichbleibenden Qualität des Wassers und der gesunden Wirkung der darin enthaltenen Mineralstoffe.5

Oberhalb von Häfelfingen, nahe der Burg Homburg, in Bad Ramsach, wird hingegen bis heute gebadet. Das »Bad Ramsach Quellhotel« nutzt die nahe gelegene Quelle für ihr Mineralheilbad und bietet einen Spa.6 Auch in Bad Ramsach werden die Zusammensetzung sowie die gesunden Eigenschaften des Wassers und seine »regenerative Wirkung« in Bezug auf den körperlichen Gebrauch zur Entspannung und Heilung hervorgehoben und besonders beworben. Unter ärztlicher Leitung wird das eidgenössisch anerkannte Heilbad durch weitere physiotherapeutische Angebote u.v.m. ergänzt; verschiedene Produkte, darunter auch Heilsalze – allerdings keine aus der eigenen Quelle gewonnenen –, sind im Onlineshop erhältlich. Nur etwa 350 Meter vom Hotel entfernt entspringt das durch den Mergel des Jura-Muschelkalks mit Mineralien angereicherte Wasser. Es handle sich um ein »[…] Calcium-Sulfat Wasser mittlerer Konzentration mit der Menge von 1313 mg gelösten festen Stoffen pro Liter […]«. Nebst Calcium und Sulfat enthalte das Wasser Magnesium, Strontium und Hydrogencarbonat. Aufgrund des pH-Werts von mindestens 7 gelte das Wasser als rein basisch; die darin enthaltenen Stoffe seien förderlich für den Ausgleich des Säure-Basen Haushalts und wirkten »entwässernd, entquellend und festigend auf das Gewebe, vor allem die Knochen.«7

In der Region um Basel sind einzig das Eptinger Mineralwasser als Getränk und das Ramsacher Badwasser bis heute von Bedeutung. Im 19. Jahrhundert gab es weitere Mineralbäder, so etwa in Bad Bubendorf und Bad Schauenburg. Doch werden die damals an diesen Orten gebauten Gasthöfe heute lediglich zur Erholung, Verpflegung und Übernachtung genutzt. Die nahen Quellen und deren frühere Verwendung klingen nur noch im Namen nach. Es gab weitere Baselbieter Mineralwasserquellen, die von der lokalen Bevölkerung schon seit der Antike genutzt wurden, nicht zuletzt wegen ihrer Heilwirkung. In der ehemaligen Siedlung und heutigen archäologischen Ausgrabungsstätte Augusta Raurica sind Überreste eines Bads und Brunnenwerks gefunden worden. Der erhöhte Schwefelgehalt des Wassers hat die Archäolog*innen veranlasst zu vermuten, dass es sich möglicherweise um ein Heilbad und einen Ort für Trinkkuren gehandelt hat. Bereits der römische Naturforscher Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) hat Badekuren mit schwefelhaltigem Wasser gegen Nervenleiden empfohlen.8

Abb. 2: Postkarte des Bad- und Kurhauses in Eptingen (um 1900).

Daniel Bruckner und die Baselbieter Mineralwässer des 18. Jahrhunderts

Nur wenig historische Literatur handelt von den Baselbieter Mineralwässern, ihrer medizinischen Nutzung und chemischen Erforschung. Zwar gibt es die Arbeiten der Apothekerin Elisabeth Binz Nocco zu Schweizer Heilwässern, jedoch behandeln diese insbesondere Beispiele im Tessin. Einige der weniger ortsspezifischen Kontextinformationen, die Binz Nocco erarbeitet hat, sind aber auch auf das Baselbiet anwendbar. So hat Binz Nocco gezeigt, dass neben Plinius dem Älteren weitere bedeutende Ärzte der Antike, etwa Hippokrates und Galen, in ihren Schriften die Heilwirkung von Mineralwasser thematisierten und seine therapeutische Verwendung empfahlen. Erste Wassertherapien, die auf den Prinzipien der Humorallehre beruhten, reichen zurück bis in die Antike. Ziel war es, durch vermehrtes Trinken von Wasser einen Ausgleich der Säftequalitäten im Körper zu erreichen. Schon zu dieser Zeit unterschied man zwischen Trink- und Badekuren und entwarf die Grundlagen der Balneotherapie (Badetherapie), welche in veränderter Form bis heute in der Physiotherapie ihre Anwendung findet. Nur von Inhaltsstoffen der Mineralwässer war damals noch kaum eine Rede, obwohl verschiedene Wasserqualitäten von grösster Wichtigkeit waren.9 Spätestens ab dem späten 16. und dem 17. Jahrhundert sollte sich dies in Europa ändern. Eine Vielzahl von Mineralquellen in England, Deutschland und Frankreich wurden in dieser Zeit von Naturforschenden wie Leonhard Thurneysser (1531–1596), Andreas Libavius (1555–1616), Johann Baptista van Helmont (1580–1644), Robert Boyle (1626–1692) oder Samuel Cotterau Duclos (1598–1685) beschrieben und auf ihre empirisch nachweisbaren Bestandteile untersucht.10

Die vielleicht ausführlichsten Beschreibungen der Baselbieter Heilwässer aus der Frühen Neuzeit verdanken wir dem Werk von Daniel Bruckner (1707–1781). Bruckner war Jurist und Registrator (Vorgängeramt des heutigen Staatsarchivars) in Basel und hinterliess mit seinem Versuch einer Beschreibung der historischen und natürlichen Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel eine Fülle an Aufzeichnungen über die ländliche Region um Basel.11 Die »Merkwürdigkeiten« – wie ich sie weiterhin nennen werde – umfassen 23 Bände, die er mit der Hilfe zahlreicher Co-Autoren und gestützt auf Dokumentrecherchen und eigene Beobachtungen verfasste. Von 1748 bis 1763 veröffentlichte er in Einzelteilen das insgesamt über 3000 Seiten starke Werk. Gegliedert waren die Bücher nach »Ämtern«, den Landvogteien der städtischen Aristokratie, und dann weiter in Dörfer, wobei er sich stets der Historie der Orte zuwandte, bevor er die »natürlichen Merkwürdigkeiten« beschrieb. Letztere umfassten hauptsächlich Auflistungen der gefundenen Kräuter und Fossilien und waren mit etlichen Abbildungen versehen. Die Mineralwässer, die uns hier interessieren, wurden dort hinzugefügt, wo sie als lokale Besonderheit hervorgehoben werden sollten.12

Gleichwohl beschrieb Daniel Bruckner mehr Quellen und Wässer in der Region als verschiedenste Autor*innen vor und nach ihm. Da er seine Bücher als Werke der Geschichtsschreibung ansah – er blieb auch hauptsächlich als Geschichtsschreiber in Erinnerung –, nutzte er zahlreiche Schriftquellen. Von denen, die ihm zur Verfügung standen, sind vor allem drei Werke zu nennen. Das Älteste ist die von Christian Wurstisen (1544–1588), ehemals Stadtchronist zu Basel, verfasste Bassler Chronick (1580).13 Ausserdem benutzte Bruckner den Mercurius Helveticus (1688) von Johann Jacob Wagner (1641–1695), eine Reisebeschreibung der Schweiz. Wagner hatte sie geschrieben, weil er den Mangel an Reiseführern beklagte.14 Wagner und Wurstisen erwähnten jedoch nur wenige Mineralwässer in ihren Schriften, etwa das Schauenburger Bad oder die Quelle in Eptingen. Für dieses Thema stützte sich Bruckner insbesondere auf die Hydrographia Helvetica (1717) des bekannten Schweizer Naturforschers Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733), die in dessen Natur-Historie des Schweitzerlandes (1716–1717) enthalten war.15

Sämtliche von Bruckner beschriebenen und von ihm besuchten Heilquellen befanden sich im Besitz der städtischen Obrigkeit und wurden häufig erst durch deren Konzessionen an Dritte zu Bädern ausgebaut. Viele lagen entlang wichtiger Reise- und Handelsrouten zwischen dem Schweizerischen Juragebirge und dem Mittelland. So war es kein Zufall, dass sich an vielen der Quellenorte bereits im Mittelalter Badstuben befanden.16 Oder sie befanden sich in der Nähe von »Sennhöfen«, den frühneuzeitlichen Käselieferanten.17 In einigen Fällen waren nur rustikale, aus Brettern gezimmerte Badehütten vorhanden, welche seit langer Zeit von den in der Gegend lebenden Menschen genutzt wurden.18

Abb. 3: Postkarte des Kurhotels Bad Ramsach (o.J.).

Frühneuzeitliche Untersuchungen der Baselbieter Wässer

Zur Charakterisierung der Mineralwasserquellen in den »Merkwürdigkeiten« gehört ihre geographische Verortung, Auflistungen von Besitzwechseln und -verhältnissen sowie Beschreibungen umliegender Bauten. Ausserdem versuchte Bruckner, das medizinische Wissen über die Wässer zu ermitteln. Von mehreren Basler Naturforschern empfing Bruckner dabei Unterstützung. Zudem konnte er sich auf einige frühere Versuche stützen. Einer der Co-Autoren Bruckners, Friedrich Zwinger (1707–1776), seines Zeichens Arzt und Botaniker, hatte wesentlich zu den naturwissenschaftlichen Teilen der »Merkwürdigkeiten« beigetragen.19 Bei der Untersuchung der Wässer in Gundeldingen und Brüglingen schrieb Zwinger, dass schon sein Vater angeraten habe, das Wasser solle gefasst und »[…] zu bequemerm Gebrauche zugerüstet werden […]«, sei es doch von vielen Menschen »mit Nutzen« getrunken worden.20 Der Vater von Friedrich war der bekannte Basler Arzt Theodor Zwinger III. (1658–1724), der bereits 1693 versucht hatte, mittels Experimenten die Heilkraft des Eptinger Mineralwassers zu ergründen. Offenbar empfand Bruckner diesen Versuch als derart bedeutsam, dass er sich entschloss, ihn in voller Länge in den »Merkwürdigkeiten« abzudrucken.21

Chemische Verfahren standen bei allen erwähnten Versuchen im Vordergrund und wurden stets als Hilfsmittel für eine bessere Erschliessung, Einrichtung und Nutzung der Quellen betont. Bruckner sah in der Chemie eine Möglichkeit, den mangelnden Glauben an den medizinischen Wert der Wasser zu bekämpfen.22 Offenbar sollten die Mineralwasseranalysen auch dem letzten Zweifelnden beweisen, dass die Wässer wahrhaftig heilsam sind und eine Reise in das Bad medizinisch lohnend ist. Implizit drückte Bruckner damit aus, dass die Ländereien, welche die städtische Aristokratie verwaltete, schlecht vermarktet wurden.

Bruckner sah in der Chemie eine Möglichkeit, den mangelnden Glauben an den medizinischen Wert der Wasser zu bekämpfen.

Chemische Analysen

Die Experimente in den »Merkwürdigkeiten« waren stets vergleichend aufgebaut. Als Referenz zu den Baselbieter Heilwässern wurde das Wasser des Gerberbrunnens und des Kornmarktbrunnens in Basel genutzt. Verglichen wurden Eigenschaften wie etwa Gewicht und die mutmasslichen Inhaltsstoffe. Drei Arten von Versuchen können unterschieden werden: Temperaturmessungen, Gewichtsmessungen und qualitative Proben, für die jeweils unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz kamen. Was eine qualitative Probe konkret bedeuten konnte, lässt sich im Systematische[n] Handbuch der gesammten Chemie (1794–1796) von Carl Friedrich Gren nachlesen.23 Gren benennt als »chemische Mittel zur Zerlegung und Zusammenbringung der Körper« acht verschiedene Verfahren: Auflösung, Abkochen, Niederschlagung (praecipitatio), Anwendung des Feuers, Verflüchtigen und Verdampfen, Verkalken, Destillieren und das Sublimieren.24 Mehrere dieser Analysemethoden wurden in den »Merkwürdigkeiten« erwähnt, die Baselbieter Untersuchungen entsprachen demnach den damaligen wissenschaftlichen Standards.

Bei den Mineralwasseranalysen in den »Merkwürdigkeiten« ist meist als Erstes festgehalten, was geschah, wenn das Wasser in einem Kessel stehengelassen wurde (Niederschlagung). Im Falle des Badwassers von Alt Schauenburg lege es »einen zimlich dicken Tophum« an, der abgesehen von »Terra« nicht viele besondere »Principia« habe.25 Es handle sich also um eine erdige Substanz, die im Wasser enthalten sei und absinke. Erden galten als eigene Klasse von Stoffen; ihnen ist in Grens Handbuch ein eigener Abschnitt gewidmet – wohlgemerkt innerhalb des Kapitels über die Klassifizierung von Salzen.26

Als nächster Schritt der Analyse beschreibt Bruckner, dass das Wasser mit sogenannten Probiermitteln vermischt wurde, um die Bestandteile des Wassers zu ermitteln. Zunächst wurde eine bestimmte Menge des Wassers »abgeraucht«, also durch Hitze verdampft, und danach die zurückbleibende Substanz anhand verschiedener Chemikalien untersucht. Diese Chemikalien wurden »Probiermittel« genannt. Eine Vielzahl von Substanzen, welche als fixe oder volatile Salze charakterisiert waren, wurde den Wassern beigefügt: Weinsteinsalz (sal tartari), türkische Galläpfel (auch Gallae turcic), Violensaft oder »Violensyrup« (olei vitrioli), was Schwefelsäure bezeichnete, Salzsäure (spiritus salis), Salpetersäure (spiritus nitri), Bleioxid (lythargirium), Salmiakgeist (spiritu salis ammoniaci) und »Mittelsalz« (salis medii) sind nur einige Beispiele dafür.27 Anhand der Reaktion des Mineralwassers auf diese Probiermittel wurden Aussagen über ihre Inhaltsstoffe und damit ihre Heilwirkung getroffen. Nach heutigem Verständnis lassen sich die bei den Versuchen benutzten Stoffe als verschiedene Sulfate, beziehungsweise Säuren und Laugen und deren entsprechende Salze verstehen. Syrupus violarum zum Beispiel wird von Carl Friedrich Gren auch als »Veilchensaft« und »Lackmustinctur« bezeichnet und als Gegenmittel für Säuren empfohlen, was dem heutigen Verständnis einer Base oder Lauge gleichkäme.28 Grens Handbuch enthält ebenfalls eine Abhandlung über Wasser und Salze, für welche das Wasser »das eigentliche Menstruum« (Auflösungs- oder Trägermittel) ist.29 In der Natur sei nur wenig Wasser zu finden, welches nicht mit »fremdartigen Dingen« verbunden ist.30 Von den darin enthaltenen »Mittelsalzen« rühre die Härte des Wassers.31

Geruch, Geschmack und Farbe – also die sinnliche Wahrnehmung – waren trotz dieser Trennverfahren wichtig für die Bestimmung der Qualitäten der Heilwässer. Das Badwasser des Bad Ramsach beispielsweise hatte nach »gelinder Abrauchung« (Verdampfung durch Zuführung von Hitze) »5 ½ Schrupel«32 eines »weissen Pulvers zurückgelassen, welches auf der Zunge dem Geschmacke nach, so wenig salzicht war, dass man es fast nicht merkte.« Geschmack und Geruch des Oberdörfer Badwassers seien nicht ungewöhnlich. Das Wasser habe nach gänzlicher »Evaporation« und »Inspissation« (Verdampfung und Verdickung) ein weisses Pulver zurückgelassen, das diesen Geschmack erkläre.33

Der theologisch gebildete Pfarrer und Historiker August Johann Buxtorf (1696–1765) war der Autor des vierzehnten Bandes der »Merkwürdigkeiten«. Buxtorf beschrieb darin seine Reise zur Birsquelle und dokumentierte verschiedene Mineralwässer, die er auf seinem Weg angetroffen hatte. »Ungemein linde und lieblich« fühle sich das von Buxtorf beschriebene Chiffel-Wasser im Mund an, wohingegen das der Birsquelle »sehr roh und hart« sei.34 Das Bubendörfer Badwasser sei »[…] gelinder und ein wenig fett oder saponös […]«, dagegen schmecke das Brunnenwasser des Kornmarktbrunnens aus Basel, welches als Vergleichsprobe diente, rauer.35 Theodor Zwinger III. zufolge sei das Wasser des Eptinger Bads geruchslos, habe aber einen »[…] etwas rauchlichen zusammenziehenden Geschmack, welcher glauben oder muthmassen machte, das Wasser sey mit einem subtilen Alaunsalze verbunden oder begabet.«36 Rein vom Geschmack des Wassers schloss man teilweise also schon auf bestimmte mineralische Inhaltsstoffe. Von Bedeutung waren auch Temperatur und Gewicht des Wassers. Ausführliche Temperaturmessungen sind unter anderem bei der Birsquelle von Buxtorf angestellt und dokumentiert worden. Verwendet hatte Buxtorf zur Messung der Temperatur am 12. August 1755 ein Thermometer des »Herrn Micheli du Crêt«. Er hatte dieses um acht Uhr früh für eine halbe Stunde ins Wasser getaucht und mass 3 ¾ Grade »unter Temperé«. Weil unterschiedliche Thermometer in Gebrauch waren, gab Buxtorf die Messwerte in unterschiedlichen Skalen an. Gegenüber den Lesenden galt dies als zuvorkommend. Demnach entspreche die Temperatur auf dem Messinstrument des »[…] Herrn de L’Isle 141 ½ Grad […]«, auf jenem des »[…] Herrn de Reamur 6 ½ Grade über 0 […]«, auf dem newtonschen Temperaturmesser 2 ⅔ Grad über null und letztlich in Fahrenheit 46 ½ Grad über dem Gefrierpunkt.37 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich noch keine einheitliche Methode zur Temperaturmessung durchgesetzt, die Werte wurden vielmehr mit verschiedenen Geräten gemessen und in der jeweiligen Skala angegeben. Uns sagen diese Werte wenig. Die Celsius-Skala war erst sieben Jahre vor dem Erscheinen des ersten Bands der »Merkwürdigkeiten« erfunden worden.38

Zur Messung des Gewichts wurden sogenannte »Hydrometer« verwendet, mit denen das zu untersuchende Wasser und eine Vergleichsprobe gewogen wurden. Wie etwa beim Wasser des Bubendörfer Bads, welches sich »[…] in einem gleichen Grade der Leichte mit dem Pfefferswasser […]« befinde; wobei das Brunnwasser von Bubendorf noch ein bisschen leichter sei und sich von Regenwasser nicht einmal um einen »Viertenteil eines Grads« unterscheide. Zum Abgleich sei Wasser aus dem Kornmarktbrunnen gebraucht worden, denn dessen Wasser gelte als das leichteste in Basel. Deswegen habe man beim Bubendörfer Wasser als Vorsorge gleich regulierte Thermometer benutzt, die beiden Wasser zur Probe in die gleichen Behälter gefüllt und auf die gleiche Temperatur – ein Grad »über Temperé« – gebracht.39

Inhaltsstoffe und Heilwirkungen der Wässer von Bubendorf, Eptingen und Bad Ramsach

Die Beispiele der Heilwässer von Bubendorf, Eptingen und Bad Ramsach sollen deutlich machen, welche gesundheitlich wertvollen Bestandteile in den Wässern festgestellt und zu welchen medizinischen Anwendungen sie empfohlen wurden. Wie die zeitgenössischen Autoren so unterscheide auch ich zwischen der innerlichen und der äusserlichen Anwendung.

Salze und Erden oder Teile davon waren während der Frühen Neuzeit weit verbreitete Medikamente oder Rezeptbestandteile. Für das Bubendörfer Wasser lautete der Befund, dass dieses »[…] von einer fetten, einem bolus, lac lunae oder der terra sigillata beykommenden Erde participiret […]«.40 Wobei es sich bei »lac lunae« um die lateinische Bezeichnung für Mondmilch handelt, welche innerlich mitunter gegen Sodbrennen, Blutflüsse, Blutstürze, Harn- und Nierenleiden, Diarrhoe und äusserlich unter anderem gegen Geschwüre verwendet wurde.41 Daher sei »nicht undeutlich zu erkennen«, dass das Badwasser mit einem »subtilen Vitriolgeist« und einer »fetten oder bolarischen Erde impraegniret« sei und sich folglich ein »Resolvens und Purificans« (Auflösendes und Reinigendes) darin vereinige.

Eine sehr gute Wirkung – so könne gemutmasst werden – würde das Wasser »in flüssigen alten Schäden, Ausschlächte[n], Raut, Beissen und andern aus unreinem Geblüte entstehenden Zufällen der Haut, wie auch insonderheit in Stärkung der so wol durch schmerzhafte Gliederkrankheiten als andere Ursachen abgeschwächten Glieder […]« entfalten.42

Abb. 4: Titelseite des ersten Bands des Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel von Daniel Bruckner (1748).

Eine alkalische Erde (terra alcalinae), welche einem Mittelsalz ähnle, wurde im Wasser des Bad Ramsachs festgestellt. Es sei wohl zu erkennen, dass dieses Wasser nach der Abdampfung mehr Mineralien zurücklasse als andere und daher mineralischer, kräftiger und wirksamer sei. Nach der Meinung der gelehrten Ärzte scheine demnach das Wasser sowohl zur innerlichen wie äusserlichen Anwendung geeignet. Darüber hinaus sei es in der Lage, »zu stärken, zu reinigen, zu verteilen, aufzulösen, die Glieder zu erleichtern […]«.43

Aus den Versuchen Theodor Zwingers III. mit dem Eptinger Mineralwasser schlussfolgerte Bruckner, dass darin »[…] das aluminösische, irdische, rauche Wesen neben sehr wenig subtilem Schwefel verborgen […]« scheine.44 Werde es getrunken, säubere das Wasser »alles unreine Blut«, schwäche oder versüsse die »scharfen Feuchtigkeiten« und sei bei allerlei Verstopfungen der Leber, Milz und Nieren sowohl vorbeugend als auch lösend wirksam. Äusserlich durch Baden angewendet entfalte das Wasser ebenso seine »Tugenden und Wirkungen«, denn es könne »die Mattigkeit der Glieder wegnehmen« und von »Gleichsucht oder andern Krankheiten geschwächten Glieder« wieder mit Kraft und Stärke erfüllen. »Raude, Schäbigkeit und Beissen der Haut« seien ebenfalls heilbar und bei Geschwüren und Wunden wirke das Quellwasser zusätzlich reinigend. Kalte Fieber und »Wehtage« könne das Wasser vertreiben, auch »Geschwulste verteilen«; es sei appetitanregend, stärke die »erkältete Muter«, führe »Sand und Schleim der Nieren und Harngänge« aus dem Körper und nicht zuletzt sei es anwendbar um »[…] die monatliche Reinigung der Frauensbilder in Ordnung zu bringen und endlich dem Auszehren und Sterben der Kinder widerstehen, indem es so wol getrunken, als gebadet die Verstopfung der Gegrösadern und Drüse öfnet, den gestockten und versessenen Schleim auslöset und zum Fliessen bringet und dadurch den ganzen Leib wieder zunehmen lässt.«45

Die Geschichte eines Knaben, der an einer ständig an- und abschwellenden Geschwulst über dem Knie gelitten und durch das Eptinger Badwasser Heilung erfahren haben sollte, sei ihm im Gedächtnis geblieben, schreibt Bruckner. Etliche Wochen lang habe der Knabe sich des »Raucheptingerbaades, wiewol mit Einkochung der Ameissensäcklein« bedient. Daraufhin habe er seine Fähigkeit zu gehen und sich zu bewegen gänzlich wiedererlangt.46 Offensichtlich herrschte die Meinung vor, jedes Wasser lasse sich entsprechend seiner Bestandteile für die Behandlung bestimmter Krankheiten verwenden.

Von der Geschichte zum Experiment: Praxis der Mineralwasseranalyse

Historiker*innen sind nicht unbedingt bekannt dafür, dass sie Experimente durchführen. Um ein besseres Verständnis für die Proben zu erhalten, die von den Baselbieter Mineralwässern im 18. Jahrhundert gemacht wurden, habe ich versucht, diese zumindest teilweise nachzuahmen und so das Experiment als Erkenntnismodus für die Geschichtswissenschaft zu nutzen. Mir stand dabei keine Laboreinrichtung – weder eine frühneuzeitliche noch eine moderne – zur Verfügung, was einen wesentlichen Unterschied zu den Versuchen in den »Merkwürdigkeiten« darstellt. Ich habe vielmehr probiert, mit den Mitteln, die mir in meinem Haushalt zur Verfügung standen, Teile der Experimente nachzuempfinden. Zu erwähnen ist ausserdem, dass keine Salz-, Schwefel- oder Salpetersäure und auch keine der anderen erwähnten Lösungsmittel zum Einsatz kamen, welche in den »Merkwürdigkeiten« verwendet wurden. Meine Versuche beschränkten sich auf das sinnliche Erfahren, Probieren und Beschreiben der Wässer – sehen, schmecken, riechen – und das Imitieren einer »gelinden Abrauchung«, wie sie beinahe bei allen Mineralwässern in den »Merkwürdigkeiten« angewandt wurde. Getestet habe ich drei verschiedene im Handel erhältliche Schweizer Mineralwässer ohne Kohlensäure – Eptinger, Valser und Evian – sowie das Leitungswasser bei mir zuhause in Diepflingen (BL).

Abb. 5: Rückstände des Diepflinger Leitungswassers nach gelinder Abrauchung.

Leider ist das Verfahren der Abrauchung in den »Merkwürdigkeiten« nicht näher beschrieben. Für genauere Informationen habe ich auf das Handbuch von Carl Friedrich Gren zurückgegriffen.47 Darin beschreibt Gren die »Abrauchung« als eines der Verfahren zur Trennung der Bestandteile eines (Stoff-)Gemischs. Bezeichnenderweise erklärt Gren die Abrauchung am Beispiel der Mineralwasseranalyse. Durch die Abrauchung soll das »Auflösungsmittel« vermindert werden, was dazu führe, dass sich auf der Oberfläche ein »Häutchen« (cuticula) aus den Salzteilen bilde, da der Prozess der »Verminderung« nur an der Oberfläche geschehe. Nach vollständigem Abrauchen sollten dann die Salzkristalle am Boden des Gefässes liegen.48 Es war beinahe unmöglich, zu Beginn meiner Untersuchung Unterschiede im Aussehen der verschiedenen Wässer zu erkennen. Signifikant trüber oder klarer als ein anderes war keines der Wässer. Einzig die Bildung von kleinen Bläschen liess das Eptinger und das Valser Wasser anders erscheinen als Evian und Leitungswasser. Keines der Wässer verströmte einen wahrnehmbaren Geruch. Einzig im Geschmack und in dem Gefühl, das die Wässer auf der Zunge hervorrufen, liessen sich verschiedene Nuancen unterscheiden. Allerdings war es eine Herausforderung für mich, diese in Worte zu fassen. So schmeckte das Valser Wasser »frischer« als Leitungswasser und Evian, hingegen fühlte sich das Eptinger Wasser »kalkiger und pelziger« auf der Zunge, den Lippen und Zähnen an. Vorgenommen habe ich die »Abrauchung« in Töpfen aus Chromstahl auf einem Induktionsherd. Für Bruckner war es schon schwierig, genügend Wasser für die Experimente herbeizuschaffen. Denn das Wasser wurde nicht vor Ort, sondern in Basel in einem Labor von einem »vortreflichen und ausnehmend erfahrnen Arzte« untersucht.49 So ging etwa das sogenannte Chiffel-Wasser (von einer Quelle aus dem Birstal entnommen) aus, bevor man zu einem eindeutigen Messresultat gelangen konnte.50 Es sei zu beschwerlich, das Wasser in grösseren Mengen zu transportieren und es fehle an Erfahrung mit dem Gebrauch und Berichten über die Wirkung des Wassers. Ich befürchtete, eine ähnliche Erfahrung machen zu müssen, wenn ich zu wenig Wasser verdampfe. Damit eine genug grosse Menge von Mineralien zurückbleibt, habe ich deshalb jeweils zwischen drei und sechs Liter Wasser bei der höchsten Temperaturstufe verdampfen lassen.

Abb. 6: Rückstände des Eptinger Mineralwassers nach gelinder Abrauchung.

Das Abrauchen von sechs Litern Leitungswasser beziehungsweise Evian benötigte fast drei Stunden. Deswegen habe ich für die übrigen Wässer die Menge auf drei Liter reduziert. Stellt man sich vor, dass im 18. Jahrhundert ein solches Verfahren über dem offenen Feuer auf Holzkohlen vorgenommen wurde, lässt sich vermuten, dass schon der Prozess des Abrauchens etliche Stunden – abhängig von der Menge an Wasser möglicherweise sogar ganze Tage – in Anspruch genommen haben muss und ständig überwacht werden musste, um das Feuer nicht ausgehen zu lassen.

Tatsächlich liess sich während des Abrauchens beobachten, wie die Wasseroberfläche nach einer Weile jeweils trüb wurde. Mir schien, als würden kleine weisse Teilchen darauf herumschwimmen. Die Stärke dieses Effekts war nicht bei allen Wässern gleich. War das die von Gren erwähnte cuticula? Nach vollständiger Verdampfung blieb bei jedem Wasser hauptsächlich am Boden, teilweise auch an den Rändern des Topfes eine kalkähnliche Schicht von weissem Pulver zurück. Es liessen sich Unterschiede in Farbe, Konsistenz und Geschmack dieser Rückstände erkennen.

Gemeinsam war allen Rückständen, dass sie sich auf der Zunge sehr trocken und adstringierend anfühlten. Sauer und leicht bitter waren die Rückstände des Wassers von Evian, diejenigen des Leitungswassers hatten einen etwas salzigen Geschmack und die Mineralien aus dem Eptinger Wasser waren mit Abstand die bittersten – es verzog mir beim Probieren regelrecht das Gesicht. Ist dies das »rauchliche Wesen« des Eptinger Wassers, das Theodor Zwinger III. schon beschrieben hatte?

Insgesamt war ich erstaunt darüber, wie viele Mineralienrückstände jeweils zurückblieben. Mithilfe eines Schabers habe ich die Mineralien, so gut es ging, aus dem Topf herausgekratzt. Es war jedoch nicht möglich, die Rückstände völlig zu lösen. Vermutlich war die Form des Topfes, den ich verwendet habe, nicht ideal und ein Forscher im 18. Jahrhundert hätte ein anders geformtes Gefäss genutzt. Für weitere Versuche mit den Rückständen, zum Beispiel eine Vermischung von mehreren »Probiermitteln«, hätte deren Menge vermutlich nicht ausgereicht. Die frühneuzeitlichen Wasseranalysen waren also schon aus logistischer Sicht aufwändig: Wasser musste mühselig in Flaschen aus den entlegenen Baselbieter Tälern bis ins Labor in Basel transportiert werden. Erst die Erfindung der Volumetrie (Titration) und der Spektralanalyse im 19. Jahrhundert erlaubten es, kleinere Mengen von Wasser genauer zu analysieren.51 Zur gleichen Zeit, als im 19. Jahrhundert die Mineralwässer immer detaillierter und intensiver erforscht wurden, erlebten die Bäder, Badetherapien und Trinkkuren in der Schweiz eine zuvor nie dagewesene Blüte.52

Es ist wahrscheinlich, dass Bruckner mit den Mineralwasseranalysen in den »Merkwürdigkeiten« seinen Teil dazu beigetragen hat, die Baselbieter Bäder populärer zu machen. Hatten er und vor ihm auch schon Theodor Zwinger III. die unzureichende Erforschung und Verwendung des Eptinger Mineralwassers beklagt, so stand das Bad Eptingen gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit. Zwar bereitete der Erste Weltkrieg diesem Erfolg ein jähes Ende, die Beliebtheit von Heil- und Mineralwässern dauerte jedoch an – trotz immer präziserer chemischer Analysen und der Entkräftung der Heilwirkungen der Mineralwässer. Erst durch die erneuerte Lebensmittelverordnung von 1986 wurde der Verkauf von Produkten mit der Bezeichnung »Heil- und Medizinalwasser« endgültig verboten.53

Heute können wir den Mineraliengehalt von Wässern von der Etikette ablesen und dank standardisierter Messverfahren auf deren Genauigkeit vertrauen. Die Wahl für das eine oder das andere Mineralwasser mag von gesundheitlichen Überlegungen begleitet sein, ist jedoch primär eine Frage des persönlichen Geschmacks. Noch immer leiten wir diesen aus den im Wasser enthaltenen Mineralien ab und nicht von Qualitäten des Wassers.

Byron Dowse hat im Herbst 2022 den Bachelor in Kulturanthropologie und Geschichte an der Universität Basel abgeschlossen. Er arbeitet in in der Abteilung Bildung und Vermittlung des Museums der Kulturen Basel (MKB) und absolviert seit Februar 2023 ein Hochschulpraktikum bei der Eidgenössischen Migrationskommission EKM.

Zur gleichen Zeit, als im 19. Jahrhundert die Mineralwässer immer detaillierter und intensiver erforscht wurden, erlebten die Bäder, Badetherapien und Trinkkuren in der Schweiz eine zuvor nie dagewesene Blüte.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Byron Dowse, Etikette des Eptinger Mineralwassers ohne Kohlensäure (2022).

Abb. 2: Postkarte des Bad- und Kurhauses in Eptingen (um 1900), © Pharmaziemuseum Basel.

Abb. 3: Postkarte des Kurhotels Bad Ramsach (o.J.), © Pharmaziemuseum Basel.

Abb. 4: Daniel Bruckner, Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1748–1763), Titelblatt von 1748, Universitätsbibliothek Basel, Rb 768:1–23.

Abb. 5: Byron Dowse, Rückstände des Diepflinger Leitungswassers nach gelinder Abrauchung (2022).

Abb. 6: Byron Dowse, Rückstände des Eptinger Mineralwassers nach gelinder Abrauchung (2022).

Literatur
  1. 1

    Ivan Illich: H2O und die Wasser des Vergessens. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag (1987), S. 7.

  2. 2

    Quirinus Reichen: »Bäder«, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.05.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016308/2017-05-04/.

  3. 3

    Hans Rudolf Heyer: »Ehemalige Bäder im Kanton Basel-Landschaft«, in: Unsere Kunstdenkmäler: Zeitschrift für die Mitglieder der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte 29/4 (1978), S. 477–481, hier S. 479.

  4. 4

    Mineralquelle Eptingen AG: Wasserwissen. Fakten, https://www.eptinger.ch/fakten.

  5. 5

    Mit dem Wasser werden auch mehrere Süssgetränke hergestellt. Am bekanntesten ist vermutlich Pepita.

  6. 6
  7. 7
  8. 8

    Debora Schmid: »Ein zweitausendjähriger Krimi«, in: VSAO Journal 35/3 (2016), S. 33-34, hier S. 33.

  9. 9

    Elisabeth Binz Nocco: Mineralwasser als Heilmittel: Medizinisch-pharmazeutische Aspekte im 19. und frühen 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Tessin, Zürich: ETH (2007), S. 12–15.

  10. 10

    Gernot Rath: »Die Mineralwasseranalyse im 17. Jahrhundert«, in: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 41/1 (1957), S. 1–9, hier S. 1–9.

  11. 11

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1748–1763).

  12. 12

    Es handelt sich um: Neu Schauenburg, Holee, Gundeldingen, Alt Schauenburg, Ramsen Bad, eine ehemalige Badstube in Buckten, das Oberdörfer Bad, die Birsquelle, Bad Bubendorf, Bad Eptingen, den Pfarrhausbrunnen in Arsidorf und die Quellen in Oltingen.

  13. 13

    Christian Wurstisen: Bassler Chronick: Darinn alles, was sich in Oberen Teutschen Landen, nicht nur in der Statt und Bistumbe Basel, von ihrem Ursprung her … biss in das gegenwirtige M.D.LXXX Jar, gedenckwirdigs zugetragen: sampt vieler Herrschafften und Geschlechtern Wapen und Stammbäumen: Neuwlich auss unzalbarlicher menge Scribenten, Briefen, Büchern, Schrifften und Verzeichnussen … weit her zusamen getragen, Basel: Sebastian Henrcipetri (1580).

  14. 14

    Johann Jacob Wagner: Mercurius Helveticus: fürstellend die denk- und schauwürdigsten Anmerkungen und Seltsamkeiten der Eydgenossschaft, Zürich: Verlag Joh. Heinrich Lindinners (1688).

  15. 15

    Johann Jakob Scheuchzer: Helvetiae Historia Naturalis oder Natur-Historie des Schweitzerlandes, Zürich: Verlag Bodmer (1716–1717).

  16. 16

    Quirinus Reichen: »Bäder«, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.05.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016308/2017-05-04/.

  17. 17

    Senn ist ein Wort, die wir heute noch als romantisierende Bezeichnung für alpine Bauern kennen. Es waren also Bauernhöfe, die als Lehen von der Obrigkeit an Bürger vergeben wurden, welche im Gegenzug Abgaben machen mussten. Sie dienten häufig als Gaststätten für Reisende oder den Adel bei Sommeraufenthalten.

  18. 18

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 14. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1755), S. 1558.

  19. 19

    Karin Marti-Weissenbach: »Zwinger, Friedrich«, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.12.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026295/2013-12-20/.

  20. 20

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 5. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1750), S. 579.

  21. 21

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 19. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1760), S. 2290. Für die Lebensdaten Theodor Zwingers III. siehe: Hubert Steinke: »Theodor Zwinger«, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.01.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014708/2014-01-21/.

  22. 22

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 5. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1750), S. 579.

  23. 23

    Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten Chemie, 2. Aufl., Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796). Für die Lebensdaten Gren’s: Hans Schimank: »Gren, Friedrich Albert Carl«, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 45–46. URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119301008.html#ndbcontent.

  24. 24

    Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten Chemie, 2. Aufl.,Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796), S. 54, 62, 66, 71, 96, 101, 102, 119.

  25. 25

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel. 5. Stück. Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1750), S. 579.

  26. 26

    Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten, 2. Aufl., Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796), S. 221.

  27. 27

    Die übrigen verwendeten Substanzen waren: Aqua fort. (Salzsäure), Oleo Sulphur per campan., Aqua destill., Solutio Sal. Tartar, Solutio Vitrioli Martis, Ammoniac Aq. Dest. parat., Sale Gemmae, Solutio Vitriol. Martis Aq. destill. parat, Solutio Vitriol albi Aq. Destill. Parat, Spiritu Sulphuris admixto, Nitrum crud. Crystallisat., Spiritu Nitri dulc., pulvere Limatur. Martis, Solution. Mercur. Sublimat, Solution. Sacchar. Saturn., Ol. Tartari per Deliq., Spir. salis fum., Alkali, Solutio Salis Seidlizensis, Vitriolum commune, lignum nephriticum, Bezette coerulea, Bezettam rubram.

  28. 28

    Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten Chemie, 2. Aufl., Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796), S. 206. Weitere Stoffe, die bei Gren Erwähnung finden: Vitriolsäure (S. 207), Weinsteinsäure (S. 208), Spiritu salis ammoniaci (S. 214), Mittelsalze (S. 222), unterschiedliche Erden (S. 224-273), Alaun (S. 250), Weinsteinsalz (S. 279), Schwefelsaure Neutral- und Mittelsalze (S. 343) um nur einige zu nennen.

  29. 29

    Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten Chemie, 2. Aufl., Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796), S. 182.

  30. 30

    Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten Chemie, 2. Aufl., Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796), S. 183.

  31. 31

    Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten Chemie, 2. Aufl., Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796), S. 183.

  32. 32

    Die korrekte Schreibweise lautet »Scrupel«. Es handelt sich um eine alte Gewichtseinheit. Bei Gren wird sie dem System der Nürnbergischen »Medicinalgewichte« zugeordnet. Ein Scrupel waren 24 Gran, drei Scrupel ergaben eine Drachme, acht Drachmen eine Unze und zwölf Unzen ein Pfund. Siehe, Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten Chemie, 2. Aufl., Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796), S. 123.

  33. 33

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 12. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1755), S. 1396.

  34. 34

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 14. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1760), S. 1697.

  35. 35

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 15. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1756), S. 1805.

  36. 36

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 19. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1760), S. 2291.

  37. 37

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 14. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1756), S. 1696–1697.

  38. 38

    Hasok Chang: Inventing Temperature. Measurement and Scientific Process. New York, 2004, S. 10.

  39. 39

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 15. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1756), S. 1805.

  40. 40

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 9. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1756), S. 1805.

  41. 41

    Sidler, Franz: Die Mandlimilch oder Mondmilch: Ein altes Heilmitte, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde = Archives suisses des traditions populaires 37(1939-1940), S. 218–228, hier S. 224.

  42. 42

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 15. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1756), S. 1808.

  43. 43

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 12. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1755), S. 1398–1399.

  44. 44

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 19. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1760), 19. Stück, S. 2291.

  45. 45

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 19. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1760), 19. Stück, S. 2292. Bei dem im Zitat auftauchenden Wort »serben« handelt es sich um ein Mittelhochdeutsches Wort, das so viel wie kränkeln, sich ungesund entwickeln, bedeutet. Man sagt bis heute, dass jemand »abserbelt«.

  46. 46

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 19. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1760), S. 2292.

  47. 47

    Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten Chemie, Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796) (Zweite Auflage), S. 54, 99, 198–199.

  48. 48

    Carl Friedrich Albrecht Gren: Systematisches Handbuch der gesammten Chemie, Halle: Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung (1794–1796) (Zweite Auflage), S. 199.

  49. 49

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 14. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1756), S. 1698.

  50. 50

    Daniel Bruckner: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, 14. Stück, Basel: Verlag Emanuel Thurneysen (1756), S. 1701.

  51. 51

    Elisabeth Binz Nocco: Mineralwasser als Heilmittel: Medizinisch-pharmazeutische Aspekte im 19. und frühen 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Tessin, Zürich: ETH (2007), S. 27.

  52. 52

    Quirinus Reichen: »Bäder«, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.05.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016308/2017-05-04/.

  53. 53

    Elisabeth Binz Nocco: Mineralwasser als Heilmittel: Medizinisch-pharmazeutische Aspekte im 19. und frühen 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Tessin, Zürich: ETH (2007), S. 36.